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Eine Potenzialanalyse stärkt die Aussagekraft im Assessment Center. Richtig?

Assessment Center, Potenzialanalyse

Das Assessment Center ist schon lange nicht mehr ausschließlich praktische Übung. Heute hinterfrage ich, welche Rolle PotenzialAnalysen im Assessment Center spielen können: Hat eine Potenzialanalyse generell Berechtigung im Assessement Center und welche Aspekte eignen sich besonders gut?

Experten-Interview

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Die Rolle der Potenzialanalyse im Assessment Center

Sollten Elemente einer Potenzialanalyse auf jeden Fall Teil von Assessment Centern sein? Weshalb?

Mag. Bernhard Dworak (Master Human Resources Consulting): Bei einem Assessment Center handelt es sich um ein Personalauswahlverfahren, das in erster Linie darauf abzielt, die überfachlichen Kompetenzen (Soft Skills) der Bewerber zu prüfen. Die Frage, die sich damit automatisch ergibt ist, wie und in welcher Weise die Bewertung dieser Kompetenzen erfolgt. Hier wäre eine Objektivierung sehr hilfreich und man versucht diese Problematik dahingehend zu lösen, indem man mehrere Beurteiler heranzieht, um dadurch einen Durchschnitt bilden zu können.

Wir alle wissen, dass die Qualität sehr stark von der Erfahrung der einzelnen Personen abhängt. Auch wenn hier ein hohes Maß an Erfahrung vorhanden ist, bleibt die Frage: Wird das Ergebnis auf diese Weise objektiver? Wohl nicht.
Und genau deshalb macht es Sinn nicht nur in einem „normalen“ Auswahlverfahren, sondern speziell auch im Rahmen eines Assessment Centers Tools zu verwenden, die mit objektiven, wissenschaftlich basierten Entscheidungskriterien unterstützen. Diese wissenschaftlichen, international anerkannten Methoden machen Ergebnisse vergleichbar und nachvollziehbar und erhöhen dadurch die Qualität der Ergebnisse des Assessment Centers.

Mag. Ines Staevski (ITO): Potenzialanalysen in Form von Selbsteinschätzungsfragebögen und Leistungstests können bzw. sollten in jedem Falle Teil von Assesment Centern sein. Inhaltlich umfassend und zeiteffizient zugleich werden hier Informationen erfasst, die unmittelbar mit einer Normstichprobe in Beziehung gesetzt werden können. Potenzialanalysen erlauben somit ein prägnantes Bild der Person und komplettieren somit den Eindruck, der in Assessment Centern gewonnen wird.

Mag. Josef Wegenberger, CMC (GWO): Ja. Potenzialanalysen bieten Einschätzungen zu Kompetenzen, welche in einem klassischen Assessment Center nicht oder nur sehr schwer überprüft werden können. Wie auch im Interview, bieten treffsichere Potenzialanalysen im Assessment Center eine zusätzliche Einschätzung.

Mag. Brigitta Hager (TRIGON): Das Assesment Center wird heute oft um den Gedanken des Development Centers erweitert. In einem Auswahlverfahren, das so konzipiert ist, dass es dem Menschen in seiner Ganzheit gerecht wird, werden vor allem die Stärken und Potenziale der Kandidaten sichtbar. Das kann und soll durch Elemente der Potenzial-Analyse unterstützt werden. Die Qualität und Fairness eines Assessment Centers zeigt sich besonders in der Rückmeldung an abgelehnte Kandidaten. Hier bilden Elemente einer Potenzialanalyse eine wichtige Grundlage für ein zukunftsweisendes und stärkendes Feedback.

Was ist bei der Organisation bzw. der Vorbereitung eines Assessment Centers bedenken?

Mag. Hans Pieczara (OTM Karriereberatung – LHH): Je nach Art des Assessments – Auswahl oder Entwicklungs- Assessment – und abhängig von der zukünftigen Position der Kandidaten bzw. dem Komplexitätsgrad der zukünftigen Aufgabe ist zu entscheiden ob „off the shelf“ Übungen für ein Assessment Center geeignet sind oder ob es nicht doch notwendig ist „tailor-made“ Assessment Übungen kombiniert mit Competency-based Interview und/oder Persönlichkeitsanalysen vor zu sehen. Je komplexer die zukünftigen Aufgabenstellungen und je größer der Einfluss der zukünftigen Positionsinhaber ist umso mehr empfiehlt es sich die Assessment Übungen dem firmeneigenen Leitlinien z.B. dem Leadership Profil anzupassen bzw. „tailor-made“ zu erstellen.

