Wie können wir unsere Organisation fit für eine Welt machen, in der sich die Rahmenbedingungen unseres Handelns immer schneller wandeln?
Gast-Autorin: Viola Ploski
Heute These 1-6, die ⇒ Thesen 7-12 lesen Sie hier!
INHALT
- These 1: Die HR-Bereiche müssen sich (zum Teil) neu erfinden.
- These 2: Die HR-Bereiche müssen flexibler werden.
- These 3: Die HR-Bereiche müssen echte Dienstleister sein.
- These 4: Die HR-Bereiche brauchen mehr IT-Know-how.
- These 5: Die HR-Bereiche müssen sich vom Provider zum Enabler entwickeln.
- These 6: Die HR muss sich verstärkt an den Ort des Geschehens begeben.
Im Rahmen dieses Transformationsprozesses müssen sich auch ihre HR-Bereiche zum Teil neu definieren.
In den zurückliegenden zwei, drei Jahren haben viele Unternehmen – unter anderem im Gefolge der Corona-Pandemie, des Ukraine-Krieges und des sich vollziehenden Klimawandels – existenziell erfahren „Wir leben in einer VUKA-Welt“. Die HR-Abteilung kann substanziell dazu beitragen, die Organisation fit machen, für eine Welt, in der sich die Rahmenbedingungen immer schneller wandeln und eine langfristige Planung zunehmend schwierig wird.
Im Rahmen dieses Transformationsprozesses müssen auch die HR-Bereiche ihre Funktion in der Organisation neu definieren – auch weil
- heute zumindest die Kernleistungen der meisten Unternehmen in einer funktions-, bereichs- und teilweise sogar unternehmensübergreifenden Team- und Projektarbeit erbracht werden,
- die Digitalisierung durch Corona nochmals einen enormen Schub erfahren hat und
- inzwischen in vielen Unternehmen die meisten Mitarbeiter Digital Natives sind, die teils andere Erwartungen an ihre Arbeit und ihren Arbeitgeber als die „Baby-Boomer“ haben.
12 Thesen vor welchen Herausforderungen die HR-Bereiche der Unternehmen stehen.
These 1: Die HR-Bereiche müssen sich (zum Teil) neu erfinden.
In den zurückliegenden Jahren haben viele Unternehmen existenziell erfahren „Wir leben in einer VUKA-Welt“. Deshalb stehen aktuell in nicht wenigen von ihnen außer den bisherigen Handlungsstrategien und Organisationskonzepten auch die Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand. Das heißt, viele Unternehmen werden in naher Zukunft ganz andere als heute sein. Im Rahmen dieses Transformationsprozesses müssen auch die HR-Bereiche ihre Funktion in der Organisation neu definieren und sich zum Teil neu erfinden, damit sie noch ihren Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele leisten können.
These 2: Die HR-Bereiche müssen flexibler werden.
„Das sind wir doch“, denkt vermutlich manch Personalerin und Personaler. Das stimmt leider oft nicht! Das fängt bei der Personalrekrutierung an. Wenn gute Fach- und Führungskräfte wirklich rar sind, dann sollte sich die Rekruterin, wenn sie einen heißen Kandidaten an der Angel hat, der schon einen anspruchsvollen Job und vollen Terminkalender hat, beispielsweise am Wochenende auch mal ins Auto setzen und sich mit ihm an dessen Wohnort oder auf halber Strecke treffen. Das geschieht in der Praxis nicht.
Dann dürfen Personalauswahlprozesse bei Hochschulabsolventen schlicht nicht mehrere Monate dauern, denn dann haben die meisten von ihnen schon einen Job. Und wenn sich die Dauer nicht verkürzen lässt? Dann sollten die Unternehmen über ein sogenanntes „Preboarding“ der heißen Kandidaten nachdenken.
Und die Personalerinnen? Sie sollten ab und zu zum Telefonhörer greifen, mit ihnen einen Small Talk führen und sie persönlich über den Stand der Dinge informieren und ihnen so signalisieren „Sie sind wirklich ein heißer Kandidat und sind uns auch als Mensch wichtig“.
Ähnlich verhält es sich im Bereich Personalentwicklung. Auch hier müssen die Personaler noch viel stärker ihren „Elfenbeinturm“ verlassen. Sie müssen auf ihre „Kundinnen“ zugehen, mit ihnen sprechen und zeitnah auf deren Bedürfnisse reagieren.
These 3: Die HR-Bereiche müssen echte Dienstleister sein.
