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Lehrlinge

Speziell im Osten Österreichs höre ich seit Jahren immer öfter, dass die Bewerber für die Berufsausbildung immer schlechter werden. Ein unumstößliche Tatsache, die irgendjemand anderer lösen muss? Oder etwas, worüber wir vielleicht selber nachdenken und Lösungen finden sollten? Ein vielleicht etwas unbequemer Blick auf unser Wirtschaftssystem.

Früher konnten Bewerber noch lesen und schreiben, grüßen und haben gewusst, warum sie einen Beruf erlernen wollen. So ähnlich klingt die Kurzform dessen, was ich von vielen Unternehmen zum Thema Lehrlingsausbildung höre. Was nicht so oft betont wird, sind die neuen Stärken von Jugendlichen. Kaum einer erzählt: „die können heute toll mit Computern umgehen“, „die wissen ganz schnell, was man wo findet“ oder „die sind untereinander, oft sogar international, stark vernetzt“. Wobei das alles Eigenschaften sind, die am Vorabend von Industrie 4.0 und in Zeiten des globalen Wettbewerbs für Unternehmen wichtig wären.

Legen wir vielleicht die falschen Messgrößen an? In einem großen Filialbetrieb im Handel sagt die Personalchefin: „was nützt mir die Mathematiknote? Bei uns im Geschäft muss man anfangs Kopfrechnen können. Und wissen, wie viel man herausgibt. Das kann ich auch im Bewerbungsgespräch klären. Bis zur Erreichung einer Führungsposition lernt man den Rest. Und Gleichungen mit mehreren Variablen zu lösen brauchen wir nicht.“ Dieses Unternehmen hat keine Probleme, jedes Jahr seine (vielen) Lehrlinge zu finden.

Ist das Problem hausgemacht?

Zum Teil reden wir hier schon auch von einem selbstgemachten Problem: die Anforderungen der Firmen, nicht nur an Lehrlinge, erreichen ein Ausmaß, das nicht immer zwingend erforderlich ist. Lesen Sie einmal allgemeine Stellenausschreibungen. Ist es wirklich immer erforderlich, in jeder Position das volle Ausmaß an tollsten Qualifikationen zu fordern? Wenn wir die Selektionskriterien als Unternehmen immer höher schrauben, verdoppeln wir unser Problem sogar. Denn Schulen senken die Kriterien immer mehr, um ihre Schülerzahlen zu halten. An meiner Handelsakademie gab es noch einen Aufnahmetest, wie viele Schulen haben das heute noch?

Das alles trifft nun noch mit dem Rückgang der Anzahl an sich zusammen. Offenbar haben viele Betriebe unter dem Motto „das wird mich nicht treffen, eher die anderen“ lange Zeit geflissentlich darüber hinweggesehen. Und sind nun erstaunt, dass geburtenschwache Jahrgänge zusammen mit einer stark steigenden Nachfrage nach höherer Bildung (Stichwort Akademisierung) dazu führen, dass wir für die Berufsausbildung immer schwieriger geeignete Bewerber finden. Schuld daran ist laut allgemeiner Meinung das Schulsystem. Das stimmt aber nur zum Teil, denn diese nicht ausreichend qualifizierten Schüler gab es schon immer. Natürlich wäre das auch noch ein Thema, mit dem es gilt sich auseinanderzusetzen. Aber es wäre nicht die alleinige Lösung, sondern würde die Situation sogar noch verschärfen. Denn würden die leistungsschwächeren Schüler besser abschließen, was würde passieren? Die Eltern würden darauf drängen, dass sie eine höhere Schule besuchen. Weil es ihnen ja einmal besser gehen soll und sie die hohen Anforderungen in den Stelleninseraten erfüllen müssen. Und die Betriebe hätten erst wieder keine Bewerber und Facharbeiter!

Richtungsänderung in der Denkweise

Es geht nicht in erster Linie darum, die Bewerber passend zu machen. Sondern darum mit jenen Ressourcen richtig umzugehen, die wir haben. Sich auf die vorhandenen Jugendlichen einzustellen, um unsere Wirtschaft auf kommende Herausforderungen vorzubereiten. In der Schweiz werden schon seit Jahren Jugendliche mittels eines Berufsvorbereitungsjahres für den Berufsalltag qualifiziert. Und Unternehmen bilden dort Jugendliche in Ausbildungsverbünden gemeinsam aus. Auch in Österreich gibt es gute Beispiele, wie die PTS Himberg. Da rund um diese Schule viele Logistikunternehmen ihren Sitz haben, hat die Direktion gemeinsam mit den Unternehmen einen Logistikzweig begründet. In diesem lernen die Jugendlichen genau das, was sie für eine Lehre in der Logistik brauchen.

Es ist Zeit, dass wir unser Denken ändern. Wir alle haben es in der Hand, jene Ressourcen zu nutzen, die vorhanden sind. Es liegt an uns, die Stärken in den Bewerbern genauso zu sehen wie deren Schwächen. Und konkrete Schritte zu setzen, um gute Ergebnisse zu erzielen. Wir können gemeinsam mit Schulen und anderen Unternehmen in unserer Region dafür sorgen, dass wir wieder mehr passende Bewerber bekommen. Oder Qualifikationen nachholen, die nicht ausreichend vorhanden sind. Denn es braucht nicht den großen politischen Wurf, es braucht engagierte Menschen. Und konkrete Projekte, um Bewerber UND System passend zu machen.

Lehrlinge: Passt das System, passen die Bewerber

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