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In meinen zahlreichen HR Trainings fällt mir eine Sache stets auf: Frage ich die teilnehmenden Führungskräfte und Geschäftsführer, wer ein Mitarbeitergespräch habe, so gibt es meist breite Zustimmung. Frage ich danach, was dieses bringe, so sind die Meldungen meist deutlich verhaltener.

In zahlreichen Betrieben ist das Mitarbeitergespräch ein zentrales Instrument. Oft jedoch einfach, „weil man eben ein Mitarbeitergespräch hat“. Und genau dieser Ansatz untergräbt die weitreichenden Möglichkeiten, die ein solches Instrument hat und macht das Mitarbeitergespräch eigentlich zu einem gefährlichen Instrument.

„Wir reden jedes Jahr – verändert hat sich noch nie was“

Bei kaum einem anderen Personalmanagement-Instrument zeigt sich ein Grundsatz so deutlich wie beim Mitarbeitergespräch: Personalmanagement – und Unternehmenskultur als Folge davon – wird ausschließlich durch wiederholtes Tun wirksam. Instrumente, die eingeführt sind und von den Führungskräften konsequent umgesetzt werden, erschaffen oder zumindest unterstützen in einer Organisation eine gewünschte Unternehmenskultur. Das Mitarbeitergespräch ist hier ein besonders zentrales Instrument, zumal es um die individuelle Betrachtung der einzelnen Person des Mitarbeiters mit seiner Entwicklung, seiner Leistung, seinen Zielen etc. geht. Mitarbeiter messen grundsätzlich einem Instrument wie dem Mitarbeitergespräch hohe Bedeutung bei. Allerdings nur so lange sie auch einen Effekt oder eine Veränderung aus einem solchen Gespräch erkennen. Nickt die Führungskraft die Wünsche und Vorstellungen des Mitarbeiters nur ab, erfolgt dann aber eine konsequente Nachverfolgung und Veränderung, dann mutiert das Mitarbeitergespräch zu Farce.

Beobachten lässt sich das in HR-Trainings häufig. Die Teilnehmer halten in der Regel nicht mit Aussagen wie „Haben wir schon, bringt aber nichts.“ oder „Es ist egal, was ich da sage, es ändert sich nichts.“ hinter den Berg. Für das Unternehmen sollte dies jedoch ein Alarmsignal sein, denn das bedeutendste Instrument der Organisation ist in diesen Fällen offenbar dem Selbstzweck verfallen und hat seine Wirkung verloren.

Wie Sie erkennen, dass Sie ihr Mitarbeitergespräch überdenken sollten

Es gibt zahlreiche Alarmsignale in Bezug auf das Mitarbeitergespräch. Diejenigen, die mir dabei am häufigsten unterkommen sind:

  • Die Mitarbeiter glauben nicht an die Wirkung oder Veränderung danach
    Ihre Mitarbeiter haben das Gefühl haben, dass sie zwar zwei Stunden Lebenszeit in ein aufwändiges Gespräch investieren, sie sich öffnen und ihre Themen ihrer Führungskraft kundtun, die Führungskraft legt danach aber das verwendete Formular in die Lade und macht weiter wie bisher.
  • Das Mitarbeitergespräch wird als Belastung erlebt
    Statt dass sich Mitarbeiter gerne auf das Gespräch vorbereiten und überlegen, was sie wichtiges besprechen möchten, geht dem Gespräch eine Welle der Demotivation voraus. Der Aufwand wird als unnötig empfunden.
  • Das Mitarbeitergespräch stellt die falschen Fragen
    Die Mitarbeiter haben das Gefühl, dass sie im Mitarbeitergespräch fie falschen Fragen gestellt bekommen bzw. eigentlich die falschen Dinge besprechen, die an jenen Themen, die für sie wichtig sind, vorbei gehen.
  • Das Mitarbeitergespräch wird seitens der Führungskräfte missbraucht
    Die Führungskraft nutzt das Gespräch vor allem, um Kritik an der Leistung des letzten Jahres zu üben (ohne davor bereits entsprechend interveniert zu haben) oder schafft die Abgrenzung zwischen einem Mitarbeiter- und einem Kritikgespräch nicht.
  • Die Führungskräfte verstehen den Sinn selbst nicht und können diesen nicht artikulieren
    Bei den Führungskräften hat sich selbst das Gefühl eingestellt, dass das Gespräch verlorene Zeit ist. Diese Einstellung überträgt sich eins-zu-eins auf die Belegschaft.

Vor allem letzteres sehe ich als größtes Risiko. In dem Moment, in dem Führungskräfte selbst ein Instrument nicht mehr als sinnvoll erachten oder ordentlich anwenden können, muss dieses überdacht werden.

