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Arbeitsrecht | Finanzpolizei & LSD-BG – Compliance Österreich Teil 3

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Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (kurz „LSD-BG“) kommt mit 1jan2017. Arbeitgeber, besonders jene in der Baubranche und verwandten Branchen, sollten sich – sofern sie das nicht bereits getan haben – durch ein durchdachtes, funktionierendes und laufend aktualisiertes Compliance-System so gut wie möglich gegen drohende Strafen absichern.

Die bereits scharfen und umfassenden Kontrollen von Betrieben durch die Finanzpolizei werden nicht abnehmen. Besonders betroffen von Kontrollen durch die Finanzpolizei und Verwaltungsstrafverfahren wegen Verstoß gegen Lohn- und Sozialdumping ist die Baubranche. Es trifft aber auch andere Branchen. Bewusstseinsschaffung, Vorbereitung, Compliance und Training für den Ernstfall einer Kontrolle sind wichtige Maßnahmen.

Lohn- und Sozialdumping – kann mich nicht treffen….

Manche Arbeitgeber unterliegen dem Irrtum, dass die Vorschriften gegen Lohn- und Sozialdumping nur in der Baubranche relevant sind. Dem ist nicht so. Weder die bestehenden Regelungen im AVRAG, ASVG und anderen Gesetzen noch die mit 1.1.2017 kommenden Regelungen des LSD-BG sind auf Arbeitgeber in der Baubranche beschränkt. Die Kontrollen durch die Finanzpolizei, Gebietskrankenkassen und Steuerbehörden nehmen zu. Auch ausländische Arbeitgeber aus „Nicht-Billiglohn-Ländern“ wie etwa Deutschland bleiben nicht verschont.

Finanzpolizei (Österreich) – wer? was? wann?

Die Finanzpolizei beschreibt sich selbst als eine „professionelle und effiziente Betrugsbekämpfungseinheit des Finanzministeriums“. Ihre Kernaufgabe ist die Durchführung gezielter Kontrollen, um Steuerhinterziehung, Sozialbetrug und organisierte Schattenwirtschaft aufzudecken. Primäres Interesse der Finanzpolizei ist der Schutz der finanziellen Interessen der Republik Österreich. Die Finanzpolizei schreitet  als Organ der Abgabenbehörde ein und hat umfassende Rechte, die je nach Kontrolle und Rechtsgrundlage variieren.

Die Finanzpolizei ist bei Kontrollen durch ihre Dienstbekleidung mit der Aufschrift „Finanzpolizei“ erkenntlich (kann aber auch in Zivil erscheinen). Die Organe der Finanzpolizei verfügen über einen Dienstausweis, dessen Vorlage bei Kontrollen auch unbedingt verlangt werden sollte.

Kontrollen der Finanzpolizei erfolgen meist unangekündigt und überraschend. Es ist sehr wichtig, auf Kontrollen gut vorbereitet zu sein und professionell reagieren zu können. Der Grundsatz „Vorbereitung ist die halbe Miete“ gilt auch hier.

LSD-BG – Erleichterungen oder Verschärfungen für Arbeitgeber?

Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (kurz „LSD-BG“) wird am 1.1.2017 in Kraft treten. Die neuen Bestimmungen sind auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach dem 31.12.2016 ereignen.

Die gute Nachricht: Es gibt in einigen Bereichen der Lohn- und Sozialdumping Erleichterungen für Betriebe. Die schlechte Nachricht: Die potentielle Haftung von Arbeitgebern für Verstöße im Zusammenhang mit Lohn- und Sozialdumping wird größer und die Strafen höher. Es ist daher noch wichtiger als bisher, zeitgerecht Überlegungen zur Haftungsvermeidung zu treffen, Maßnahmen umzusetzen und ein Compliance-System aufzubauen.

Neue und massive Haftung im Baubereich

Das LSD-BG sieht eine besondere Haftung für den Baubereich vor: Auftraggeber haften für das Entgelt von nach Österreich entsandten oder grenzüberschreitend überlassenen Arbeitnehmern von Subauftragnehmern im Rahmen der Beauftragung von Bauarbeiten.

Die Haftungsbestimmung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes für Beschäftiger überlassener Arbeitskräfte bleibt durch diese Novelle aufrecht, ist aber nur noch bei Überlassungen innerhalb Österreichs anwendbar. Die bestehende Auftraggeberhaftung nach § 67a ASVG und § 82a EStG für Sozialversicherungsbeiträge und Lohnabgaben bleibt daneben unberührt aufrecht.

Das besonders unangenehme an der Entgelthaftung des LSD-BG: Die Haftung besteht unabhängig von einem Verschulden oder sonstigem Fehlverhalten, sondern schlicht aufgrund der Beauftragung eines Auftragnehmers, der entsandte oder grenzüberschreitend überlassene Arbeitnehmer einsetzt.

Dazu kommt: Der Auftraggeber haftet als „Bürge und Zahler“ (strengste Haftungsform). Das bedeutet, dass der Auftraggeber von den zuständigen Behörden neben dem Auftragnehmer in Anspruch genommen werden kann. Die Behörde kann sich aussuchen, ob sie sich zwecks Forderungen und Strafen an den Auftraggeber oder an den Auftragnehmer wendet. Im Gegensatz dazu sieht die derzeit geltende Rechtslage eine Haftung bloß in Form einer Ausfallsbürgschaft vor.

