Wie finde ich einen geeigneten Nachfolger für mich? Walter Kaltenbach (Inhaber des Beratungsunternehmens Kaltenbach Training), beschritt einen ungewöhnlichen Weg. Er startete einen mehrstufigen Wettbewerb – mit Erfolg.
Immer wieder suchen schon leicht ergraute Inhaber mittelständischer Unternehmen einen Nachfolger. Und so mancher sieht sein Lebenswerk gefährdet, weil er keinen geeigneten „Thronfolger“ findet. So erging es auch dem 75-jährigen Walter Kaltenbach (Inhaber der Vertriebsberatung Kaltenbach Training, Böbingen, Deutschland). „Entweder hatten die Interessenten vom technischen Vertrieb zu wenig Ahnung oder ihnen fehlte der Draht zu meiner mittelständischen Klientel“, erinnert er sich.
Da die klassische Suche nicht fruchtete, kontaktierte er den Strategieberater Ulrich Mölter (Au am Rhein, D). Der erkannte: Um das Ziel zu erreichen, brauchen wir zunächst eine Vielzahl von Kandidaten, und diese müssen sich Schritt für Schritt das Privileg verdienen, das Unternehmen zu erwerben. Also konzipierte er mit Kaltenbach einen mehrstufigen Wettbewerb, bei dem die Anforderungen an die Kandidaten sukzessiv steigen, Kaltenbach immer mehr Infos über sein Unternehmen preisgibt und die Bewerberzahl immer weiter sinkt – bis der „Sieger“ feststeht.
Zeitgleich entwarfen sie ein Konzept, um die Kunden des Unternehmens über den Wettbewerb zu informieren. Denn Kaltenbach wollte nicht, dass sie über Umwege von seiner Nachfolger-Suche erfahren. Außerdem beauftragten sie eine PR-Agentur, den Wettbewerb zu promoten – um die Kandidatenzahl zu erhöhen und in den Markt das Signal zu senden: Wir gehen mit der geplanten Veränderung bei Kaltenbach Training offen um.
Überraschend hohe Resonanz
Der Wettbewerb erhielt den Titel „Formel 1 der Unternehmensnachfolge“ und bestand aus vier Wettbewerbsphasen: Qualifying, Startaufstellung, Rennen und Siegerehrung. Am 1okt2011 ging es los, und nach zwei Stunden hatten bereits 160 Interesssenten die eigens für den Wettbewerb konzipierte Webseite besucht. Und nach der sechswöchigen 1. Wettbewerbsphase (Qualifying) hatten sich 83 Nachfolge-Interessenten registriert.
Von ihnen ließen Kaltenbach und Mölter circa die Hälfte für die zweite Wettbewerbsphase (Startaufstellung) zu. In ihr erhielten die Kandidaten vertiefende Fragen zur Person. Nun sollten sie zum Beispiel online ihre bisherige Vertriebs- und Führungserfahrung sowie unternehmerische Erfahrung schildern. Außerdem sollten sie darlegen, was sie für die Unternehmensübernahme motiviert und befähigt.
Die Spreu vom Weizen trennen
In die dritte Phase schafften es elf Teilnehmer. Doch nur sieben nahmen am „Rennen“ teil. Denn nun informierte Kaltenbach die Kandidaten über die finanziellen Aspekte der Übernahme und seine nicht verhandelbaren Bedingungen. Eine Bedingung lautete: Der Sieger muss für die zweijährige Übergabephase seinen Hauptwohnsitz in die Nähe der Firmenzentrale in Böbingen verlegen. Das bewog vier Kandidaten zum Rückzug.
Die verbliebenen Kandidaten mussten erneut online einen Persönlichkeitstest und einen „Unternehmer-Check“ absolvieren. Hieraus kristallisierten sich drei Top-Kandidaten. Diese wurden in der letzten Phase (Siegerehrung) zum Firmensitz eingeladen. Dort informierte Walter Kaltenbach sie detailliert über die Umsätze, Erträge und Fixkosten seines Unternehmens. Außerdem erläuterte er ihnen die Abläufe im Back-Office. Danach sollten die Kandidaten erneut mehrere Aufgaben lösen, bei denen vor allem gecheckt wurde: Wie gehen sie neue Herausforderungen an?
Ein Kunde fühlt den Bewerbern auf den Zahn
Am zweiten Tag erläuterte Kaltenbach den Bewerbern detailliert den geplanten Übergabeprozess (siehe grauer Text unten). Danach fuhr er mit ihnen zu einem seiner Top-Kunden. Dessen Geschäftsführer und Vertriebsleiter schilderten den Bewerbern mehrere Herausforderungen, vor denen der Vertrieb ihres Unternehmens aktuell steht. Danach sollten sie Lösungsvorschläge hierfür entwerfen und ihnen präsentieren.
Nach den Präsentationen gaben der Geschäftsführer und der Vertriebsleiter Walter Kaltenbach ein Feedback bezogen auf jeden Kandidaten – und zwar hinsichtlich dessen Person, Auftreten und fachlicher Qualifikation. Aufgrund des Kunden-Feedbacks und der Eindrücke der zurückliegenden zwei Tage entschied Kaltenbach sich für einen Bewerber: Ralph Guttenberger. Somit stand im april2012, nach sechs Monaten, der Sieger des Wettbewerbs fest.
Unternehmensübernahme in drei Phasen
- Einstiegsphase: Der Sieger des Nachfolgewettbewerbs zahlt einen Einstiegspreis und wird Teilhaber am Unternehmen.
- Einarbeitungsphase (Dauer: circa zwei Jahre): Der Alt-Chef arbeitet weiterhin mit. Die Entscheidungsbefugnisse gehen Schritt für Schritt an den Nachfolger über.
- Übernahmephase: Das Unternehmen geht ganz in den Besitz des Neu-Chefs über. Der bisherige Inhaber arbeitet, sofern vom Neuen gewünscht, noch als „Freelancer“ für das Unternehmen.
Der Gewinner
Doch Walter Kaltenbach (Bild links) gab dessen Namen noch nicht öffentlich bekannt. Denn Ralph Guttenberger (Bild rechts) war noch Geschäftsführer und Verkaufsleiter einer anderen Unternehmensgruppe, und er wollte zunächst deren Gesellschafter über die geplante berufliche Veränderung informieren und außerdem begonnene Projekte sauber zu Ende führen. Als Termin für den Eintritt ins Unternehmen wurde deshalb der 1jan2013 vereinbart. Seit Anfang 2013 ist Ralph Guttenberger denn auch Mitinhaber und zweiter Geschäftsführer von Kaltenbach Training.
„Der Wettbewerb war ein extrem spannender Prozess“, sagt Walter Kaltenbach rückblickend. Denn in dessen Verlauf wurde ihm erst klar, wie unterschiedlich die Persönlichkeiten und Triebfedern von potenziellen Nachfolgern sein können. Gerade deshalb war aus seiner Warte der Wettbewerb so wichtig, um „aus der Vielzahl qualifizierter Bewerber“ denjenigen herauszufiltern, von dem er mit 100-prozentiger Überzeugung sagen kann: „Das ist der richtige Mann für mein Unternehmen und seine Kunden.“