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Zuweilen müssen Unternehmen, um ihre Zukunft zu sichern, einen radikalen Kurswechsel vollziehen. Change Management stellt deren Kapitäne vor besondere Herausforderungen – vor allem, wenn es dem Unternehmen (scheinbar) noch gut geht.

Mexiko-City 1968. Erstmals überspringt Richard Douglas Fosbury bei olympischen Spielen rückwärts die Hochsprunglatte. Die Experten sind skeptisch: Kann man so wirklich hoch springen? Ihre Skepsis verfliegt, als Fosbury die Goldmedaille gewinnt. In kurzer Zeit wird der Fosbury-Flop zur Standardtechnik im Hochsprung. Denn Fosburys Springer-Kollegen erkennen: Mit der neuen Technik lässt sich sogar der seit Jahren gültige Weltrekord von 2,28 Meter knacken. Heute liegt der Hochsprungweltrekord bei 2,45 Meter – erzielt mit einem Fosbury-Flop.

Ähnliche Prozesse kann man laut Hans Werner Bormann (Geschäftsführer der WSFB Beratergruppe, Wiesbaden) auch im Wirtschaftsleben beobachten. Jahre-, oft sogar jahrzehntelang, nutzen fast alle Unternehmen dieselben Verfahren – sei es in der Fertigung, beim Aufbau ihrer Organisation oder im Vertrieb. Und sie verfeinern diese immer weiter – mit Erfolg. Doch dann stellen sie irgendwann fest: Die Möglichkeiten der bisherigen „Technik“ sind ausgereizt. Mit ihr lassen keine Quantensprünge mehr erzielen. Hierfür wäre ein radikaler Kurswechsel nötig.


Einen ganz neuen Lösungsweg finden

Vor dieser Herausforderung stehen die Unternehmen heute immer häufiger, weil sich die Rahmenbedingungen ihres Handelns immer schneller ändern. Also müssen sie in kürzeren Zeitabständen ihre Strategien und Verfahren überdenken und sich fragen: Können wir durch ein Optimieren des Bestehenden unsere Ziele noch erreichen? Oder müssen wir ganz neue Lösungen entwickeln?

Organisationsberater nennen einen solchen fundamentalen Wandel einen Musterwechsel, weil hierbei nicht nur die gewohnten Verfahren auf dem Prüfstand stehen. Vielmehr wird auch die Art, die Realität zu betrachten und zu bewerten, hinterfragt. Ein solcher Musterwechsel setzt laut Dr. Georg Kraus (Inhaber der Unternehmensberatung Kraus & Partner, Bruchsal, Deutschland) voraus, „dass sich in der Organisation das Gefühl verdichtet: Wir nähern uns einer Grenze. Wenn wir an unseren bisherigen Denkmustern und Verfahrensweisen festhalten, scheitern wir auf Dauer.“

Ein solches gemeinsames Empfinden in ihrer Organisation zu schaffen, fällt vielen Unternehmen schwer – speziell dann, wenn das Unternehmen auf den ersten Blick noch gut dasteht. Die Zahlen stimmen, die Kunden sind zufrieden und von den Mitbewerbern geht keine sichtbare Bedrohung aus. Dann ist für viele Mitarbeiter die Notwendigkeit eines Musterwechsels noch nicht erkennbar, selbst wenn erste Indikatoren schon auf eine Gefährdung hinweisen. Also müssen zunächst die Voraussetzungen geschaffen werden, dass über die Frage „Musterwechsel – ja oder nein?“ überhaupt gesprochen werden kann. Ohne externe Unterstützung gelingt dies selten. Also engagieren Unternehmen in dieser Situation oft externe Berater, um den Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess zu moderieren.


