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Der Trend, dass Unternehmen sich in Social Medien engagieren, ist ungebrochen. Frau Mag. Anneliese Breitner PhD hat sich mit diesem gesellschaftlichen Phänomen in ihrer Dissertation auseinandergesetzt. Im Interview mit Claudia Bergner erklärt sie wie Social Media auch intern genutzt werden kann.

Interview

Welche Herausforderungen sehen Sie für Unternehmen die sich im Social Media engagieren wollen?

Anneliese Breitner: Eine der Herausforderungen von Social Media ist die Kommunikation zwischen internen und externen Stakeholdern bzw. Interessensgruppen. Vernetzung findet statt, aus diesem Grund ist es für Unternehmen wichtig am Ball zu bleiben und diese Vernetzungsprozesse aktiv mitzugestalten, sonst passieren sie am Unternehmen vorbei.

Wenn immer Prozesse am Unternehmen vorbei passieren ist es schwierig darauf zu reagieren oder rechtzeitig Einfluss zu nehmen. Aktuell kann man in Österreich beobachten, dass im Marketingbereich die Social Media Kommunikation über Produkte und Dienstleistungen im Steigen ist, während Personalabteilungen sich stärker mit dem Thema Employer Branding auch über Social Media auseinandersetzen.

Anhand der Art und Weise wie an die unterschiedlichen Zielgruppen kommuniziert wird, wird plötzlich transparent, ob eine gemeinsame Strategie erkennbar und die Kommunikation zueinander glaubwürdig ist. Die Kommunikation per se unterliegt einer stärkeren Transparenz und muss daher sowohl strategisch abteilungsübergreifend geplant als auch operativ abteilungsübergreifend umgesetzt werden.

Als zweite Herausforderung von Social Media sehe ich, eine Fragmentierung von Arbeitsprozessen d.h. immer mehr Teildienstleistungen können ausgelagert oder durch weniger Medien-/Systembrüche effizienter abgewickelt werden. In einzelnen Branchen können sich daraus neue Geschäftszweige entwickeln, andere Prozesse werden verlagert oder einfach nur in Ihrer Verantwortung oder Bearbeitung geteilt.

Viele Unternehmen nutzen beispielsweise ihr Intranet noch zu wenig. Stellen Sie sich Ihr Intranet als Social Intranet vor. Ein Kollege postet intern, dass er gerade an einer Marktpotenzialstudie arbeitet, ein anderer antwortet mit einem Verweis zu einem interessanten Artikel zu diesem Thema und ein Dritter postet, dass er für diese Zwecke intern bereits einen Prozess definiert hat und stellt diesen zur Verfügung.

Die soziale Vernetzung stößt physisch an zeitliche und räumliche Grenzen, Sie können gar nicht so viele Meetings abhalten, als das Sie oben beschriebenen Vernetzungsprozess physisch schaffen und genau dort liegt der Mehrwert durch Social Media. Gleichzeitig fördern Sie durch die verstärkte Öffentlichkeit kulturell neue Spielregeln. Das heißt, dass von Mitarbeiter stärker als bisher eine Verantwortung für Ihr Tun und Handeln einfordert wird – weil es zumindest für eine interne Öffentlichkeit transparent ist. Was man online sagt oder tut, bleibt für lange Zeit gespeichert und abrufbar und unterliegt unmittelbarer sozialer Würdigung. Dies fördert die Auseinandersetzung mit der eigenen Person / Rolle im Unternehmen und kann wenn es positiv durch die Führungskräfte begleitet wird, das Verantwortungsbewusstsein hervorbringen!

Da Social Media alle im Netz gleichermaßen würdigt, d.h. egal ob Einzelperson oder Großkonzern, geht es darum, durch die richtigen Maßnahmen die Aufmerksamkeit der gewünschten Zielgruppe auf sich zu lenken. Dies gelingt, wenn  auf diese sehr grundlegende Änderung in der Kommunikation eingegangen wird. Der Wechsel von senderorientierter Kommunikation zu einer empfängerorientierten Kommunikation führt zu einem veränderten Kommunikationskreislaufs nämlich beobachten, zuhören und dann agieren. Social Media ermöglicht es mit relativ geringen Kosten und Ressourcen sehr viel Aufmerksamkeit zu erregen, dies ist aber nicht alles. Es geht darum, die Medienwahl stärker in den Vordergrund zu stellen und Zielgruppe – Botschaft und Kontext bestmöglich aufeinander abzustimmen. Unternehmen haben neben Social Media eine breite Palette an Tools wie Intranet, Mitarbeiterzeitung, Homepage oder Kundenzeitungen die es ermöglichen, Stakeholder gerecht die Kommunikation zu differenzieren.

