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DasNeueArbeiten: Organisationsstrukturen als die Quadratur des Kreises der heutigen Organisationen?! – Teil 1

DNA, das neue Arbeiten, New Work, Frithjof Bergmann

Nichts kann existieren ohne Ordnung.
Nichts kann entstehen ohne Chaos.
Albert Einstein (1879-1955)

Schon Albert Einstein hat das ambivalente Verhältnis von Ordnung und Chaos aufgeworfen. Wenn es um Neue Arbeitswelten geht, kann die Diskussion um flexible Organisationsstrukturen, welche kreativitäts- und innovationsförderlich sein sollen, als ein heiß diskutiertes Thema beschrieben werden. Teamarbeit, Projektorientierung und interdisziplinäre Zusammenarbeit gewinnen an Bedeutung. Daraus abgeleitet werden Modelle für neue Arbeitswelten entwickelt, die diesen Herausforderungen gerecht werden sollen. Näheres dazu lesen Sie in unserem Beitrag „DNA Das Neue Arbeiten | Neue Arbeitswelten als Herausforderung für HR“!

Die Auswertungen unserer DNAStudie 2014 zeigten ein klares Bild: mehr als 60% der Befragten gaben an, dass sie teilweise oder vollkommen der Aussage zustimmen, dass hierarchische Organisationsformen ein Auslaufmodell sind.

Abbildung: Sind hierarchische Organisationsformen ein Auslaufmodell?
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Im heutigen Beitrag geht es um oft als „vermeintlich“ neue Organisationsstrukturen propagierten Modelle, die jedoch auf Gedanken der 60/70er Jahre zurückgehen.

Hola…. what???: HOLACRACY – alter Wein in neuen Fässern?

Brian J. Robertson (2015) beschreibt in seinem Buch mit dem Titel „Holacracy“ (dt. Begriff Holakratie) ein „revolutionäres neues System für die Führung von Unternehmen“ und beschreibt dabei die Organisationform seines Unternehmens Ternary Software Corporation. Robertson argumentiert, dass sich Rahmenbedingungen in der heutigen Geschäftswelt fast minütlich verändern. In weiterer Folge bedeutet dies, dass eine schnelle Anpassungsfähigkeit seitens der Organisationen gefragt wäre: doch in vielen Organisationen haben die Menschen, die am besten dafür qualifiziert sind, auf Veränderungen zu reagieren, nicht die Autorität dazu. Stattdessen herrscht oft eine „Vorhersagen-und-Kontrollieren“ Mentalität, in der man davon ausgeht, dass festgelegte Strategien, oft vom Management festgelegt, verfolgt werden müssen. Dies wird oftmals auch als effektives Management gesehen. Holakratie, im Gegensatz, macht jeden Mitarbeiter in einem Unternehmen zu einer Führungsperson, wodurch maximale Agilität und Flexibilität erreicht werden. Holakratie funktioniert dabei nach folgenden Prinzipien: Doppelte Verbindung (double-linking), Trennung von Steuerungs- und operativen Treffen, Zuständigkeiten und Rollen und dynamische Steuerung.

SYSTEM 4 nach Likert und SOCIOCRACY, der Großvater bzw. die Großmutter von Holacracy?

Die Ideen von Holakratie erinnern dabei stark an Konzepte der frühen 60er und 70er Jahre. So entwickelte der US-amerikanische Sozialpsychologe Rensis Likert (1961, 1967) auf Basis von Ergebnissen empirischer Studien des Institut for Social Research, Ann Arbor/Michigan, zu den organisatorischen Erfolgsfaktoren von Unternehmen das „System 4“ (System 1 nach Likert ist das Bürokratische Unternehmen in seiner Reinform). Der Niederländer Gerard Endenberg entwickelt auf der Grundlage der Ideen des Sozialreformers Kees Boeke in den 70er Jahren das Konzept der Soziokratie (engl. Sociocracy).

Soziokratie stammt von den Begriffen lat. socius = Gefährte, griech. kratein = regieren ab und ist als ein Modell der Steuerung und Entscheidungsfindung in Prozessen und Organisationen, das von der Gleichwertigkeit aller Beteiligten ausgeht, beschrieben. Die Soziokratie ist ein Organisationsmodell, das davon ausgeht, dass alle Mitarbeiter auf ihrer Ebene mitentscheiden können. Mitarbeiter und Führungskräfte unterliegen somit einem Grundsatz der Gleichwertigkeit. Dafür wird der „normalen“ linearen (hierarchischen) Struktur eine Kreisstruktur hinzugefügt, in der alle Mitarbeiter zusammen mit der Führungskraft auf der Basis der Gleichwertigkeit entscheiden. Alle Grundsatz- und Rahmenentscheidungen werden gemeinsam im Konsent getroffen, das heißt, keiner der Beteiligten hat einen schwerwiegenden, argumentierten Einwand gegen einen Beschluss. Neben der Kreisstruktur existiert weiterhin die lineare Struktur, in der die Führungskraft wie bisher innerhalb der gemeinsam vereinbarten Rahmenbedingungen entscheidet (Rüther 2010).