Welche Aspekte von Potenzial-Analysen eigenen sich besonders gut für Assessment Center? Weshalb?

Franz Dinhobl (KICK OFF): Die Talente- und Motivationsanalyse (TMA) sowie das Kommunikations- und Stressprofil nach PCM, da diese beiden Analyse-Tools einerseits die Stärken und Schwächen als auch das Kommunikations- und Stressverhalten evaluieren.

Mag. Hans Pieczara (OTM Karriereberatung – LHH): Die verschiedenen Tests zur Persönlichkeitsanalyse, so ferne sie den Kriterien objektiv, valide und verlässlich entsprechen, eignen sich sehr gut als ergänzende Maßnahmen in einem Assessement Center, niemals jedoch allein als Entscheidungsgrundlage. Es kommt aber sehr auf die Ziele des Assessment Centers (z.B. Recruiting/Auswahl oder Entwicklungs-Assessment) an, welche Persönlichkeitskriterien dazu als objektive Informationen gemessen werden können. So kann subjektiv beobachtetes Verhalten einer Momentaufnahme in einer „Labor-Umgebung“ verifiziert werden oder Grundlage eines weiteren Validierungsinterviews sein.

Mag. Brigitta Hager (TRIGON):

  • Tests: Sie können im Vorfeld online durchgeführt und das Ergebnis im Rahmen des Assessment Centers besprochen werden.
  • Self-Assessments: darunter verstehe ich eine Reihe von Checklisten, die sich inhaltlich an den Kompetenzfeldern orientieren und die der Kandidat im Vorfeld eines Assessment Centers ausfüllt. Im Rahmen des Assessment Centers wird diese Selbsteinschätzung des Kandidaten mit den Assessoren besprochen.
  • (Biographische) Interviews: wird während des Assessment Center durchgeführt.
  • Feedback-Methoden, wie zB 360° Feedback oder Potenzialdialog mit dem Vorgesetzten: werden im Vorfeld durchgeführt. Das Ergebnis wird im Rahmen des Assessment Centers besprochen sowie mit dem Assesment Center-Ergebnis verglichen.
Wie können die Ergebnisse von elektronischen Potenzialanalysen im Assessment Center genutzt werden?

Mag. Ines Staevski (ITO): Die Ergebnisse der Selbsteinschätzung bilden eine wesentliche Grundlage für das kompetenzorientierte Tiefeninterview. Hier können vorab Hypothesen gebildet werden, welche anschließend im Gespräch überprüft werden. Das Ergebnisprofil ermöglicht zudem, dass Assesemnt-Center-Übungsinhalte auf den vorher erlangten Erkenntnissen aufgebaut werden können bzw. erkannte Defizite kritisch mit Hilfe einer interaktiven Übung durch ein Fremdbild abgeglichen werden.

Wird zusätzlich ein Anforderungsprofil für die Potenzialanalyse benötigt, wenn bereits eine ausführliche Stellen-Ausschreibung vorliegt?

Mag. Bernhard Dworak (Master Human Resources Consulting): Ausschreibungen sind oft so formuliert, dass hauptsächlich Personen mit passender Qualifikation angesprochen werden. Die geforderten bzw. erwarteten Soft Skills werden in den meisten Fällen auf viele Kandidaten zutreffen und eignen sich daher nicht als Vorauswahlkriterium. Auch sind Ausschreibungen mit einem externen Fokus konzipiert.

Das Anforderungsprofil einer Persönlichkeitsanalyse hingegen stellt einerseits die interne Sichtweise und einen direkten Bezug zwischen zukünftiger Position und der Person dar. Erst beim Vergleich mit dem Anforderungsprofil einer definierten Position/Funktion wird die Eignung eines Probanden für diese Position erkennbar. Ganz „nebenbei“ startet ein unglaublich wichtiger und nicht zu unterschätzender Prozess, nämlich die interne Diskussion über Erwartungen und Anforderungen an den neuen Mitarbeiter und die Position. Sehr oft existieren intern verschiedene Meinungen, die erst nach Antritt der Person offenkundig werden. Eine Situation die in vielen Fällen unweigerlich zum Scheitern der neuen Person führt. Durch die Erstellung eines Anforderungsprofils wird dieser Prozess angestoßen und führt schon im Vorfeld zu einer Klärung der verschiedenen Positionen.