Sie haben jetzt viel über Mitarbeiter und interne Kommunikationswege gesprochen. Wie können Unternehmen z.B. die Response ihrer Mitarbeiter erfassen?

Anneliese Breitner: Bisherige Erfahrungen zeigen, dass Social Media Projekte in Unternehmen oft durch Eigeninitiative der Mitarbeiter angestoßen werden und interdisziplinär ausgerichtet sind. Hier können Unternehmen ansetzen und diese Ideen gezielt fördern. Oft werden derartige Initiativen bereits im Keim erstickt aufgrund der Gefahr, dass Mitarbeiter zu viel Zeit in Social Media verbringen. Ein sehr bekanntes Beispiel für erfolgreichen Response ist der Erfolg des Unternehmenswiki der Fraport AG (http://blog.kooptech.de/2010/02/wikis-im-unternehmen-das-fallbeispiel-fraport-ag/). Die Artikel umfassen Themen des Luftverkehrs, behandeln Technik, stellen Projekte vor, sammeln Tipps und Tricks und beantworten Personalfragen. Das Schlüsselkriterium hierbei ist, dass dies den Mitarbeitern zu Gute kommt, denn nur dann wenn der Mitarbeiter einen Nutzen für sich erkennt fühlt er sich motiviert sein Wissen preis zu geben. Man darf nicht vergessen, dass solch eine Wissensdatenbank einen Aufwand generiert, wenn der Mitarbeiter vom Nutzen nicht überzeugt ist, läuft sich das Projekt schnell tot.

Wen sehen Sie als Treiber solcher Social Medien Aktivitäten?

Anneliese Breitner: Das ist definitiv eine strategische Entscheidung und sollte unter Einbindung von Marketing/PR/Wissensmanagement/HR/IT interdisziplinär diskutiert werden. Bei Social Media spielt die Identifikation mit dem Medium selbst eine wesentliche Rolle. Genau auf diese Identifikation können z.B. Führungskräfte positiv Einfluss nehmen, da sich die Mitarbeiter an ihnen orientieren. Social Media kann auch als Führungsinstrument genutzt werden. Fast jeder kennt den „I like“- Button. Durch die Transparenz in Social Media wird deutlich welche Aktivitäten soziale Anerkennung bekommen. Als Führungskraft kann ich hier meine Erwartungen zum Ausdruck bringen. Nichts einfacher also, als via „I like“ das Posting eines Mitarbeiters zu würdigen und damit „Ich schätze, dass Du Dich hier engagierst“ für alle sichtbar zum Ausdruck zu bringen. Zusätzlich kann ich steuern, welches Mitarbeiterverhalten ich fördere oder ablehne. Gerade wenn Mitarbeiter Kritik äußern, zeigen sie, dass sie sich mit dem Unternehmen auseinandersetzen. In diesen Fällen kann ich durch rasche Aufklärung Missstimmung und Gerüchten im Unternehmen vorbeugen. Es empfiehlt sich hierfür ein Training im Umgang mit Kritik in Social Media, um Führungskräften auch das entsprechende Rüstzeug mitzugeben.

Wo können sich Unternehmen vor dem Start von Social Media Aktivitäten einen Überblick verschaffen?

Anneliese Breitner: Es empfiehlt sich für die Analyse der entsprechenden Potenziale eine externe und interdisziplinär ausgerichtete Beratung. Damit meine ich, dass Agenturen nicht nur mit dem Marketing oder der Personalabteilung sprechen sollten sondern sich Marketing/PR/Wissensmanagement/HR/IT gemeinsam an einen Tisch setzen sollten. Der erste Schritt bzw. Frage die man sich stellen sollte: Was möchte ich mit Social Media erreichen? Es geht nicht nur darum dabei zu sein, sondern es muss ein unternehmerischer Nutzen hinter diesen Aktivitäten sichtbar sein. Sobald ich mir Social Media nur leiste, um dabei zu sein, kann ich mir das Geld und die Ressourcen auch gleich sparen. Je besser die Aktivitäten mit dem Unternehmenszweck in Verbindung stehen, desto stärker wird Einfluss auf die interne Identifikation genommen und desto größer kann sich der Impact in den gewünschten Zielgruppen entfalten.