Abbildung: Lineare Struktur und Kreisstruktur (Rüther 2010)

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Das „System 4“ nach Likert beruht auf ähnlichen drei Basiskonzepten:

  1. Das Prinzip unterstützender Beziehungen: Wertschätzung, auch dann, wenn Fehler gemacht werden
  2. Prinzip der Gruppenarbeit,- entscheidung und –Kontrolle. Bei der Entscheidungsfindung sieht Likert im Gegensatz zu Endenberg das Konsens-Prinzip vor, bei dem der Vorgesetzte das Letztentscheidungsrecht hat, wobei die Führungskraft eine entsprechende Begründung für die Entscheidung abgeben muss.
  3. Das Prinzip der multiplen überlappenden Organisationsstruktur (Netzwerk): ähnlich wie Endenberg beschreibt er diese als überlappende Gruppenstrukturen durch die Integration der Teams in das Gesamtsystem (bestehende Hierarchien) im Stile einer Netzwerkorganisation sichergestellt werden. Der vertikal und horizontalen Gruppen entsprechend der Soziokratie ergänzt Likert noch durch laterale Gruppe d.h. hierarchie- und bereichsübergreifenden Projektgruppen.

Baut das System 4 noch auf der klassischen hierarchischen Struktur auf, geht Likert in der Weiterentwicklung des Modells noch einen Schritt weiter – er baut die Hierarchie ab. Im System 5 (1986 posthum publiziert) heißt es daher bereits: „managing without a boss“.

Chaos pur? Oder doch nicht?

Den oben beschriebenen Ansätzen ist eines gemein – sie beschreiben stark organisierte Systeme, mit klaren Spielregeln und Entscheidungswegen. Im Gegensatz zu rein bürokratisch – hierarchischen Strukturen verteilt sich jedoch die Macht, Entscheidungen zu treffen, nach der Arbeit der Menschen (ihren Rollen) statt ihren Titeln (ihren hierarchischen Positionen). Auch Konzepte wie, Reinventing Organisations (Frederic Laloux) und das demokratische Unternehmen scheinen ihre Wurzeln in den Konzepten der 60er und 70er Jahre zu haben und bereichern die Diskussion um agile Organisationen.

Beispiele auch im deutschsprachigen Raum (z.B: Elbdudler (eine deutsche Marketingagentur) und Telehaase, ein österreichisches Unternehmen im Bereich Sicherheit und Energieeffizienz für Anlagen, Gebäude und Maschinen) zeigen, dass selbstgesteuerte Teams und demokratische Prinzipien tatsächlich erfolgreich funktionieren. Eine Liste von Organisationen, welche diese Prinzipien einsetzen, findet man online hier (http://soziokratie.org/wp-content/uploads/2012/08/Soziokratische-Unternehmen.pdf)!

Die Kernelemente der oben beschriebenen Ansätze die vernetzten, flexiblen, selbstorganisierten und selbst-entscheidenden Projektgruppen funktionieren jedoch nur dann, wenn Mitarbeitern auch tatsächlich eine verstärkte Autonomie, Selbstverantwortung und Eigeninitiative zugestanden wird und die Mitarbeiter ihrerseits den Gemeinnutzen, das Funktionieren der Gemeinschaft, vor den Eigennutzen stellen (Organizational Citizenship Behavior).

Ist also wirklich alles Gold was glänzt? Mehr über die Grenzen flacher Hierarchien in unserem nächsten Beitrag.

 

Autor: Personal & Organisation-TEAM. Heute: Mag. Barbara Covarrubias Venegas, Mag. Sabine Groblschegg

Referenzen und Literaturempfehlungen

  • Harvard Business Review: A Quick Introduction to Agile Management online hier (https://goo.gl/T51cBh9. The system that’s changing the way we work, Artikel online „Embracing Agile.“ 8https://hbr.org/2016/05/embracing-agile?referral=000609 Oder Audio Datei zu Understanding Agile Management hier 8(https://hbr.org/ideacast/2016/04/understanding-agile-management)
  • Brian J. Robertson (2016): Holacracy: Ein revolutionäres Management-System für eine volatile Welt, Verlag: Vahlen.
  • Christian Rüther (2010): „Soziokratie. Ein Organisationsmodell. Grundlagen, Methoden und Praxis“, 2. korrigierte und leicht aktualisierte Auflage, Online http://soziokratie.org/wp-content/uploads/2011/06/soziokratie-skript2.7.pdf.
  • Wilson, John H. (2010): Authority in the 21st Century: Likert’s System 5 Theory. In: Emerging Leadership Journeys, Vol. 3 Iss. 1, 2010, pp. 33-41
  • Plattform Partizipation & nachhaltige Entwicklung in Europa, online http://www.partizipation.at/1659.html.

DNA Reifegradstudie 2016

Nehmen Sie teil an der DNA Reifegradstudie 2016: http://www.unipark.de/uc/DNA_Reifegradstudie/ bzw. informieren Sie sich über unseren Forschungsschwerpunkt hier: http://bit.ly/1T43GNZ

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Die Forschungsausrichtung des Instituts für Personal & Organisation FHWien der WKW liegt an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis mit folgenden Schwerpunkten: zukunftsorientiertes HRM, strategischer Wissensaufbau und Wissensnutzung, nachhaltiges Veränderungsmanagement, Führung und Leadership.

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