Burnout als „Krankheit einer seelisch anfälligen“ Person? Die „Entdeckerin“ von Burnout, die international renommierte Psychologin Christina Maslach, warnt bei einem Kongress in Graz vor dieser unzulässigen Schlussfolgerung: Sie präsentiert die organisationalen Bedingungen, die dieses Phänomen mit hervorrufen. „Workload“ ist dabei nur eine von sechs Variablen…
Die zentrale Botschaft gleich mal vorweg: Burnout entsteht nicht aufgrund eines Ausbrennens einer Person „aus sich heraus“. Burnout ist ein Phänomen, das sich ausschließlich aufgrund eines Wechselspiels zwischen zwei Partnern entwickelt:
Der Nicht-Passung zwischen
- Arbeits- und Kulturbedingungen einer Organisation
- und der Persönlichkeit und den Werten einer dort arbeitenden Person.
Burnout sagt mehr über einen Arbeitsplatz aus als über einen Arbeitsnehmer.
Diese Botschaft war Dr. Christina Maslach (Professorin an der University of California) ein Anliegen. Bei dem Kongress am 27mai2011 in Graz, der von der K.J.F. Akademie veranstaltet wurde, hielt sie vor 270 Teilnehmern den Auftakt für drei abwechslungsreiche Tage zum Schwerpunktthema „Gut und Böse“.
Die Akademie K.J.F (Akademie Kind Jugend Familie) setzt regionale und internationale Aus- und Weiterbildungen in den Feldern Psychologie, Therapie, Coaching und Beratung um. Der besondere Praxisbezug ergibt sich durch die Anbindung an ein psychologisches Institut mit über vierzig Mitarbeitern.
Die Entdeckung von Burnout
Vor rund 40 Jahren, erzählt Christina Maslach (Foto), habe sie das Phänomen Burnout durch Interviews entdeckt und den Namen hat ein Betroffener beigesteuert: „I don´t know how you call this – but here we call it burnout.“ In Amerika ist der Begriff mit einem intensiven Bild verbunden: Etwas das brannte, von dem aber nur mehr die Asche übriggeblieben ist. Die Entscheidung, diesen Begriff zu verwenden, hat Christina Maslach beinahe die Anerkennung unter den Psychologen gekostet. Kein renommiertes Journal wollte ihre Forschungsarbeiten in der ersten Zeit unter diesem Titel drucken. Ungelesen kamen die Manuskripte zurück. Aber das ist lange her und Burnout ist mittlerweile weltweit in aller Munde.
Der negative Beitrag der Organisation
Was noch immer nicht in aller Munde ist, ist dass es bestimmte organisationale Variablen sind, die diese negative Arbeitserfahrung bei Menschen hervorrufen können. Der erste Punkt dazu – Arbeitsüberlastung – fällt wohl jedem ein, aber wenig bekannt sind die weiteren fünf. Die Reihung ergibt sich dabei nicht nach Bedeutung, sondern nach Intensität der Erforschung der jeweiligen Faktoren.
- Arbeitsüberlastung – das Ausmaß an Aufgaben übersteigt nachhaltig die persönlichen und zeitlichen Ressourcen.
- Mangel an persönlicher Kontrolle – die Zuständigkeiten sind entweder schwammig und/oder die Person hat zu wenig Handlungsspielraum für die Art der Arbeitsabwicklung.
- Unzureichende positive Rückmeldungen – Kritik gibt es schon, wenn etwas nicht klappt, jedoch kaum positives Feedback, wenn etwas klappt.
- Zusammenbruch des sozialen Zusammenhalts – zwischen den Beteiligten am Arbeitsprozess (Kollegen, Vorgesetzte, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten) herrschen Konflikte, Konkurrenz und eine feindselige Sprache.
- Mangel an Fairness – die Prozesse, wie Leute befördert werden bzw. andere Belohnungen erhalten, werden als unfair wahrgenommen.
- Wertekonflikte – die Arbeit widerspricht den persönlichen Werten. Zum Beispiel vertritt die Organisation nach außen Kundenorientierung und nach innen „Verkauf um jeden Preis“ um die Ziele zu erreichen.
Was Organisationen wirklich anpacken können
Eine regelmäßige Messung dieser Variablen (z.B. im Rahmen der Mitarbeiterbefragung) gibt der Organisation die Chance zu erkennen, wie die Bedingungen von den Mitarbeitern wahrgenommen werden und präventiv zu handeln. Christina Maslach erzählt aus ihren Forschungsarbeiten in Unternehmen, dass es ausreicht, wenn ein Faktor kritisch ausgeprägt ist und auf eine Person trifft, die damit einen inneren Konflikt hat: ein Jahr später wird diese Person mit hoher Wahrscheinlichkeit an Burnout leiden. Und die Organisation leidet an den Folgekosten: In den ersten Monaten Kosten durch Ineffizienz und negatives Arbeitsklima (ansteckend!), dann durch lange Krankenstandszeiten und schließlich durch Austritt, Recruiting- und Einschulungskosten.
Es lohnt sich also als CEO und als Personal-/Organisationsentwickler positive Impulse im Unternehmen zu setzen um anstatt Burnout als „Gegenphänomen“ Engagement hervorzurufen. Man kann die Kraft der notwendigen Variablen gleich spüren, wenn man die obigen Mängel in Ziele umformuliert:
- Nachhaltig-bewältigbare Arbeitsmenge
- Angemessene persönliche Handlungsspielräume und Kontrolle
- Wertschätzung und Anerkennung
- Unterstützendes Teamklima
- Fairness, Respekt und soziale Gerechtigkeit
- Klare und widerspruchsfreie Werte; Arbeit, die Sinn vermittelt
Was sind Ihre Assoziationen zu dieser Liste? Ein deutliches, inneres Abnicken im Sinne von „Ja, bitte!“?
Wohl nicht von ungefähr, denn es sind überwiegend auch jene Bedingungen, die aus den Forschungsarbeiten der Positiven Psychologie hervorgehen: Nämlich als Voraussetzungen für Wohlbefinden, Engagement und Glücklichsein.
Literaturtipps
- M.P. Leiter, Ch. Maslach: Die Wahrheit über Burnout. 2001, Springer Verlag
- M.P. Leiter, Ch. Maslach: Burnout erfolgreich vermeiden. 2007, Springer Verlag
Das erste Buch (2001) widmet sich primär den organisationalen Bedingungen, das zweite Buch (2007) den Möglichkeiten des Individuums zur Diagnose und Vorbeugung.
Veranstaltungstipps der K.J.F. Akademie
- Martin Seligman: Symposium Positive Psychologie, Zürich (2.7.11) und Heidelberg (9.7.11)
- Jeff Zeig: Hypnose in der Therapie, AKJF in Graz (30.8.- 4.9.11)
Alle Informationen unter: http://www.akjf.at