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Arbeitsverträge mit Auslandsbezug | Arbeitsrechtliche Spitzfindigkeiten

26Mrz2015
5 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Anwendbares Recht, Sprache und andere spannende Fragen & zahlreiche arbeitsrechtliche Spitzfindigkeiten bei Arbeitsverträgen mit Auslandsbezug.

Hinweis: Dieser Beitrag beschäftigt sich mit „lokalen“ Verträgen, nicht mit vorübergehenden Auslandsentsendungen (siehe dazu HRweb-Artikel „Auslandsentsendung nach Weitfortistan – arbeitsrechtliche Aspekte„), für die wieder andere Spielregeln gelten.

Eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH 8 ObA 34/14d) hat wieder deutlich gemacht, wie wichtig das Thema Rechtswahl bei Arbeitsverträgen mit Auslandsbezug ist. Im Arbeitsleben ist ein stetiger Trend zur Internationalisierung zu bemerken. Das Grundmodell „österreichischer Arbeitgeber mit Sitz in Österreich + österreichischer Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Österreich + Arbeitsort in Österreich“ ist oft durchbrochen. Ist einer oder mehrerer dieser „Faktoren“ außerhalb Österreichs, spricht man von einem „Auslandsbezug“.

Die Nichtbeachtung der zahlreichen rechtlichen Besonderheiten bei Verträgen mit Auslandsbezug kann für alle Beteiligten gravierende Folgen haben. Neben arbeitsrechtlichen Aspekte, von denen in diesem Beitrag einige wichtige geschildert werden sollen, sind auch zahlreiche steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten zu beachten, sobald das Arbeitsverhältnis eine Auslandsdimension erhält.

INHALT

Die Frage nach dem anwendbaren Recht

Weist ein Arbeitsverhältnis einen Auslandsbezug auf, stellt sich unter anderem die Frage, welches nationale Arbeitsrecht anwendbar ist. Ein Beispiel: Ein österreichisches Unternehmen beschäftigt in Deutschland zwei Vertriebsmitarbeiter, die italienische Staatsbürger sind und in den Niederlanden wohnen. Der Arbeitsvertrag enthält keine (gültige) Rechtswahlvereinbarung. Ist auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis österreichisches, deutsches, italienisches oder niederländisches Arbeitsrecht anwendbar?

Zur Klärung ist auf verschiedene Faktoren Bedacht zu nehmen – unter anderem darauf, wann der Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde: Wurde der Arbeitsvertrag vor 30.11.1998 abgeschlossen, gilt § 44 Internationales Privatrecht (IPRG). Wurde der Arbeitsvertrag zwischen 30.11.1998 und 17.12.2009 abgeschlossen, ist das Europäische Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) anwendbar. Für nach 17.12.2009 abgeschlossene Arbeitsverhältnisse gilt die Rom I-Verordnung Nr. 593/2008 (Rom I-VO).

Im Einzelnen sind die Bestimmungen in diesen Regelwerken kompliziert. In der Regel wird jedoch das Recht jenes Staates für anwendbar erklärt, an dem bzw. von dem aus der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet. Wo der Arbeitnehmer seine Arbeit „gewöhnlich verrichtet“, also wo der inhaltliche, örtliche und zeitliche Schwerpunkt der Arbeitsleistung tatsächlich liegt, muss aus den Umständen des Einzelfalls ermittelt werden.

Kann der gewöhnliche Arbeitsort nicht festgestellt werden, kommt – wiederum vereinfacht gesagt – das Recht zur Anwendung, in dem sich die Niederlassung des Arbeitgebers befindet. Wenn sich jedoch aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist, kann das Recht dieses anderen Staates anzuwenden sein (zB griechischer Arbeitnehmer soll für ein griechisches Unternehmen in Österreich arbeiten, wobei die österreichische Niederlassung von Griechenland aus betrieben wird).

Im Ausgangsbeispiel wäre also mangels Rechtswahl oder besonderer Anknüpfungspunkte deutsches Arbeitsrecht anwendbar.

Die Qual der Wahl – Rechtswahl im Arbeitsrecht

Entgegen der teilweise verbreiteten Meinung, im Bereich des Arbeitsrechts sei eine Rechtswahl unzulässig, ist sowohl nach EVÜ als auch nach Rom I-VO eine Rechtswahl zulässig – wenn auch eingeschränkt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, die auf den Arbeitsvertrag anzuwendende nationale Rechtsordnung frei zu wählen. Allerdings steht die Rechtswahl im Arbeitsrecht unter einem sogenannten Günstigkeitsvorbehalt:

Eine Rechtswahl ist nur insofern wirksam, als dem Arbeitnehmer dadurch nicht der zwingende Mindestschutz entzogen wird, den er nach dem sonst anwendbaren Recht hääte. Eine Rechtswahl darf nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der für ihn mangels Rechtswahl zwingend gelten würde. Anders gesagt: Wird eine Rechtswahl getroffen, ist diese insoweit unbeachtlich, als damit gegen zwingende Bestimmungen der mangels Rechtswahl anwendbaren Rechtsordnung zum Nachteil des Arbeitnehmers verstoßen wird.

