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Kündigung im / wegen Krankenstand | OGH-Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs in Österreich

sozialwidrige Kündigung im Krankenstand - wegen, während - Österreich

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat sich vor kurzem in gleich zwei Entscheidungen damit beschäftigt, ob Kündigungen wegen langen und/oder häufigen Krankenständen sozialwidrig oder wirksam waren. Kündigung im Krankenstand bzw. wegen Krankenständen in Österreich.

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Entscheidungen und was in der Praxis bei Kündigungen wegen Krankenstands zu beachten ist.

INHALT

Neue OGH-Entscheidungen

Kündigung im Krankenstand, OGH 8 ObA 87/22k

In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 23feb2023, OGH 8 ObA 87/22k, war der Kläger seit mehreren Monaten durchgehend im Krankenstand. Das Ende des Krankenstands war offen und es war absehbar, dass der Krankenstand noch lange dauern würde. Der OGH entschied, dass die Kündigung wirksam und gültig war, weil lange Krankenstände wegen der mangelnden Einsetzbarkeit der Arbeitskraft und des auch vertretungsweise nicht mehr bewältigbaren Leistungsausfalls einen personenbezogenen Kündigungsgrund bilden können.

Persönlichkeitsbezogene Kündigung wegen Krankenstand / des Gesundheitszustandes

Auch in seiner Entscheidung vom 27april2022, OGH 9 ObA 26/22x, stufte der Oberste OGH die Kündigung als wirksam und gültig ein. Im vorliegenden Verfahren lagen bei der Klägerin massive Krankenstände vor, die zu einer Unplanbarkeit der Schichten und zum Unmut der anderen Mitarbeitenden zur Versetzung der Klägerin an einen „Schonarbeitsplatz“ führten. Der weitere Einsatz der Klägerin an ihrem vorherigen Arbeitsplatz wurde von der Betriebsärztin als ein zu großes Gesundheitsrisiko eingestuft, weshalb ein Einsatz der Klägerin an ihrem ursprünglichen Arbeitsplatz aus medizinischer Sicht nicht mehr infrage kam.

Die von der Betriebsärztin vorgenommene Einschätzung zum Gesundheitsstand der Arbeitnehmerin beruhte auf ein von der Arbeitnehmerin selbst vorgelegtes hausärztliches Attest. Die Entscheidung des Unternehmens, dass er die Arbeitnehmerin nicht mehr an ihrem ursprünglichen Arbeitsplatz einsetzen werde, beruhte somit auf der medizinischen Einschätzung des Hausarztes der Arbeitnehmerin.

Die Arbeitnehmerin erklärte dem Arbeitgeber später, dass es ihr besser gehe und sie wieder an ihrem ursprünglichen Arbeitsplatz arbeiten möchte, dieser Bitte kam der Arbeitgeber jedoch nicht nach.

Wäre der Arbeitgeber entgegen den Beurteilungen des Hausarztes und der Betriebsärztin der Einschätzung der Arbeitnehmerin gefolgt und hätte er sie wieder an ihrem ursprünglichen Arbeitsplatz eingesetzt, hätte er sich im Fall einer Verschlechterung des Gesundheitszustands dem Vorwurf massiver Verletzungen ihrer Arbeitnehmerschutz- und Fürsorgepflichten ausgesetzt. Auch hat die Arbeitnehmerin keine medizinische Einschätzung des Hausarztes relativierende oder widerlegende Atteste oder sonstige Unterlagen vorgelegt, um die Besserung ihres Gesundheitszustandes zu beweisen.

Vielmehr hat die Klägerin bereits im Jahr 2018 keine Informationen über ihren Gesundheitszustand und dessen Vereinbarkeit mit ihrer ursprünglichen Tätigkeit bekanntgegeben. Und das, obwohl der Arbeitgeber sich mit einem Schreiben an den behandelnden Arzt wendete und sich darüber informieren wollte. Auch im Verfahren hat die Klägerin den behandelnden Facharzt von seiner Verschwiegenheitspflicht nicht entbunden. Dadurch durfte er keine Aussagen zu ihrem Gesundheitszustand tätigen.

