Das Führungsverhalten für kulturell gemischte Teams unterscheidet sich maßgeblich von klassischen Führungsstilen und muss gelernt sein. Interkulturelle Teams bringen zahlreiche Besonderheiten mit sich – von unterschiedlichen Vorstellungen in Hinblick auf Führungsstile, Kommunikation, Umgang mit Konflikten bis zur Bedeutung und Feststellung von Leistung. Allerdings bieten sich auch besondere Chancen, denn durch die vorhandene Vielfalt können komplexe Probleme besser gelöst und innovative Lösungen kreiert werden.
Die ARS-Referentin Mag. Dr. Christiane Erten-Buch (Lektorin für Interkulturelles & HR-Management an in- und ausländischen FHs und Universitäten) im Interview:
Interview
Was sind die wichtigsten Punkte, durch welche sich das Führungsverhalten in unterschiedlichen Kulturen unterscheidet?
Auf Basis empirischer Studien und praktischer Erfahrungen haben sich einige entscheidende Aktionsfelder herauskristallisiert:
- Ist man in einer eher individualistischen oder kollektivistischen Kultur tätig?
- Wie werden Autoritätsstrukturen akzeptiert (autoritäre vs. partnerschaftliche Entscheidungsfindung)?
- Wie sehen Kommunikationsprozesse aus (direkte vs. indirekte Kommunikation)?
- Welche Art von Problemlösung wird herangezogen (Konfrontation vs. Harmonie)?
- Welche Bedeutung hat der Faktor Zeit (werden Deadlines als verbindlich angesehen oder dienen sie nur als Orientierung)?
- Wie Äußern sich Gefühle (offen, gar nicht, …)?
Wie kann man sich die individuelle Verschiedenheit nutzbar machen? Welche Chancen können sich hier auftun?
Nach einem gewissen Stadium der Zusammenarbeit führt die Integration von Gruppenmitgliedern, die auf mehreren Ebenen verschieden sind, meist zu reicheren Perspektiven und Lösungsvorschlägen im Vergleich mit weniger diversen Gruppen. Dabei muss aber der Faktor Zeit im Hinblick auf die Entwicklung von Effektivität betont werden. Vertrauensaufbau und soziale Integration spielen hier eine große Rolle. Auch Feedback und Reflexivität über Gruppenprozesse und -leistungen sind wirkungsvoll für eine effektive Zusammenarbeit von Gruppen. Auch das ist ein Argument zur Förderung von Teamentwicklungsmaßnahmen, wodurch Potentiale vollständig realisiert werden können.
Die Forschungsergebnisse zur Verschiedenartigkeit und Heterogenität von Gruppen und ihrer Effektivität sind aber durchaus inkonsistent: Einige Autoren stellen bei größerer Verschiedenartigkeit (diversity) von Gruppenmitgliedern bessere Lösungsvorschläge und Arbeitsergebnisse durch reichere Perspektiven und Potentiale fest. Andere argumentieren, dass mangelnde Integration von Gruppenmitgliedern mit zunehmender Verschiedenartigkeit zu weniger guten Leistungsergebnissen führt. Demnach scheint es, dass Heterogenität unterschiedlich auf die Gruppeneffektivität einwirkt: Einerseits leistungsfördernd durch Vielfalt und Kreativität, andererseits leistungsmindernd durch eine geringere Gruppenkohäsion.
Praxistipp: Zeit nehmen für Teambuilding-Maßnahmen, dadurch Vertrauensaufbau und Integration stärken, Gruppenprozesse reflektieren, Leistung messen und Feedback geben. Und dann von der Verschiedenartigkeit und deren Potentialen profitieren.
Welche schwierigen Führungssituationen können sich in kulturell gemischten Teams ergeben?
Hier sind unzählige Konstellationen vorstellbar. Beispielsweise kann aber ein Zusammentreffen von individualistisch orientierten Personen mit Personen aus einem kollektivistisch orientierten Kulturkreis problematisch werden. Wenn jemand, der Gefühle offen zeigt und im Konfliktfall auf Konfrontation setzt, also eine offene Austragung als zielführend ansieht mit einer Person zusammentrifft, die sehr zurückhaltend agiert und maximal auf Erhaltung von Harmonie bedacht ist, wäre das sicherlich eine schwierige Führungssituation.
Interviewpartnerin: Mag. Dr. Christiane Erten-Buch, Geschäftsführerin eines mittelständischen Betriebes und Partnerin von AT Consult (Internationalisierungsberatungen); Lektorin für Interkulturelles und Human Resource Management an in- und ausländischen FHs wie Universitäten; einschlägige Fachpublikationen.
Tipp:
Seminar: Führen von interkulturellen Teams, 7mai2013 und 10dez2013, Wien, Veranstalter: ARS