Und: Im Gegensatz zur derzeit geltenden Rechtslage, wonach die Haftung bei Insolvenz des Auftragnehmers, hat nach dem LSD-BG die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Auftragnehmers auf die Haftung keinen Einfluss.

Es wird noch komplizierter …

Wie kommt es zu einer solchen Entgelthaftung? Der Arbeitnehmer informiert die BUAK spätestens acht Wochen nach der Fälligkeit seines Entgelts über die Nichtzahlung. Die BUAK führt Erhebungen durch und informiert den Auftraggeber unter Angabe eines Betrags über die Haftung. Mit Zugang dieser Information wird die Haftung des Auftraggebers begründet. Die Haftung endet neun Monate nach der Fälligkeit des jeweiligen Entgelts, es sei denn, der Arbeitnehmer macht seine Forderung gegenüber dem Auftraggeber innerhalb dieses Zeitraums gerichtlich geltend.

Wie genau dieses Prozedere sich in der Praxis abspielen wird, ist noch offen. Die gesetzliche Regelung lässt viele Fragen offen.

Eine bedeutende Änderung zur derzeitigen Rechtslage besteht auch in den Haftungserweiterungen in Bezug auf Subunternehmer. In bestimmten Fällen geht die Haftung über jene für die Arbeitnehmer des direkten Auftragnehmers hinaus und erstreckt sich auch auf die Ansprüche der Arbeitnehmer weiterer Subunternehmer in der Subunternehmer-Kette. Ein Auftraggeber haftet dann unter Umständen nicht nur für das Entgelt der bei ihm eingesetzten Arbeitskräfte seines direkten Auftragnehmers, sondern auch für die Arbeitskräfte von Auftragnehmern seines Auftragnehmers. Das Risiko von Zahlungen wird dadurch für einen Auftraggeber immens erhöht und schwer kalkulierbar.

Haftung auch für private Bauherren

Die Haftung nach § 9 LSD-BG kann auch private Auftraggeber treffen. Für Bauherren bzw Erstauftraggeber ist aber eine Haftungsbeschränkung vorgesehen: Ein Auftraggeber, der selbst nicht Auftragnehmer der beauftragten Bauarbeiten ist, haftet nur, wenn er bereits vor der Beauftragung von der Nichtzahlung des Entgelts wusste oder diese auf Grund offensichtlicher Hinweise ernsthaft für möglich halten musste und sich damit abfand.

Wie können sich Betriebe vor den Haftungen und Anzeigen schützen?

Eine „the one and only“-Maßnahme zur Vermeidung des Risikos der Entgelthaftung und sonstiger Verstöße gegen Lohn- und Sozialdumping gibt es leider nicht. Ein Ausschluss oder eine 100% rechtssichere Einschränkung der Haftung nach § 9 LSD-BG ist nicht möglich, da die gesetzlichen Haftungsbestimmungen unabhängig von vertraglichen Regelungen bestehen. Dennoch gibt es Möglichkeiten, das Risiko eines Haftungsfalls zu minimieren. Wichtig ist es, – wie auch in anderen Bereichen der Arbeitsstrafrechts-Compliance – ein internes Kontrollsystem zu implementieren. Dazu können unter anderem folgende Schritte zählen:

  • Aufnahme von Regelungen zum Thema Lohn- und Sozialdumping sowie Entgelthaftung in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Verträge;
  • Prüfung von (potentiellen und bestehenden) Auftragnehmern auf deren Compliance mit Lohn- und Sozialdumping-Regelungen, und zwar vor Vertragsabschluss und auch laufend während der Geschäftsbeziehung;
  • Administration der gesetzlich geforderten Dokumentation und Bereithaltung der erforderlichen Unterlagen, insbesondere bei Einsatz ausländischer Arbeitskräfte;
  • Konsequenz bei Information über Verstöße eines Auftragnehmers (Verweigerung der Leistung des Werklohns, Einbehalte vom Werklohn, Kündigung…);
  • Verbot an Auftragnehmer und deren Subauftragnehmer, entsandte oder grenzüberschreitend überlassene Arbeitnehmer einzusetzen;
  • Kontrolle über den Einsatz von entsandten oder grenzüberschreitend überlassenen Arbeitnehmern;
  • Vereinbarung von Rücklässen, Einbehalten und Vertragsstrafen für den Fall der Haftung nach LSD-BG;
  • Direktzahlung des Entgelts durch den Auftraggeber an die Arbeitnehmer des Auftragnehmers;
  • Schulungen, Trainings, Informationsmaterial, Notfallprozess etc.

Welche Maßnahmen für Ihren Betrieb am geeignetsten und wie Sie Ihre Mitarbeiter in diesem Zusammenhang am besten schulen und unterstützen, sollte im Wege einer Analyse des Ist-Zustandes und des Soll-Zustandes ermittelt werden. Warten Sie nicht! – Kontrollen der Finanzpolizei kommen sonst überrumpelnd und Strafverfügungen mit empfindlichen Strafdrohungen an die Geschäftsführung folgen oft wenig später.

Arbeitsrecht | Finanzpolizei & LSD-BG – Compliance Österreich Teil 3

Dr. Anna Mertinz | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Dr. Anna Mertinz ist Partnerin und Leiterin des Arbeitsrechtsteams bei KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH. Sie war zuvor als Legal Counsel bei Coca-Cola HBC Austria GmbH tätig und ist auf Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts spezialisiert.

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