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Lehrlings-Ausbildung ist in der Praxis nicht immer leicht. Mag. (FH) Sandra Biri (ARS-Referentin & Personalentwicklerin beim ÖAMTC mit langjähriger Erfahrung in der Lehrlingsausbildung) erzählt im Interview über wohlüberlegte Schritte und immer wieder schwierige Situationen.

Im Jahr 2011 haben 38.485 Lehrlinge eine Lehre begonnen, insgesamt wurden Ende 2012 österreichweit 125.288 Lehrlinge ausgebildet. Medienberichten zufolge bekommen interessierte Schulabgänger keine Lehrstelle – andererseits beklagen Unternehmen, dass gute Lehrlinge immer schwerer zu finden sind. Ein Kampf um die Besten ist vorprogrammiert, für den man optimal gerüstet sein muss – mit professioneller Lehrlingsausbildung, die schon beim Recruiting beginnt & vielem mehr.

Interview

Was ist beim Recruiting von Lehrlingen zu beachten? Wie finde ich sogenannte „gute Lehrlinge“?

Die Basis eines erfolgreichen Lehrlingsrecruitings liegt in der Bedarfsanalyse inkl. der Erstellung eines Anforderungsprofils, am Besten pro Lehrberuf und zu besetzender Stelle. Die so genannten „Musts“ und „Nice to haves“ müssen daher im Vorfeld ausformuliert werden: Welche Eigenschaften soll ein Lehrling mitbringen? Welche schulische Vorbildung soll er/sie haben? Dies erleichtert einerseits das Screening der Bewerbungen, aber auch die Recruitinggespräche.

Dabei ist auch der gewählte Zeitpunkt des Recruitings von Interesse. Startet man beispielsweise die Suche am Jahresende – für einen Start im darauf folgenden Herbst -, werden sich vorrangig jene Kandidaten bewerben, die bereits den Entschluss gefasst haben, nach dem laufenden Schuljahr einen Beruf zu erlernen. Spätentschlossene erreicht man am Besten, wenn man das Recruiting auf das Jahr verlegt, in dem die Lehre beginnen wird.

Auch die Frage „wer rekrutiert die Lehrlinge“ – die Personalabteilung, die Ausbilder, der Chef des Unternehmens – sollte geklärt sein. Auf Grund der vorhandenen Recruitingkompetenz empfiehlt es sich, die Vorselektion und die Erstgespräche durch einen professionellen Recruiter bzw. die Personalabteilung machen zu lassen. Ausbilder und Vorgesetzte werden in Zweitgesprächen in die Auswahl „ihres“ Lehrlings eingebunden.

Der Einsatz unterschiedlicher Auswahlverfahren wie z.B. Bewerbertage, Praxistests, Assessment Center etc. hat sich in der Praxis ebenfalls bewährt.

Zusammengefasst kann man sagen, dass man so genannte „gute Lehrlinge“ zu jedem Zeitpunkt und für jeden Lehrberuf finden kann, weil die Basis dafür durch professionelles Recruiting, die passende Auswahlmethode und – nicht zuletzt – ein umfassendes Anforderungsprofil geschaffen wurde.

Wie integriere ich einen Lehrling am Besten?

Für die meisten Lehrlinge bedeutet der Beginn ihrer Lehre meist den ersten Kontakt mit der Arbeitswelt überhaupt. Daher müssen die ersten Tage besonders behutsam begleitet werden.

Die wichtigsten Informationen – und seien sie auch noch so logisch für Erwachsene bzw. bestehende Mitarbeiter – müssen gegeben und erklärt werden. Dazu zählt auch, welche Umgangsformen gefordert sind, also wie sich ein Mitarbeiterund damit auch die Lehrlinge zu verhalten haben.

„Wie melde ich mich am Telefon?“, Grüßen, Bitte, Danke, etc. sollten klar sein – und sind dies in den meisten Fällen auch – jedoch auf Grund der Aufregung über die neue Lebenssituation rücken diese Themen schon mal unbewusst in den Hintergrund. Das „Überleben“ und Einfinden in die neue Rolle bestimmt die ersten Tage und Wochen.

Daher empfehle ich, die Lehrlinge in den ersten 3 Monaten langsam an ihre Tätigkeiten und Aufgaben heranzuführen und mit Team bildenden Maßnahmen und ev. ersten Seminaren/Trainings zu begleiten. Die Begleitung durch einen erfahrenen Mitarbeiter oder Lehrling in einem höheren Lehrjahr hat sich in der Praxis ebenfalls als Erfolg bringend herausgestellt.

Lehrlinge auszubilden und zu führen ist sicher eine Herausforderung. Welche schwierigen Situationen können sich ergeben und wie geht man damit um?

Die größte Schwierigkeit sehe ich im Einfühlen in die Situation des Lehrlings in Kombination mit ev. zu setzenden, disziplinarischen Maßnahmen. Verständnis aufzubringen, aber ebenso klar in der Sache zu bleiben, das stellt eine große Herausforderung dar.

Beispiele gäbe es unzählige, die ich hier nennen könnte. Lehrlinge, die wiederholt zu spät zur Arbeit kommen, das Unternehmen bei offiziellen Veranstaltungen nicht entsprechend nach außen vertreten, gegen Ausbilder/Lehrer rebellieren. Hier muss ganz klar gemacht werden, welches Verhalten erwartet wird und welches nicht geduldet werden kann. Das meine ich mit „klar in der Sache“. Ist das Thema dann einmal aus der Welt geschafft, soll die Verfehlung dem Lehrling aber nicht während seiner gesamten Lehrzeit immer wieder vorgehalten werden. Auch wir waren einmal im Alter unserer Lehrlinge und sollten uns zurückerinnern, wie wir waren, was wir gemacht haben …

Als weiteres Beispiel möchte ich hier auch noch den Umgang mit Smartphones, Internet, Facebook, Twitter und Co. nennen. Selbstverständlich könnte man den Jugendlichen den Internetzugang am Arbeitsplatz sperren, dies verhindert aber nicht die Nutzung des privaten Smartphones während der Pausen. Ich empfehle hier, keine Unterschiede zwischen bestehenden Mitarbeitern und Lehrlingen zu machen. D.h. ich würde keinem Lehrling den Internetzugang am PC sperren, wohingegen alle anderen Mitarbeiter Internet nutzen dürfen. Bei allen Mitarbeitern und Lehrlingen sollte die private Nutzung des Internets im Rahmen bleiben und exzessive Nutzung mit den gleichen Konsequenzen geahndet werden.

Daran sieht man, dass es für mich keinen Unterschied macht, ob jemand Lehrling ist, für mich sind sie Mitarbeiter und Kollegen. Ich glaube, darin liegt auch das Geheimnis erfolgreicher Lehrlingsausbildung.

HRwebInterviewpartnerin

Mag. (FH) Sandra Biri ist Personalentwicklerin in einem Automobil-, Motorrad- und Touringclub; davor mehr als 6 Jahre Personalentwicklung und Ausbildungsleitung (Lehrlingsausbildung) in einem weltweit tätigen Konzern; Praxiserfahrung in allen Bereichen der Lehrlingsausbildung.

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