Der OGH sah die Kündigung als gerechtfertigt an. Er begründete dies damit, dass die Kündigung auf einen in der Person der Klägerin gelegenen Grund beruht. Nämlich auf die von ihr vorgelegten Informationen zu ihrem Gesundheitszustand.

Ist eine Kündigung im Krankenstand oder wegen eines K. grundsätzlich zulässig?

Es gibt kein Verbot, eine Kündigung im Krankenstande und/oder wegen eines Krankenstandes auszusprechen.

ABER: Eine Kündigung während eines Krankenstandes und/oder wegen eines Krankenstandes muss wohlüberlegt sein. Die Risiken einer erfolgreichen Kündigungsanfechtung durch die im Krankenstand gekündigte Person müssen vorab genau evaluiert, geprüft und abgewogen werden. Unter Umständen kann eine einvernehmliche Auflösung eine Alternative sein, um Gerichtsprozesse zu vermeiden.

Grundsätzlich gilt Kündigungsfreiheit – eine Kündigung bedarf keines Grundes und einen Kündigungsgrund muss man anlässlich der Kündigung auch nicht nennen. Anderseits besteht ein Klagerecht der gekündigten Person in Form der Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit und/oder Motivwidrigkeit. Und zwar dann, wenn gewisse Voraussetzungen vorliegen und Fristen eingehalten werden.

Sozialwidrige Kündigung

In Zusammenhang mit einer Kündigung wegen Krankenstands ist die Anfechtung aufgrund einer sozialwidrigen Kündigung besonders relevant und auch häufig:

Im Rahmen einer Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit wird im ersten Schritt geprüft, ob eine wesentliche Interessensbeeinträchtigung der gekündigten Person vorliegt. Bei der Beurteilung, ob durch die Kündigung wesentliche Interessen der gekündigten Person beeinträchtigt sind bzw soziale Nachteile entstehen werden, sind unter anderem der Ausbildungsstand, die familiären Verpflichtungen und die gesamte wirtschaftliche Situation der gekündigten Person zu berücksichtigen.

Im zweiten Schritt wird geprüft, ob und welche personenbezogenen und/oder betriebsbedingten Kündigungsgründe vorliegen. Personenbezogene Kündigungsgründe können beispielsweise Pflichtverletzungen, mangelnde Verträglichkeit und Loyalität aber auch eine mangelhafte Arbeitsleistung der gekündigten Person sein. Es muss ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Eintreten des Grundes und der Kündigung bestehen.

Häufige und/oder lang andauernde Krankenstände können, wie auch die Judikaturbeispiele oben zeigen, ein personenbezogener Kündigungsgrund sein. Für die Beurteilung, ab welchem Ausmaß des Krankenstandes ein personenbezogener Kündigungsgrund vorliegt, gibt es keine gesetzlichen Regelungen oder sonstige Vorgaben. Vielmehr ist eine Einzelfallbeurteilung notwendig.

Die Krankenstände müssen bei objektiver Betrachtung Umstände in der arbeitnehmenden Person darstellen, die die betrieblichen Interessen konkret nachteilig berühren. Und die daher die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Bei der Beurteilung muss auch berücksichtigt werden, wie sich die Anzahl der Krankenstände in Zukunft entwickeln wird.

Schlussworte: Kündigung im – während – wegen Krankenstand (Österreich)

Vor Ausspruch einer Kündigung während eines Krankenstandes und/oder wegen eines Krankenstandes muss daher die Gesamtsituation betrachtet und eine Risikoabwägung vorgenommen werden.

Dr. Anna Mertinz | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Dr. Anna Mertinz ist Partnerin und Leiterin des Arbeitsrechtsteams bei KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH. Sie war zuvor als Legal Counsel bei Coca-Cola HBC Austria GmbH tätig und ist auf Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts spezialisiert.

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