Was ein effektives Mitarbeitergespräch erfüllen sollte – Mitarbeitergespräch Ziele

Möglichkeiten, ein Mitarbeitergespräch zu führen bzw. mit Inhalt zu füllen, gibt es beinahe unendliche. Von skaliertem, gegenseitigen Feedback, über Zielbeurteilungssysteme, Entwickungspläne, und und und, reicht die Palette. Es ist grundsätzlich reichlich einfach, im Zeitalter von google und co., ein Mitarbeitergespräch zu „entwickeln“. Doch dieses sollte einigen -meiner Erfahrung nach – wesentlichen Kriterien entsprechen bzw. entsprechende Ziele verfolgen:

  • Das Mitarbeitergespräch passt zum Unternehmen und seinen Menschen
    Das implementierte Gespräch sollte die Menschen dort abholen, wo sie stehen. So sollte ein Gespräch in einem stark arbeiterlastigen Betrieb anders aussehen als in einer Expertenorganisation, dort wo viel und rasche Entwicklung gegeben ist, anders als in einem Betrieb mit sehr konstanter Entwicklung.
  • Klarheit darüber, dass, wann und was darin besprochen wird
    Es ist Unsinn, dass jedes Mitarbeitergespräch bestimmte Punkte wie Feedback, Ziele oder gar Gehalt beinhalten muss. Führungskräfte und HR Management sollten sich im Klaren darüber sein, dass sie die Verantwortung tragen dafür, dass, aber auch wann, wie oft und was besprochen wird. Natürlich sollte die grundsätzliche Struktur des Mitarbeitergespräches über die Jahre eine immer Gleiche sein, jedoch steht nirgends geschrieben, dass ein solches Gespräch jährlich oder gar öfter stattfinden muss oder eine bestimmte Dauer haben soll. Gerade in Kleinbetrieben eignet sich möglicherweise ein breiterer Rhythmus.
  • Das Mitarbeitergespräch bewegt sich weitgehend abseits operativer Tagesthemen
    Das Mitarbeitergespräch bietet Raum zur Besprechung jener Themen, die im Alltag üblicherweise nicht besprochen werden. Allen voran die Selbstthematisierung, also Fragen der Zusammenarbeit, Beziehung etc. Auch grundsätzliche strategische Themen finden hier Platz. Keinesfalls sollten aber die operativen Themen die Oberhand haben.
  • Die Führungskräfte müssen mit den Ergebnissen arbeiten und arbeiten können
    Ich erlebe oft, dass Führungskräfte das von ihrem HR Management „vorgegebene“ Mitarbeitergespräch führen, jedoch mit den Ergebnissen völlig alleine gelassen werden. Zeigt sich aber, dass sich etwa eine Mitarbeiterin entwickeln will, dass es Bedürfnisse nach Veränderungen in den Aufgabenbereichen gibt, dann muss entsprechend reagiert werden. Fühlt sich die Führungskraft dabei selbst nicht in der Lage, adäquat zu reagieren, werden die Reaktionen der Belegschaft entsprechend sein. Austauschrunden der Führungskräfte bzw. klare Nachvollziehbarkeit der geäußerten Bedürfnisse und dessen, was danach passiert ist, halte ich für unumgänglich, will man ein gewertschätztes Mitarbeitergespräch in seiner Organisation haben. Auch sollte Klarheit über die Ziele des Mitarbeitergesprächs herrschen.
  • Das Mitarbeitergespräch wird flächig über die komplette Organisation geführt und als Instrument zur Umsetzung der Strategie genutzt
    Vom Top Management abwärts sollten alle ein entsprechendes Gespräch führen. Meist ist auch eine zeitliche Abfolge entlang der Hierarchie sinnvoll. Denn besonders dann kann das Gespräch zur Verbreitung und Umsetzung der Strategie genutzt werden. Wenn hingegen ein Gespräch geführt wird, Dinge zwischen Führungskraft und Mitarbeiter festgelegt werden, die sich dann ohnehin nicht in der Strategie wiederfinden, dann ist das Gespräch obsolet.
  • Besser kein Mitarbeitergespräch als ein Halbherziges
    Dieser letzte Punkt ist mir mittlerweile der Wichtigste. Wenn es nicht möglich ist, ein sauberes, effektives, ergebnisreiches, motivierendes Gespräch zu installieren, dann ist es vielfach besser, keines zu installieren. Die kulturprägende Wirkung des Mitarbeitergesprächs ist derart groß, dass der Schaden oft den Nutzen bei weitem übersteigt. Dann lieber auf andere Instrumente zurückgreifen oder im Zweifelsfall die tägliche Kommunikation so verstärken, dass ein eigenes Jahresgespräch nicht mehr nötig ist.

Das Mitarbeitergespräch – ein gefährliches Instrument

Mag. (FH) Peter Rieder | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Mag. (FH) Peter Rieder ist Gründer der Arbeitswelten Consulting sowie geschäftsführender Gesellschafter des Diversity Think Tank Austria und begleitet Unternehmen in den Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Audit berufundfamilie), Diversity Management und nachhaltiges Personalmanagement.

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