Digitale Technologien sowie mutige neue Anbieter mit ihren frischen Ideen treiben den Markt mit atemberaubender Geschwindigkeit voran. Damit die etablierten Unternehmen nun nicht den Anschluss verlieren, müssen dort zuallererst die internen Sperren gelockert und die Bremsklötze weggeräumt werden. Am besten beginnt man mit dem Organigramm.
Betrachten wir zunächst ein übliches Organigramm: Der Chef thront ganz oben. Darunter – in Kästchen eingesperrt und säuberlich aufgereiht – seine brave Gefolgsmannschaft. Von Kunden keine Spur. Selbst die unmittelbaren Kundenloyalisierer, das ‚Fußvolk der einfachen Mitarbeiter‘, kommt in den wenigsten Fällen vor. Es soll ja sogar immer noch Obere geben, die glauben, an den Rändern ihrer Organisation gäbe es kein intelligentes Leben. Und genau das liest man aus antiquierten Organigrammen heraus.
Topdown-Organigramme sind ein reines Selbstverherrlichungsprogramm der Führungsspitze. Sie zementieren Hierarchiedenke, Starrheit und Konformität. Formal in Reih und Glied aufgestellte Mitarbeiter sind wie die Monokulturen in unseren Wäldern: ungesund und auf Dauer nicht überlebensfähig. Solche mehr oder weniger toten Ordnungssysteme haben im Sturm des neuen Internets nicht den Hauch einer Chance. Und so mancher Silberrücken unter den Managern, der sich intern immer noch gerne verehren lässt, stellt gerade erschüttert fest, dass er mit seinem Machtgehabe in der Draußen-Welt gar nicht mehr punkten kann. Denn der Chef als Übermensch ist ein Auslaufmodell.
Topdown ist aus dem letzten Jahrhundert
Bringen Sie deshalb Lebendigkeit in die Bude! Und Schwarmintelligenz in Ihr Organigramm! Lassen Sie Ihre Leute aus den Kästchen frei! Machen Sie aus eckig und kantig rund und bunt! Scharen Sie Ihre Leute um Kundengruppen und um Kundenprojekte. So bilden Sie moderne Netzwerke nach. In Netzwerken gibt es kein oben und unten, sondern nur Hubs.
Hubs, das sind Naben, wo – wie bei einem Rad – die Speichen zusammenlaufen. In Unternehmen mit überschaubaren Kundenstrukturen ist dann der Kunden selbst das Hub, um das sich die einzelnen Leistungsbereiche scharen. Auch eine Führungskraft kann sich als Hub verstehen, und wertschöpfend mit anderen Hubs im Unternehmen verbunden sein. Setzen Sie sich doch einfach mal mit ein paar Leuten hin, und malen Sie das: In rund und in bunt. Für manche Firmen ist so was wie ein Befreiungsschlag: Endlich beginnt alles zu fließen.
Und wissen Sie was: Netzwerkstrukturen gibt es in jedem Unternehmen bereits. Es sind die höchst lebendigen inoffiziellen Beziehungsnetze. Sie sind die wahren Machtstrukturen jeder Organisation. Dagegen ist ein Organigramm oft nichts als ein harmloser Bettvorleger.
Netzwerk-Organigramme sind heute gefragt
Erfolgreiche Konzerne wie Google oder auch Gore, der Hersteller von Gore-Tex, ähneln auch offiziell den Strukturen sozialer Netzwerke. In anderen Unternehmen umkreisen kleine Netzwerk-Satelliten die zentralen Einheiten des Mutterschiffs. Das sind Ausgründungen, die sich zum Beispiel um große Kundenprojekte oder um Durchbruch-Innovationen kümmern.
Eine zweite Variante: Stellen Sie Ihr Organigramm auf den Kopf! In diesem Fall ist die Geschäftsleitung unten. Sie ist die Basis und sorgt, gut verwurzelt, für Stabilität. Denn wer hoch hinaus will, braucht ein festes Fundament. Die Wurzeln vereinen sich zu einem festen Stamm. Dieser besteht aus den einzelnen Bereichen, die miteinander nach oben streben. Dort verzweigt es sich dann. Äste übernehmen Führung und Halt. Sie tragen die Mitarbeiter-Blätter, die aus Rohmaterial puren Sauerstoff machen. Aus einem fruchtbaren Boden genährt bilden sich schließlich die Früchte der gemeinsamen Arbeit heraus: gesunde Kundenbeziehungen. Und sie tragen den Samen für weitere Früchte in sich: Reputation, Mundpropaganda, Empfehlungen.
Eine schöne neue Wirklichkeit geht so an den Start. Und sie schafft eine perfekte Basis, um es in unserer neuen Netzwerkökonomie in die Zukunft zu schaffen.
Buchtipp zum Thema
Anne M. Schüller: Touchpoints. Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute. Managementstrategien für unsere neue Businesswelt. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Gunter Dueck. Gabal, 3. aktualisierte Auflage, 350 S., 29,90 Euro, 47.90 CHF. ISBN: 978-3-86936-330-1. Ausgezeichnet als Mittelstandsbuch des Jahres und mit dem Deutschen Trainerbuchpreis 2012