Veranstaltungs-Bericht
Kongress: Die Macht der guten Gefühle (Referentin: Prof. Barbara Fredrickson), 27-29juni2014, Solution Management Center
Machen Sie sich auf was gefasst. Auf ein Plädoyer für mehr Liebe am Arbeitsplatz. Heimliche Liebesbeziehungen? Sexuelle Handlungen im Kopierkammerl? Nein. Was könnte Love 2.0 sein? Prof. Barbara Fredrickson, die berühmte Forscherin zu positiven Gefühlen, teilte ihre Erkenntnisse mit rund 300 internationalen Teilnehmern bei einem Kongress zur Positiven Psychologie in Graz.
Wenn die sympathische und weltweit anerkannte Psychologin Barbara Fredrickson auf ihrem Weg zur Universität von North Carolina (USA) ist, dann verbreitet sie bereits eine Botschaft. Denn ihr Autokennzeichen lautet „Be open“. Und nicht etwa „Be positive“, denn das kann schnell krampfhaft werden. „Pursuing positivity is a delicate art (sinngemäß: Positivität zu verfolgen ist eine heikle Kunst)“ schlussfolgert sie bei dem Kongress in Graz, der u.a. von der „Akademie für Kind, Jugend & Familie“ (Graz) und dem „Solution Management Center“ (Wien) veranstaltet wurde.
Die rund 300 Teilnehmer aus Österreich, Schweiz, Deutschland und Japan geben Barbara Fredrickson am Ende Standing Ovations für ihre wunderbar entspannt-herzliche und sehr kompetente Art und Weise, ihre Forschungsarbeiten und Erkenntnisse zu teilen. Und wenn Sie Lust haben, dann begleiten Sie mich beim Abenteuer, wie man zweieinhalb Tage mit relativ wenigen Worten praxisnah zusammenfasst …
Bild: Barbara Fredrickson (Referentin) & Sabine Piotrowski (HRweb-Autorin)
„Broaden & Build“ – Wie positive Gefühle aufmachen und aufbauen
Nun, mittlerweile sind wir ja als Gesellschaft (hoffentlich) so weit, dass wir anerkennen, dass es den rein verstandesgesteuerten Menschen nicht gibt, sondern dass Gefühle bei allen Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen. Während die negativen Gefühle, wie Angst oder Wut in schwierigen Lebenssituationen Kraftreserven mobilisieren, damit wir uns wehren oder flüchten können, so verengen sie gleichzeitig auch den Blickwinkel auf die „gefährliche“ Situation.
Wenn wir positive Gefühle, wie Freude, Hoffnung, Liebe erleben, dann bewirken die ausgeschütteten Botenstoffe im Gehirn hingegen eine Öffnung unserer Wahrnehmung (= BROADEN). Wir können mehr von dem, was gerade da ist erkennen und verarbeiten. Unsere geistige Flexibilität und Kreativität steigt unmittelbar an und wir sehen die Umwelt vermehrt durch eine soziale Brille („wir“ statt „ich“); können uns auch besser in andere hineinversetzen. Langfristig bewirken häufige positive Gefühle dadurch einen Aufbau unserer Fähigkeiten und Ressourcen in jeder Hinsicht: körperlich, sozial, intellektuell und psychisch (= BUILD). Das Empfinden der guten Gefühle motiviert uns zu Verhaltensweisen, die zu einem langfristigen, individuellen und gemeinsamen Überleben als Gruppe führen.
Love 2.0 – Ein anderer Blick auf die Liebe
Aber wie ist das nun mit der Liebe? Und was hat sie am Arbeitsplatz zu suchen? Kulturell geprägt assoziieren wir in der westlichen Welt Liebe vor allem als eine langanhaltende, exklusive Zweierbeziehung mit gegenseitiger Verbindlichkeit und Unterstützung in vielfacher Hinsicht. Inspiriert von ihrer Emotionsforschung entwickelte Barbara Fredrickson eine neue Sicht auf die Liebe. Das was wir kulturell mit Liebe bezeichnen sieht sie als ein mögliches, langfristiges Resultat ihrer Love Version 2.0. Also lüften wir den Vorhang und schauen wir auf Liebe als eine Emotion. Und eine der Grundeigenschaften von Emotionen ist ja deren Kurzlebigkeit. Sie schwellen an wie eine Welle und klingen wieder ab.
