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Arbeitsrecht | Pflegekarenz, Pflegeteilzeit, Pflegefreistellung (Österreich) – Neuerungen ab 2020

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Ein Überblick und konkrete Tipps bzgl. Neuerungen ab 2020 hinsichtlich Pflegeteilzeit, Pflegekarenz und Pflegefreistellung Österreich. Wir sehen uns die rechtlichen Rahmenbedingungen genauer an:

Autorin: Mag. Karoline Prohaska (KWR)

Wenn nahe Angehörige intensive Pflege benötigen und keine externe Pflege in Anspruch genommen wird, bietet das aktuelle österreichische Arbeitsrecht Arbeitnehmern neben dem Anspruch auf Pflegefreistellung und Hospizkarenz die Möglichkeit, mit dem Arbeitgeber eine Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit zu vereinbaren.

Anspruch auf Pflegefreistellung Österreich

Arbeitnehmer haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Pflegefreistellung. Hierbei geht es um die Pflege von nahen Angehörigen. Diese müssen im gemeinsamen Haushalt mit dem Arbeitnehmer leben (bei den eigenen Kindern ist der gemeinsame Haushalt nicht Voraussetzung). Und sie müssen so erkrankt sein, dass die selbständige Pflege nicht möglich ist.

Als „nahe Angehörige“ gelten Ehegatten, der eingetragene Partner, Lebensgefährten, Eltern, Großeltern (etc.), Kinder, Enkelkinder (etc.), ferner Wahl- und Pflegekinder und im gemeinsamen Haushalt lebende leibliche Kinder des anderen Ehegatten oder des eingetragenen Partners oder Lebensgefährten.

Für Kinder unter 10 Jahren gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, diese ins Spital zu begleiten und auch dort während des Aufenthalts zu betreuen.

Außerdem kann man eine Freistellung in Anspruch nehmen, wenn die normalerweise ständige Betreuungsperson von Kindern ausfällt. Der Ausfall kann sich jedoch nur auf im Gesetz genannte Gründe stützen. Das sind Tod, Aufenthalt in einer Heil- und Pflegeanstalt, Verbüßung einer Freiheitsstrafe sowie bei einer anderweitigen auf behördlicher Anordnung beruhenden Anhaltung, schwerer Erkrankung, Wegfall des gemeinsamen Haushaltes des anderen Elternteils, Adoptiv- oder Pflegeelternteils mit dem Kind oder der Betreuung des Kindes.

Die Dauer des Anspruchs auf Pflegefreistellung ist mit einer Arbeitswoche pro Jahr bzw. bei Kindern unter 12 Jahren mit einer weiteren Woche bei erneuter Erkrankung beschränkt. Ist dieser Anspruch aufgebraucht, besteht überdies das Recht, einseitig Urlaub anzutreten, sofern noch offener Urlaub besteht. Falls kein Urlaubsanspruch besteht, kann im Fernbleiben zum Zweck der Pflege eines nahen Angehörigen im Einzelfall ein gerechtfertigter Arbeitsverhinderungsgrund im Sinne des § 8 Angestelltengesetz gesehen werden.

Während der Pflegefreistellung behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts.

Tipp für Arbeitgeber: Auch, wenn es aus menschlichen Gründen oft schwerfällt, den richtigen Zeitpunkt zu finden: Fordern Sie vom Arbeitnehmer Nachweise über das Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen!

Pflegekarenz und Pflegeteilzeit – derzeit Vereinbarungssache

Bereits seit 1jan2014 besteht die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer mit ihrem Arbeitgeber Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit vereinbaren können. In dieser Zeit haben Arbeitnehmer keinen Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Unter gewissen Voraussetzungen erhält der Arbeitnehmer jedoch eine staatliche Unterstützung in Form von Pflegekarenzgeld. Hierfür sind folgende Rahmenbedingungen einzuhalten:

  • Es geht um die Pflege und/oder Betreuung von nahen Angehörigen mit Pflegegeldbezug ab der Stufe 3. Oder von demenziell erkrankten oder minderjährigen nahen Angehörigen mit Pflegegeldbezug der Stufe 1.
  • Eine Erklärung der überwiegenden Pflege und Betreuung für die Dauer der Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit liegt vor.
  • Es liegt eine schriftliche Vereinbarung der Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit mit dem Arbeitgeber bei ununterbrochenem Arbeitsverhältnis von zumindest 3 Monaten unmittelbar vor Inanspruchnahme der Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit vor.
  • Im Fall von Pflegeteilzeit darf die wöchentliche Normalarbeitszeit 10 Stunden nicht unterschreiten.