Das Unternehmen „zukunfts-fit“ machen

Zeigt sich hierbei, ein Musterwechsel ist nötig, stellt sich die Frage: Wie könnte das neue Muster aussehen? Sie ist nicht leicht zu beantworten – vor allem, weil ein Musterwechsel Unternehmen stets zukunfts-fit machen soll. „Die Zukunft ist aber noch nicht Gegenwart“, betont Bormann. „Also kann die Frage, was ist sinnvoll, nicht allein anhand von Zahlen, Daten und Fakten beantwortet werden. Auch Einschätzungen und Annahmen spielen eine wichtige Rolle.“ Zum Beispiel darüber: Wie entwickelt sich der Markt? Wie entwickelt sich die Technik? Entsprechend viele Unwägbarkeiten sind hiermit verbunden.

Das verunsichert selbst gestandene Manager. Also suchen sie, wie Prof. Karl Müller-Siebers (Präsident der Fachhochschule für die Wirtschaft [FHDW], Hannover), erläutert, wenn ein Musterwechsel ansteht, oft „nach Richtschnüren für ihre Entscheidungen“. Die Folge: Zuweilen verkünden die obersten Lenker der Unternehmen fast wortgleich dieselben Management-Credos – branchenübergreifend. Zum Beispiel „Wir müssen uns auf unser Kerngeschäft besinnen“. Oder: „Wir müssen uns vom Produktlieferanten zum Systemanbieter entwickeln.“


Entscheidungsalternativen entwickeln

Eine Ursache dafür ist: Den Unternehmen fehlen vielfach Alternativen zu den gängigen Lösungskonzepten. Diese wären aber nötig, warnt Müller-Siebers. „Denn, wenn fast alle dieselbe Strategie verfolgen, steht von Beginn an fest: Einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil können sich hierdurch nur ein, zwei Unternehmen verschaffen.“ Also sollten zunächst Handlungsalternativen erarbeitet werden – sonst ist kein echtes Entscheiden möglich.

Sind die Alternativen auf dem Tisch, gilt es die Beste zu realisieren. Das klingt einfach. „Doch Vorsicht“, mahnt Bormann. „In sozialen Systemen gestalten sich Musterwechsel schwieriger als beim Hochsprung.“ Denn in Unternehmen müssen stets Teile der Mitarbeiter als Mitstreiter gewonnen werden. Das erfordert viel Überzeugungsarbeit, denn bei jedem Musterwechsel gibt es Gewinner und Verlierer – unter anderem, weil dabei die Aufgaben und Verantwortlichkeiten neu verteilt werden. Hinzu kommt laut Georg Kraus: „Jeder Musterwechsel bedeutet ein Abschiednehmen von gewohnten Denk- und Verhaltensmustern.“ Deshalb löst er Verunsicherungen und Ängste aus, die häufig zu Widerständen führen. Entsprechend wichtig ist es, dass die Verantwortlichen klar kommunizieren, warum der Musterwechsel nötig ist.

Doch das allein genügt nicht. Denn jeder Musterwechsel läutet eine Phase der Instabilität ein – weil zum Beispiel mit der neuen Art, Aufgaben zu lösen, noch keine Erfahrung gesammelt wurde. Deshalb benötigen die Beteiligten einen Orientierungsrahmen. Ihnen muss ein Weg aufgezeigt werden, wie das Ziel erreicht werden kann.


Den Weg zum Ziel regelmäßig überprüfen

Daraus resultiert ein weiteres Problem. Bormann: „Wenn ein Unternehmen einen Musterwechsel vollzieht, kann es in der Regel den Beteiligten nur das Ziel nennen – und selbst dieses steht unter Vorbehalt. Den exakten Weg dorthin kann es noch nicht beschreiben. Es kann bestenfalls die Richtung vorgeben – so wie Kolumbus, als er einen neuen Seeweg nach Indien suchte.“ Deshalb brauchen die Verantwortlichen eine überzeugende Vision. Sie müssen zudem glaubwürdige Persönlichkeiten sein, damit die Mitarbeiter ihnen vertrauen. Und, sie müssen den Weg zum Ziel regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls korrigieren – damit sie nicht wie Kolumbus, ohne es zu wissen, statt in Indien in Amerika landen.


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