Woran macht eine Kundin fest, ob ein Anbieter ein Dienstleister ist oder nicht? An den Aussagen auf der Webseite oder in den Broschüren? Nein! An dem konkreten Verhalten im Kontakt. Meldet er sich zum Beispiel eigeninitiativ oder reagiert er nur auf Anfragen? Besucht sie ab und zu ihre Kunden oder ist es ihr zu zeitaufwändig? Macht er sich die Bedürfnisse des Kunden zu eigen und sucht auch eigenständig nach passenden Lösungen? Erweist sie sich bei akuten Problemen als echte Hilfe in der Not? Auch diesbezüglich besteht in vielen HR-Bereichen noch Optimierungspotenzial; das heißt, sie haben das Dienstleister-sein noch nicht verinnerlicht. Denn aus Sicht ihrer Kundinnen ist nicht ihr Mindset, sondern ihr Verhalten entscheidend; ihr Verhalten setzt jedoch einen gewissen Mindset voraus.
These 4: Die HR-Bereiche brauchen mehr IT-Know-how.
Aktuell werden die HR-Bereiche in nicht wenigen Unternehmen von deren IT-Bereichen und den Fachbereichen, in denen das Thema Digitalisierung eine große Rolle spielt, nicht ernst genommen, denn: Aufgrund ihres geringen IT-Know-hows fehlt ihnen oft sogar die erforderliche Bewertungskompetenz, was im Digitalisierungsbereich möglich, realisierbar und sinnvoll ist.
Wenn in den Unternehmen jedoch fast alle Prozesse digital ablaufen und die Digitalisierung ein zentraler Veränderungstreiber ist, dann ist ein fundiertes IT-Know-how im HR-Bereich unverzichtbar. Diese Kompetenz gilt es auf- und auszubauen. Zum Beispiel, indem im Personalbereich auch Personen mit einem großen, auch technischen IT-Know-how und -Verständnis arbeiten. Oder indem die IT- und HR-Bereiche stärker kooperieren oder sogar teilweise verschmelzen.
These 5: Die HR-Bereiche müssen sich vom Provider zum Enabler entwickeln.
In vielen Großunternehmen ist das Weiterbildungs- und Personalentwicklungsangebot heute schon gigantisch. Es reicht von einem umfangreichen Seminar- und Trainingsangebot, über individuelle Unterstützungsangebote wie Coachings bis hin zu digitalen Selbstlernprogrammen. Für jedes mögliche Wehwehchen gibt es sozusagen ein Medikament – ähnlich wie in vielen, über die Jahre gewachsenen Hausapotheken. Dieses Angebot durch Online-Angebote noch weiter aufzublähen, kann nicht das Ziel sein. Vielmehr sollten die zentralen Fragen bei der Produktentwicklung lauten:
- Was braucht das Unternehmen, um seine Ziele zu erreichen, und was brauchen die Bereiche und ihre Mitarbeiter, um ihren Beitrag hierzu zu leisten?
- Wie können diese Bedarfe am effektivsten befriedigt werden? Und:
- Wie sorgen wir dafür, dass die Mitarbeiter die für sie relevanten Inhalte schnell finden und deren Relevanz erkennen?
Und das vorhandene Angebot? Dieses kann durchaus auch mal ausgemistet werden – wie die Hausapotheke.
These 6: Die HR muss sich verstärkt an den Ort des Geschehens begeben.
Von Ferdinand Piech existiert die Erzählung, er habe, nachdem er Vorstandsvorsitzender der Volkwagen AG geworden war, einen Blaumann angezogen und einige Tag in der Produktion mitgearbeitet, um live zu erfahren: Wo drückt der Schuh? Ähnlich müssen die HR-Bereiche agieren, wenn sie erfahren möchten,
- wo klemmt es im Unternehmen,
- welche Change-/Entwicklungsbedarfe existieren und
- wie können diese unter den gegebenen Bedingungen am effektivsten befriedigt werden.
Dann genügt es nicht, den Bedarf mittels eines Fragebogens zu erkunden. Die HR-ler müssen vielmehr aktiv den Dialog mit den Betroffenen suchen und zumindest teilweise in deren Lebens- und Erfahrungswelt eintauchen. Denn zum Beispiel die Bereiche Forschung & Entwicklung, Produktion und Vertrieb haben nicht nur unterschiedliche Aufgaben, die in ihnen tätigen Menschen „ticken“ teils auch verschieden. Also müssen auch die für sie entwickelten Problemlösungen teils andere sein, selbst wenn sie unter demselben Label wie zum Beispiel „Führung“ oder „Selbstmanagement“ laufen.
Gast-Autorin
Viola Ploski arbeitet als Senior Consulter für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de). Sie ist auf die Themenfelder Learning Transformation, Future Work Skills und Transformations-Management spezialisiert.