Das heißt, die allererste Frage sollte immer sein, in welchem meiner Geschäftsbereiche kann Social Media diesem Anspruch gerecht werden? Danach geht es darum, sich um den Aufbau der internen Kompetenzen im Umgang mit Social Media zu kümmern, damit meine ich nicht nur die Wahl der richtigen Instrumente und die day-to-day Bedienung, sondern vor allem auch die Auseinandersetzung mit übergreifenden Themen wie Reputation Management oder sich ein Krisenmanagement zu überlegen. Social Media bedeutet, dass eine zweiseiten-Kommunikation gefördert wird. Ich kann Angriffe auf Image und Produkte nicht abwenden, aber ich kann durch eine kompetente Reaktion darauf starke Aufmerksamkeit erreichen und diese positiv für das Unternehmen nutzen. Für dieses Szenario muss deshalb schon im Vorfeld interne Kompetenz aufgebaut werden, da im Falle eines Eintritts wenige Stunden zwischen Image-Angriff und Krisenmanagement liegen können.

Stiftet Social Media nicht nur kurzfristige Effekte?

Anneliese Breitner: In den 90er hat man begonnen Firmen-Homepages zu kreieren.  Damals waren Skeptiker davon überzeugt, dass dies niemand braucht und sich damit auch kein Geld verdienen lässt. Damals war es eine bewusste Entscheidung ob und wie ich meinen Auftritt nach außen hin gestalte.

Bei Social Media verhält es sich ähnlich. Ein Wandel im Unternehmen wird oft erst initiiert, wenn die Angst vor der Veränderung kleiner ist, als der erwartete Nutzen der mit der Veränderung verbunden ist. Man kann also warten, bis die Angst klein genug ist oder pro aktiv einen Anspruch an den möglichen Nutzen stellen. Bereits 2008 lief über 90% der Kommunikation über das Email (http://www.andreas-kalt.de/blog/effektiv-per-e-mail-kommunizieren). Es gibt aber genug Aktivitäten die über Email mühsam oder sinnlos sind, z.B. Terminkoordination oder Mails mit langen cc Listen um möglichst viele davon zu informieren, obwohl man im Vorfeld bereits weiß, dass einige der cc-Kontakte die Information nicht lesen werden, besteht dennoch das Bedürfnis sich „sozial abzusichern“ warum dann nicht gleich an alle?

Social Media besteht ja nicht nur aus Wikipedia, Webblogs, Facebook oder Twitter, sondern bietet auch eine Reihe anderer Möglichkeiten. Hier lohnt es sich zu schauen wie werde ich effizienter in einzelnen Arbeitsprozessen.  Eine schrittweise Auflösung von räumlichen Grenzen über Social Media bewusst zu gestalten erleichtert die Vernetzung ihrer Mitarbeiter, Meetings und Firmenfeiern werden dadurch nicht ersetzt aber sinnvoll ergänzt.

Darum glaube ich nicht, dass wir hier von kurzfristigen Effekten sprechen, es wird Tools geben die bleiben und andere werden von der Bildfläche verschwinden. Für das richtige Tool ist es wichtig sich an kulturell bereits anerkannten internen Tools zu orientieren und nach effizienteren zu suchen.

Welche 3 Fragen sollte sich jedes Unternehmen vor der Einführung von Social Media Aktivitäten stellen?

Anneliese Breitner: In welchem Geschäftsbereich ergeben sich durch Social Media neue strategische Potenziale? In welchen Kern- und Supportprozessen kann Social Media operativen Nutzen stiften? Welches Knowhow müssen wir intern für den day-to-day Umgang aufbauen? Welche interdisziplinären Prozesse brauchen wir im Umgang mit öffentlicher Kritik bis zu öffentlich ausgelösten Krisen?

Wie raten Sie Unternehmen mit Social Media anzufangen?