Dieser Günstigkeitsvergleich ist nicht pauschal für den ganzen Arbeitsvertrag und auch nicht nach der Rosinentheorie je Satz, sondern jeweils für „Regelungsgruppen“ vorzunehmen (zB Thema Urlaub, Kündigung oder Arbeitszeit).

Über die Frage, ob eine nationale Bestimmung zwingend ist und ob diese auch günstiger ist als die nach der gewählten Rechtsordnung, lässt sich oft und ausführlich streiten.

Eine weitere Grenze findet die freie Rechtswahl durch sogenannte Eingriffsnormen. Zu den Eingriffsnormen zählen z.B. Arbeitnehmerschutzvorschriften, Arbeitszeitregelungen, Entgeltfortzahlungsregelungen sowie der Jugend-, Mutter- und Behindertenschutz.

Es ist auch möglich – und unter Umständen sinnvoll –, eine Rechtswahl nur für bestimmte Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu treffen. Die Auswahl des anwendbaren Rechts sollte überlegt und nach Erkundigungen über die zur Auswahl stehenden Rechtsordnungen erfolgen. Das Arbeitsrecht ist lokal sehr unterschiedlich geregelt und nur in wenigen Teilbereichen europaweit vereinheitlicht.

Vorsicht vor ungewünschter schlüssiger Rechtswahl

Die eingangs erwähnte Entscheidung des OGH beschäftigt sich mit einem simpel erscheinenden Sachverhalt, der in der Praxis nicht selten ist:

Ein Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland beschäftigte in Österreich sechs Mitarbeiter im Außendienst. Der deutsche Arbeitgeber hatte in Österreich kein Büro und kein Lager. Die österreichischen Mitarbeiter waren als Vertriebsrepräsentanten in Österreich unterwegs und benützten ihre private Wohnung als Home Office.

Als der Arbeitgeber einen österreichischen Mitarbeiter kündigte, brachte dieser gegen seine Kündigung vor dem zuständigen Gericht in Österreich Klage ein. Er vertrat die Ansicht, dass die Bestimmungen des deutschen Kündigungsschutzgesetzes nicht eingehalten worden seien. Im Arbeitsvertrag wurde keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen. Der gekündigte Arbeitnehmer war jedoch der Ansicht, dass schlüssig (Juristendeutsch: konkludent) die Geltung von deutschem Arbeitsrecht vereinbart worden sei.

Der Arbeitsvertrag enthielt zahlreiche, im deutschen Arbeitsrecht übliche, Begriffe (zB „Gratifikation“, „Überarbeit“, „Altersruhegeld“) und für deutsche Arbeitsverträge typische Klauseln. Der Arbeitsvertrag verwies auch auf einen deutschen Tarifvertrag (und nicht auf einen österreichischen Kollektivvertrag). Hinzu kam, dass in der Kündigung deutsches Arbeitsrecht erwähnt wurde. Der OGH entschied im Sinne einer Gesamtbetrachtung, dass eine schlüssige Rechtswahl zugunsten deutschen Arbeitsrechts getroffen wurde. Da das deutsche Kündigungsschutzgesetz hinsichtlich der in diesem Fall relevanten Aspekte für den Arbeitnehmer günstiger als das österreichische ist, sei deutsches Recht anwendbar.

Daher: Je nach Fallkonstellation müssen (oder dürfen) Arbeitgeber bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug damit rechnen, dass der allgemeine Bestandschutz aus dem Sitzstaat „importiert“ werden kann, sofern dieser für Arbeitnehmer günstiger ist. Eine ungewollte Rechtswahl kann unangenehme Folgen haben und sollte daher vermieden werden (falls nicht bestimmte taktische Überlegungen dahinter stehen).

„Wie ist jede – aber auch jede – Sprache schön, wenn in ihr nicht nur geschwätzt, sondern gesagt wird“ (Christian Morgenstern)

An Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug sind meist Menschen beteiligt, die unterschiedliche Muttersprachen haben. In welcher Sprache soll daher in Arbeitsvertrag geschrieben sein?

Jedenfalls muss der Arbeitsvertrag in einer Sprache verfasst sein, die der Arbeitnehmer versteht. Weiters ist zu bedenken, dass vor den nationalen Gerichten und Behörden in der Regel nur die Landessprache/Amtssprache gilt. Daher empfiehlt sich oft ein bilingualer Vertrag (z.B. Muttersprache des Arbeitnehmers & Sprache am Arbeitsort). Bei zweisprachigen Verträgen muss klar geregelt sein, welche Version im Fall von Widersprüchen den Vorrang hat.

Fazit aus Arbeitsrecht-Sicht

Bei der Gestaltung und Umsetzung von Arbeitsverträgen, die – in welcher Art und Weise auch immer – einen Auslandsbezug aufweisen, ist die Überprüfung und Beachtung rechtlicher Besonderheiten wichtig. Eine Rechtswahl sollte wenn, dann ausdrücklich und rechtlich richtig getroffen werden. Sie sollte immer den Bedürfnissen der Vertragsparteien angepasst sein.

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