Barbara Fredrickson definiert Liebe als eine zwischenmenschliche Erfahrung, die geprägt ist durch einen kurzzeitigen Anstieg in…
- geteilten, positiven Emotionen (also beide/alle empfinden zugleich positive Gefühle),
- einer biobehavioralen Synchronizität (eine Angleichung der Körperbewegungen wie Gesten oder Mimik, das Gefühl von Einheit bzw. auf einer Wellenlänge zu sein, dass sich körperlich und im Handeln ausdrückt; denken Sie z.B. an die Bewegung eines Fischschwarms)
- und der gegenseitigen Achtsamkeit (die Bedürfnisse des anderen sehen und berücksichtigen wollen).
Also z.B. eine beflügelnde Begegnung mit einem Kollegen, wo aus gemeinsamen Lachen eine bessere gegenseitige Unterstützung durch eine neue Idee entsteht. Oder ein Teamerlebnis, wo alle in Freude einen gemeinsamen Erfolg feiern und sich stark und verbunden fühlen. Diese Definition öffnet für viele „Herzbegegnungen“ mit vielen Menschen, die Verbindung und ein gemeinsames Verhalten hervorbringt. Die Möglichkeiten sind unendlich … von der echten Begegnung mit einem Kunden, Kollegen, Menschen auf der Straße … bis hin zur Verliebtheit und zu Nähe in der Familie. Die Voraussetzung ist, dass man sich sicher fühlt und eine Verbindung herstellt – am effektivsten über Blickkontakt und einem Lächeln.
Ihre Speisekarte mit 10 positiven Gefühlen. Dürfen es auch negative sein, als Beilage vielleicht?
Welche positiven Gefühle könnten das nun sein, die man in einem „Liebesmoment“ auch am Arbeitsplatz teilt? Die Speisekarte umfasst zehn Möglichkeiten: Freude, Dankbarkeit, Gelassenheit, Interesse, Hoffnung, Stolz, Vergnügen, Inspiration, Ergriffenheit und eben Liebe – als Mischung von mehreren der positiven Zutaten.
Positive Gefühle sind im Gegensatz zu negativen häufiger, aber auch oft weniger offensichtlich, sie vermischen sich auch leichter. Negative Gefühle werden häufig als intensiver wahrgenommen und sie führen öfter zu psychischen Erkrankungen (z.B. Depression, Angststörung). In ausgefeilten Experimentsanordungen konnte Barbara Fredrickson nachweisen, dass positive Gefühle auch starke gesundheitliche Effekte haben: Das Herzkreislaufsystem (Messung des Vagusnervs) verbessert sich, wenn man häufig positive Gefühle und emotionale Verbundenheit mit anderen erlebt. Und es verbessert auch die Antikörperproduktion und die antivirale Abwehr, die Entzündungsreaktionen verringern sich (Analyse der RNA/Genexpression).
Mit dem Segelboot zum Software-Update
Positive Gefühle sind wie der Mast und das Segel am Segelboot, die den Wind einfangen und uns weiterbringen und das Gleiten über die Wellen macht auch Spaß! Es segelt aber nicht der Mast & das Segel alleine, sondern nur gemeinsam mit dem Kiel. Und dieser ist ein Sinnbild für die negativen Emotionen im Leben, die es eben auch braucht als Anstoß für Entwicklung und Überleben.
Das Größenverhältnis zwischen den beiden Elementen ist dabei gleich sinnbildlich zu nehmen. Die Forschung zeigt, dass Menschen, die emotional gerade mal so klarkommen im Leben (languishing) ein Emotionsverhältnis von 2:1 haben, während Menschen, die aufblühen (flourishing) mindestens drei Mal so häufig positive Gefühle erleben wie negative (> 3:1).
Schlussworte
Wenn Sie jetzt am Ende für sich schlussfolgern, dass das Erleben von positiven Gefühlen und emotionaler Verbundenheit bzw. Liebe nicht nur per se sehr angenehm ist sondern auch zu erweiterten Fähigkeiten und Ressourcen sowie zu besserer Gesundheit führt, dann würde Barbara Fredrickson Ihnen sicher recht geben und sie würde ergänzen, dass sie den Menschen die Möglichkeit und den Anstoß geben, sich zu der bestmöglichen Version von sich selbst zu entwickeln. Lassen Sie uns die Abenteuerreise durch den Kongress mit diesem wunderbaren Bild abschließen. Schön, dass Sie mitgekommen sind. Ich wünsche Ihnen einen Sommer mit viel Freude & Liebe und viel guten Wind auf Ihren Segeln!
Literaturtipps
- B. L. Fredrickson (2011) „Die Macht der guten Gefühle. Wie eine positive Haltung ihr Leben dauerhaft verändert“, Campus Verlag
- B. L. Fredrickson (2014) „Die Macht der Liebe. Ein neuer Blick auf das größte Gefühl“, Campus Verlag