Anneliese Breitner: Das Thema sollte interdisziplinär zwischen HR / Marketing / PR / Wissensmanagement / IT und Geschäftsführung diskutiert werden. Für die Beantwortung oben genannter Fragen lohnt es sich mit einer entsprechenden Agentur / Berater in Klausur zu gehen und unternehmerische Chancen / Risiken / kulturelle Barrieren sowie technische Möglichkeiten auszuloten. Aus meiner bisherigen Forschungsarbeit rate ich, sich vor allem mit den kulturellen Hürden im Unternehmen auseinanderzusetzen. Gab es beispielsweise in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit der Implementierung von Systemen, gibt es eine Reihe von Paradigmen, die sich negativ auf die Nutzung von Social Media auswirken können. Gerade wenn das Unternehmen bisher über starke Abteilungsgrenzen verfügt, ist es ratsam diese zuerst mit entsprechenden kulturellen Interventionen emotional zu öffnen bevor eine positive Haltung für die virtuelle Aufhebung von Grenzen erwartet wird. Dieser Umstand wird im Vorfeld oftmals unterschätzt und kann mangelnde interne Motivation nach sich ziehen.

Glauben Sie das Social Media für alle Unternehmen/Dienstleistungen gleich gut geeignet ist?

Anneliese Breitner: Nein, das glaube ich nicht. Einerseits kann es eine strategische Entscheidung sein sich vorerst nicht aktiv und öffentlich zu engagieren, weil entsprechende Rahmenbedingungen in Österreich fehlen (zB Pharma). Hier sollte man prüfen, ob eine interne Nutzung einen Beitrag zur Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit leisten kann. Mit Social Media ändert sich nicht die Arbeit per se allerdings steigt die Komplexität der Kanäle und damit muss es gelingen das Element der Aufmerksamkeit als Steuerungshebel zu verstehen und zu nutzen.

Wie gelingt es mir die Mitarbeiter für Social Media Aktivitäten ins Boot zu holen?

Anneliese Breitner: Ich habe im Rahmen meiner Forschungsarbeit diese Frage eingehend studiert und komme zu folgendem Schluss: Mitarbeiter müssen die Integration von Social Media als sinnstiftend für ihre tägliche Arbeit erleben, also muss es beispielsweise bei der Implementierung von Social Media Wissensmanagement Tools aus der Perspektive des Mitarbeiters aufgesetzt werden. Weiter ist es wichtig, dass die Identifikation mit dem Medium selbst gefördert wird, das eigene Corporate Design bei unternehmensinternen Tools kann dazu beitragen, stärker können darauf allerdings die Führungskräfte Einfluss nehmen. Die Anwendung sollte in der Bedienung einfach gehalten sein. Wesentlich ist der Einfluss der Führung. Die Prozesse in Unternehmen sind darauf ausgerichtet auf ein bestimmtes Ergebnis hinzuarbeiten. Social Media verlangt von Führungskräften den Prozess vor dem Ergebnis anzuerkennen, also auf die Beteiligung und Eigeninitiative einzugehen. Gerade hier stoßen viele Unternehmen an ihre kulturellen Grenzen.

Wohin geht die Reise Ihrer Meinung?

Anneliese Breitner: Menschen passen ihr Verhalten den technischen Möglichkeiten an. Die stetige Zunahme der technischen Vernetzung z.B. durch die Maschine zu Maschine Kommunikation wird daher ein vernetzendes Verhalten vorantreiben. In Unternehmen werden zu Beginn die Meetings und Besprechungen ansteigen bis es den handelnden Personen in der ihr zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr gelingt sich auszutauschen und sie gezwungen sind auf andere Möglichkeiten umzusteigen. Hier kann Social Media eine Rolle spielen, weil es diese Grenzen aufhebt. Gleichzeitig steigen die Komplexität und damit die Suche nach klaren Orientierung und einem greifbaren Profil. Die zunehmende virtuelle Transparenz wird daher Auswirkungen auf das Selbstverständnis von Personen nehmen und damit steigen auch persönliche Werte in ihrer Bedeutung für den Einzelnen. Unternehmen, die diesem Trend folgen, arbeiten stetig daran auftretende interne kulturelle Widersprüchlichkeiten aufzuheben, um sich für die Bewältigung der externen Herausforderungen entsprechend zu rüsten und schließen mit ihrer Kommunikation daran an.

Danke fürs Gespräch!

Zur Gesprächspartnerin:

Mag. Anneliese Breitner PhD ist als Unternehmensberaterin in nationalen und internationalen Unternehmen tätig. Nach dem Studium für wirtschaftsberatende Berufe und diversen Ausbildungen hat sie sich dem Thema Social Media in ihrer Dissertation zum Thema „Die Wirkung elektronischer Kommunikation auf die Unternehmenskultur“ angenähert und kulturelle Hürden im Umgang mit social Media untersucht. Kontakt: http://www.anneliese-breitner.com

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