Viele Unternehmen erfinden sich zur Zeit neu. Denn ihr Top-Management hat erkannt: Wenn unser Unternehmen in den stets dynamischer werdenden Märkten überleben möchte, muss es seine Innovationskraft und -geschwindigkeit erhöhen.
In den Managementetagen der größten Unternehmen rumort es. Sie haben hunderte Millionen Euro investiert, um Innovation voranzutreiben, doch das Ergebnis ist zu 80 % enttäuschend. Zwar werden neue Technologien auf den Markt gebracht und die Produkte immer besser – doch der große Wurf bleibt aus. Fazit des Technologievorstands eines Automobil-Konzerns: „Was immer wir tun, wir erhalten immer nur Varianten des Alten.“ Was fehlt, sind wirklich innovative Ideen, mit denen die Unternehmen Märkte umgestalten oder sogar ganz neue Märkte entwickeln können.
Zu langsam und behäbig
„Die meisten Unternehmen lähmen sich beim Thema Innovation selbst“, kritisiert Jens-Uwe Meyer (Geschäftsführer der Beratungsfirma die Ideeologen, Baden-Baden). „Ihre Innovationsansätze sind veraltet. Sie stammen häufig aus den 90er Jahren, als die Märkte viel stabiler waren.“ Meyer, der das Top-Management zahlreicher Konzerne berät, interviewte für eine Studie mit dem Titel „Erfolgsfaktor Innovationskultur“ knapp 200 Innovationsverantwortliche von Unternehmen – aus 13 Branchen. Das Ergebnis: Nur jedes 5. Unternehmen treibt Innovation proaktiv voran. Die meisten Firmen reagieren nur auf das, was der Markt vorgibt. Oder sie verwalten Innovation: Formulare statt Leidenschaft. „Das Gross der Unternehmen gleicht heute schwerfälligen Tankern: Sie sind zu langsam und zu behäbig“, konstatiert Meyer. „Deshalb besteht die Gefahr, dass sie im internationalen Innovationswettbewerb auf Dauer unterliegen.“
In zahlreichen Branchen findet zur Zeit ein Paradigmenwechsel statt. Waren die Innovationszyklen früher lang, planbar und teilweise sogar vorhersehbar, so bietet sich heute vielfach ein radikal anderes Bild. Klassische Ansätze des Innovationsmanagements sind in einem solchen von „High Speed“ geprägten Umfeld viel zu langsam, um mit den Veränderungen Schritt zu halten.
Die verkrusteten Strukturen sprengen
Mit Hochdruck arbeiten denn auch zahlreiche (Groß-)Unternehmen daran, ihre verkrusteten Strukturen zu sprengen. Beispiele aus Deutschland:
- Die Telekom plant eine School of Transformation – einen Thinktank, der dem Unternehmen mit Hilfe kreativer Methoden einen Innovationsschub verleihen soll.
- Auch die Tourismusindustrie beschreitet ganz neue Wege. Warum erläutert Andreas Kurth (Head of New Business, TUI): „Die klassischen Methoden der Strategieentwicklung bringen uns immer wieder mehr vom Gleichen: die Kosten senken, die Prozesse weiter optimieren, ab und zu mal eine kleine Veränderung. Es entsteht aber nichts wirklich Neues.“ Also beschloss TUI, stärker auf die eigene Kompetenz zu vertrauen. Das Unternehmen holte 30 Manager für drei Monate ins Hamburger Schanzenviertel und ließ sie dort an neuen Geschäftsmodellen arbeiten. Das Ergebnis: radikal neue Ideen, die sukzessiv umgesetzt werden.
Auch die Innovationskultur gerät in den Fokus des Top-Managements. So ließen in den zurückliegenden Monaten mehrere Konzerne für die Strategieplanung 2012 zunächst ihre Innovationskultur analysieren. Die Fragen, die dahinter stehen, sind stets die gleichen: Wie können wir verhindern, dass wir im Wettbewerb abgehängt werden? Und: Wie können wir den Markt gestalten, statt permanent den Veränderungen hinterher zu hecheln?
Das Vollkasko-Denken über Bord werfen
Die Firmen stehen dabei erst am Anfang. „Nur in jedem 3. Unternehmen ist kreatives Denken derzeit hoch angesehen: Neu jede 4. Firma stellt zum Beispiel gezielt Querdenker ein – die anderen bevorzugen konforme Mitarbeiter“, zitiert Meyer aus der Studie „Erfolgsfaktor Innovationskultur“. Und für 80 % aller Unternehmen gilt: Sie betreiben zwar aufwändige Marktforschungen und -analysen, sie experimentieren aber nicht mit Neuem – aus Angst vor dem Scheitern.
Doch auch hier hat ein Umdenken begonnen: Mehr und mehr sind Manager bereit, radikal neue Wege zu gehen. Weg von der Vollkasko-Mentalität, hin zum kalkulierten unternehmerischen Risiko, lautet zunehmend ihre Maxime.
Dieses Umdenken wird sich 2012 beschleunigen, prognostiziert Meyer. Der Grund: „Die letzte Krise, die viele Unternehmen primär durch Sparen zu meistern versuchten, ist gerade mal zwei Jahre her. Deshalb sind die Einspar-Potenziale zumeist ausgereizt.“ Also müssen die Unternehmen, wenn sie ihre Performance steigern möchten, neue Wege beschreiten. Sie müssen ihre Innovationsprozesse beschleunigen und ihre Mitarbeiter dazu motivieren, Neues zu denken. „In fünf Jahren erkennen wir die meisten Unternehmen nicht wieder“, prophezeit Meyer. „Gerade große Konzerne werden sich ganz neu aufstellen und sich so organisieren, dass sie Innovation unter Hochdruck vorantreiben können.“ Das Ziel lautet: High Speed Innovation.
Tipp: die Studie
Jens-Uwe Meyer (2011): Erfolgsfaktor Innovationskultur. Das Innovationsmanagement der Zukunft – Corporate Creativity Studie 2011, Verlag BusinessVillage, 200 Seiten, ISBN 9783869801452, (Buch € 297, PDF-eBook € 248)
Gastautor: Andreas Lutz