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Changemanagement: Wenn zwei Unternehmen fusionieren

Für Unternehmensführer ist es oft ein Highlight ihrer Karriere, wenn sie stolz verkünden können: Unser Unternehmen übernimmt einen ehemaligen Wettbewerber. Entsprechend zuversichtlich sind zu diesem Zeitpunkt meist ihre Zukunftsprognosen. Um so ernüchternder ist der graue Alltag nach dem Verkünden der Übernahme oder Fusion.

Häufig unterschätzen Unternehmensführer die Tücken des damit verbundenen Integrationsprozesses – speziell auf der kulturellen Ebene. Denn die Kultur eines Unternehmens lässt sich anders als dessen Strukturen und Prozesse nur begrenzt mit solchen Instrumenten wie Organigrammen und Ablaufdiagrammen erfassen. Ihre Entwicklung lässt sich auch nur bedingt am „Reißbrett“ planen.

 

Sorgen und Ängste ernstnehmen

Große Veränderungen in Unternehmen lösen bei den Mitarbeitern stets Unsicherheiten und Ängste aus – denn neben Gewinnern stehen stets auch Verlierer. Oder zumindest Personen, die sich als solche empfinden. Diese meist diffusen Ängste und Befürchtungen müssen aufgefangen werden. Sonst verdichten sie sich zu Widerständen.

Bei Fusionen können unter anderem folgende Ängste zu Widerständen führen:

  • Angst vor Einkommenseinbußen,
  • Angst vor einem Arbeitsplatzverlust,
  • Angst vor neuen Aufgaben,
  • Angst vor dem Verlust wichtiger persönlicher Beziehungen (zum Beispiel aufgrund einer Versetzung),
  • Angst vor einem Verlust an Sozialprestige,
  • Angst vor dem Verlust von Handlungsspielräumen und Entscheidungsbefugnissen und
  • Angst vor geringeren Entwicklungs-/Karriere-Chancen.

Diese Ängste werden in der Regel umso größer, je länger die Mitarbeiter nicht wissen: Was kommt auf mich zu? Deshalb sollte das Management diese Fragen so schnell wie möglich beantworten. Sonst beginnt die Gerüchteküche zu brodeln, und der Veränderungsprozess erscheint für die Mitarbeiter in einem stets negativeren Licht. Deshalb stellen sich sogar Personen gegen ihn, die faktisch zu den Gewinnern zählen.

 

Ausreichend informieren und kommunizieren

Eine Emnid-Umfrage kommt zum Ergebnis, dass der Erfolg von Fusionen oft aus folgenden Gründen bedroht ist:

  • Die Mitarbeiter werden zu spät integriert (bei 87 % der Fusionen).
  • Die Mitarbeiter werden fehlerhaft und ungenügend informiert (81 %).

Viele Manager sind überzeugt: Wir sollten die Mitarbeiter erst informieren, wenn alles „in trockenen Tüchern“ ist und ein für allemal feststeht – sonst erzeugen wir Unsicherheit. Fusionsprozesse lassen sich aber nicht im Voraus im Detail planen. Viele Entscheidungen haben einen vorläufigen Charakter – auch weil nicht alle Einflussfaktoren und Wechselwirkungen präzis erfasst werden können. Zudem betritt das Unternehmen oft Neuland. Es hat also noch keine oder wenig praktische Erfahrung mit Fusionen. Deshalb führt die Angst davor, falsch oder unvollständig zu informieren, oft dazu, dass die Betroffenen fast keine offizielle Information erhalten.

Dieses Informationsvakuum nährt Gerüchte und Halbwahrheiten, die wiederum Ängste schüren

 

Kulturelle Unterschiede analysieren

Jedes Unternehmen hat seine eigene Geschichte und Kultur. Fusionieren zwei Unternehmen, entbrennt meist eine Kampf um das neue Leitbild. Diesen gewinnt, sofern dieser Prozess nicht gesteuert wird, in der Regel das übernehmende Unternehmen, selbst wenn offiziell eine „Hochzeit unter gleichen“ verkündet wird. Es empfiehlt sich, bei Fusionen eine Analyse durchzuführen, welche Elemente in den Kulturen der beiden Unternehmen die Zielerreichung fördern und deshalb in die neue Kultur einfließen sollten. Und: kulturelle Veränderungsprozesse dauern in der Regel mindestens 3 Jahre.

 

Die vorhandene Energien kanalisieren

Bei Fusionen leben die Mitarbeiter bis zum Übergang in die neue Struktur oft in einem „Schwebezustand“. Wie geht es weiter? Was wird aus mir? Gibt es meinen Job nachher noch? Solche Fragen bewegen sie. In dieser Situation zeigen Mitarbeiter oft folgende Verhaltensmuster:

  • Winterschlaf: Sie identifizieren sich nicht mehr mit dem Unternehmen, machen nur noch Dienst nach Vorschrift, folgen nur noch bedingt den Anweisungen ihrer Vorgesetzten usw..
  • Operative Hektik: Sie verfallen in Aktionismus. Es werden zahllose Projekte generiert. Die Mitarbeiter wollen überall mitmischen, um in einem guten Licht zu erscheinen. Nicht die Qualität der Arbeit, die „Show nach oben“ zählt.

Deshalb ist es wichtig, in der Übergangszeit Orientierung bieten. Ansonsten verpufft viel Energie wirkungslos.

 

Eine gewisse „Überparteilichkeit“ wahren

Bei Fusionen werden oft in sehr kurzer Zeit folgenschwere Entscheidungen getroffen – unter anderem über IT-Systeme, Stellenbesetzungen, Markt- und Produktstrategien. Häufig setzt sich dabei nicht das bessere, sondern das Konzept des Übernehmers durch. Felder werden besetzt und Territorien neu verteilt, wobei auch Eigeninteressen eine große Rolle spielen. Deshalb sollten die Unternehmenslenker auf eine gewisse „Überparteilichkeit“ achten, damit insbesondere im übernommenen Unternehmen keine überflüssigen „Verlierer“ produziert werden, die den Prozess blockieren.

Fusionen sind ein schwieriges Geschäft – auch, weil die eigentliche Arbeit erst nach Vertragsabschluss und dem Verkünden der Fusion beginnt. Unternehmensführer sollten sich bewusst sein: Eine gelungene Integration gibt es nicht zum Nulltarif. In den Monaten und Jahren nach dem Verkünden der Fusion muss das Unternehmen viel Energie in das Gestalten dieses Prozesses investieren. Zudem sollte dieser Prozess professionell gesteuert und durch externe Experten begleitet werden – unter anderem um sicher zu stellen, dass bei den (Folge-)Entscheidungen stets die drei Aspekte „Strategie“, „Struktur“ und „Kultur“ beachtet werden, die sich wechselseitig beeinflussen.

 

Gastautor: Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (http://www.kraus-und-partner.de). Er ist Autor des „Change Management Handbuch“ (Cornelsen Verlag) sowie zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.

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