Als „nahe Angehörige“ im Zusammenhang mit Pflegekarenz und Pflegezeit gelten: (verheiratete und eingetragene, sowie Lebens-) PartnerInnen und deren Kinder, eigene Kinder, Enkelkinder, Stiefkinder, Adoptiv-, -Wahl- und Pflegekinder, Eltern, Großeltern, Adoptiv- und Pflegeeltern, sowie (im Gegensatz zur Pflegefreistellung auch:) Geschwister, Schwiegereltern und Schwiegerkinder.

Hinweis: Ein gemeinsamer Haushalt ist hier grundsätzlich anders als bei der Pflegefreistellung nicht erforderlich. Jedoch können für die selbe pflegebedürftige Person nicht zwei Arbeitnehmer gleichzeitig Pflegekarenz oder eine Pflegekarenz und der andere Arbeitnehmer gleichzeitig eine Pflegeteilzeit beanspruchen.

Achtung: Ein Arbeitnehmer darf nicht wegen einer beabsichtigten oder tatsächlich in Anspruch genommenen Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit gekündigt werden. Es besteht daher sogenannter Motivkündigungsschutz. Für die Kündigung muss daher ein anderer, zulässiger Grund ausschlaggebend gewesen sein und vom Arbeitgeber auch nachgewiesen werden können!

Pflegekarenz Österreich und Pflegeteilzeit – Neuerungen ab 1jan2020

Ab 1jan2020 tritt eine wichtige Neuerung in Kraft: Unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen besteht ein einseitiger Anspruch des Arbeitnehmers auf Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit. Diese sind somit ab dem Jahreswechsel – unter gewissen Voraussetzungen und innerhalb gewisser Grenzen – nun nicht mehr Vereinbarungssache. Sie stellen einen arbeitsrechtlichen Anspruch dar.

Ein Anspruch auf Inanspruchnahme von Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit besteht ab 1jan2020 im Ausmaß von maximal vier Wochen, wenn:

  • im Zeitpunkt des Antritts im Betrieb mehr als 5 Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt sind (kein Anspruch in Kleinstbetrieben),
  • der beabsichtigte Antritt der Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit vom Arbeitnehmer so früh wie möglich vorab mitgeteilt wird (keine absolute Frist),
  • auf Verlangen des Arbeitgebers binnen einer Woche die Pflegebedürftigkeit bescheinigt und das Angehörigenverhältnis glaubhaft gemacht wird und
  • auch die bisherigen Voraussetzungen für die Vereinbarung einer Pflegekarenz bzw. -teilzeit erfüllt sind.

Ein Anspruch besteht zunächst im Ausmaß von zwei Wochen. Sofern während dieser Zeit keine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über eine weitergehende Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit getroffen wird, besteht ein durchsetzbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf weitere zwei Wochen.

Für eine über vier Wochen hinausgehende Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit gibt es auch nach der neuen Rechtslage keinen durchsetzbaren Anspruch des Arbeitnehmers. Eine solche kann man aber nach den bisherigen Rahmenbedingungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren. Die auf Grund des Rechtsanspruchs verbrauchten Zeiten sind auf die gesetzlich mögliche Dauer der vereinbarten Pflegekarenz anzurechnen. Es entsteht also kein zusätzlicher Anspruch.

Auch nach der neuen Rechtslage besteht Motivkündigungsschutz.

Tipp für die Praxis: Sofern ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit stellt, suchen Sie eine gute Gesprächsbasis. Zeigen Sie Mitgefühl, ohne aber auf die Prüfung der Voraussetzungen und das Verlangen der Nachweise zu verzichten.


Gastautorin

Mag. Karoline Prohaska ist Rechtsanwaltsanwärterin im Arbeitsrechtsteam bei KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH. Sie war zuvor in der Bürgerberatung im Bundesministerium für Familien und Jugend tätig und ist auf Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts spezialisiert.
www.KWR.at

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