Die Teilnehmer-Seite im Assessment Center

Ist für die Teilnehmer eine Vorbereitung auf Development bzw. Assessment Center sinnvoll?

Franz Dinhobl (KICK OFF): Die Teilnehmer kommen immer wieder zu Development bzw. Assessment Centern vorbereitet, entweder durch die Führungskraft, welche  DC/AC-Erfahrung hat oder durch Selbststudium, vorzugsweise durch „Internetwissen“. Dies vermindert zumeist die Authentizität und vor allem erfahrene Assessoren sind jederzeit in der Lage die Übung anzupassen bzw. die Fragen leicht zu verändern. Dadurch laufen die Kandidaten Gefahr, dass sie aus dem vorbereiten Konzept geworfen werden. Daher geben wir zumeist die Empfehlung, sich nicht speziell vorzubereiten, sondern auf den eigenen Energiehaushalt zu achten, gut ausgeruht das DC/AC in Angriff zu nehmen, wenn möglich darauf zu achten, ob man eine Morgen- oder Abendmensch ist. Dies ist die beste Vorbereitung.

Bewerber wollen sich von der besten Seite zeigen und „tunen“ alle Bereiche des Auswahlprozesses – kann hier das AC bzw. eine Potenzialanalyse Abhilfe schaffen?

Mag. Josef Wegenberger, CMC (GWO): JEIN; ein Assesment Center oder eine Potenzialanalyse per se schafft noch keine Abhilfe, beide Systeme müssen erstens professionell aufbereitet und durchgeführt, auf die jeweilige Funktionsgruppe maßgeschneidert und vor allem Elemente zur Verfälschungssicherheit beinhalten. Die moderne Testpsychologie bietet genau diese Möglichkeiten an (Offenheitskontrollsystem, forced-choice- und Ranking-Verfahren, …). Systeme, die eine hohe Augenscheinvalidität aufweisen, d.h. wo für den Bewerber auf den ersten Blick erkennbar ist, was abgetestet wird, sind wertlos. Haben Sie schon einmal bei der Einreise in die USA die ESTA – Fragen genau betrachtet? Z.B: Planen Sie einen terroristischen Akt?

­­Wie wichtig ist das Feedback an die Kandidaten und wie soll es erfolgen?

Mag. Hans Pieczara (OTM Karriereberatung – LHH): Kandidaten investieren Zeit und Mühe in ein Assessment Center, daher schulden wir ihnen ein gutes Feedback. Bei guten Persönlichkeitsanalysen sind die zertifizierten Berater sogar verpflichtet, ein ausführliches Feedback zu geben. Je zeitnaher zum Assessment das Feedback gegeben werden kann, umso effektiver ist der daraus zu erzielende Lerneffekt. Kandidat und Assessor haben die Situationen besser in Erinnerung und können konkret auf die Situation Feedback geben. Persönliches Feedback ist unabdingbar. Ein späteres Feedback-Gespräch und das vielleicht auch noch telefonisch hat sich in der Praxis nicht sehr bewährt und wirkt sich außerdem eher negativ auf das Employer Branding aus.

 

Die Gesprächspartner

Eine Potenzialanalyse stärkt die Aussagekraft im Assessment Center. Richtig?

dworak_bernhard_150Mag. Bernhard Dworak
Geschäftsführer

Master Human Resources Consulting GmbH


HRwebMag. Ines Staevski
Consultant, Coach, Project Manager

ITO Individuum Team Organisation GmbH


Dinhobl-Franz-kick-off-150Franz Dinhobl
Geschäftsführer

KICK OFF Management Consulting GmbH


wegenberger-josef-150Mag. Josef Wegenberger, CMC
Geschäftsführer

Gesellschaft für Wirtschaftspsychologie und Organisationdynamik


HRwebMag. Brigitta Hager
Geschäftsführerin

TRIGON Entwicklungsberatung Unternehmensberatung GmbH


Pieczara-otm-lhh-150Mag. Hans Pieczara
Geschäftsführer

OTM Karriereberatung GmbH – Lee Hecht Harrison Austria


Mag. Eva Selan, MSc | HR-Redakteurin aus Leidenschaft

Theoretischer Background: MSc in HRM & OE. Praktischer Background: HR in internationalen Konzernen und KMUs in Österreich und den USA.
Nach der Tätigkeit beim Print-Medium Magazin TRAiNiNG als Chefredakteurin, wechselte sie komplett in die Online-Welt und gründete Ende 2010 das HRweb.

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