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Training und Consulting in der Ukraine – eine spannende Herausforderung

08Sep2014
6 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Seit 2006 arbeite ich in der Ukraine als Trainerin und Beraterin. Was habe ich an der Arbeit dort als besonders erlebt? Welche Kompetenzen und Haltungen haben sich als förderlich herausgestellt? Warum fahre ich immer noch hin, obwohl die Situation seit Jahren schlechter wird?

Je weiter man nach Osten kommt – und Wien liegt schon ziemlich östlich – umso weniger wird zwischen Beruflichem und Privatem getrennt. Was das an Negativem bedeutet, lesen wir alle regelmäßig in den Medien: Freunderlwirtschaft, Korruption, Flitz und überhöhte Kosten. Im Westen will man das bekämpfen mit reglementierten Bewerbungsprozessen, Zertifizierungen, Normierungen und Kontrollen.

Funktionierendes Rechtssystem & individuelles Vertrauen

Dieser Lösungsweg setzt eines zwingend voraus: es muss ein funktionierendes Rechtssystem geben. Ich muss Verträge einklagen können und gegen Willkür und falsche Versprechen geschützt sein. Das alles gibt es in der Ukraine nicht, und ich fürchte, es wird noch eine Weile dauern bis etwas Derartiges entstanden ist. Für einen mittelständischen oder Kleinunternehmer kann daher nur eine Maxime gelten. „Mache nur Geschäfte mit jemandem dem Du vertraust, jemandem den Du gut einschätzen kannst!“

Wenn ich als Beraterin aus Österreich dort arbeiten will, dann gilt das auch für mich. In diesem Segment in der Ukraine tätig zu sein bedeutet daher, Zeit zu investieren für das Kennenlernen, für Vertrauensaufbau, ja oft für die Entwicklung von Freundschaften. Das alles macht ex post Sinn und bringt langfristig gutes Geschäft.

Wenn ich zurückschaue und darüber nachdenke, dann ist es heute einfach, diese Gesetzmäßigkeiten zu erkennen.

Systemisches Denken & Beraten -in der Wirtschaft weitgehend unbekannt

Aber entwickelt hat sich meine Tätigkeit ganz anders. Der erste Schritt war, dass ich mich in das Land und die Menschen verliebt habe. Ich bewunderte und bewundere an meinen Freunden und Bekannten ihre Ausdauer, Intelligenz, Herzlichkeit, Kreativität und ihre Fähigkeit auch unter schwersten Bedingungen noch über Widrigkeiten zu lachen und aus allem etwas zu machen. Ich habe viele private Lebensgeschichten gehört, Lachen und Hoffnung aber auch Schmerz und Enttäuschung.

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Darum, weil einige Menschen mich privat kannten und schätzten, haben sie mir die Möglichkeit gegeben, Seminare, Workshops und Trainings zu machen. Sie mussten dafür ein Risiko eingehen. In der Ukraine kennt man eher die amerikanischen Businesstrainings. Beratung, wie sie in Wien von systemischen Beratern und Prozessberatern angeboten wird, ist im Wirtschaftsleben weitgehend unbekannt. Ukrainische Klein- und Mittelunterneher sind gewohnt genau zu schauen, was eine Investition bringt. Sie müssen es auch. Allein meine Flugreise von Wien und die Übernachtung in einem alten Hotel kostet so viel, wie eine Universitätsassistentin mit Doktorat in vier(!) Monaten verdient.

Zufriedene Kunden reden. Menschen, die meine Art zu arbeiten erlebt hatten, kamen mit Ideen, was man noch machen könnte. Und natürlich hat es sich angeboten, dass mehrere Kunden sich meine Reiskosten teilen. Von Jahr zu Jahr wurde es mehr, und heute bringt es sogar Geld.

Dabei habe ich viele Unternehmer kennengelernt. Menschen, die sich mit Problemen rumschlagen, die in Österreich nicht existieren. Da stellen sich Fragen, wie: Wie sichere ich ein Warenlager ab, wenn es keine Versicherung gibt? Was mache ich, wenn Mietkosten (in Euro) durch die Abwertung der Währung um 70% steigen und die Einnahmen leicht zurückgehen? Wie schaff ich es, dass meine Mitarbeiter, obwohl sie jede Hrivna (ukrainische Währung) brauchen können, nicht in Versuchung fallen?

In diesen Fällen kann eine österreichische Beraterin nur beim Nachdenken unterstützen – als Gedankenhebamme fungieren. Vorgefertigte Lösungen aus der westlichen Managementliteratur gibt es dazu kaum.

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Auch bei bekannteren Fragestellungen bleibt nur zu versuchen westeuropäische und amerikanische Managementtheorie, Werkzeugen und Praxis vorzustellen, und dann den Kunden bei Auswahl und Adaption an lokale Erfahrungen und Notwendigkeiten zu unterstützen. Allgemein gesehen verlangt Management immer und überall eine Entwicklung von Kommunikations- und Reflexionsfähigkeit, sowie ein sinnvolles Vorgehen zur Entscheidungsfindung.

Kaum Sprachbarrieren

Die meisten Menschen in L‘viv sagen „Ich spreche keine Fremdsprachen“ und meinen damit, dass sie nur Polnisch, Russisch und Ukrainisch sprechen. Junge Menschen mit guter Ausbildung sprechen immer häufiger auch Englisch.

In welcher Sprache ich dort arbeite? Auf Deutsch. In Lemberg gibt es das Gymnasium, ich glaub Nummer 17, mit erweitertem Deutschschwerpunkt noch aus Sowjetzeiten. Darüber hinaus wird Deutsch für Übersetzer auch auf der Universität gelehrt. Dorther kommen meine Übersetzerinnen, die das Deutsch meiner schlampig geschriebenen Mails manchmal korrigieren. Frauen, die selbstverständlich auf der Universität auch noch Mittehochdeutsch gelernt haben. Das brauchen wir jetzt weniger, aber mit ihrer Hilfe kann ich mit den Gruppen so kommunizieren als ob da keine Sprachbarriere da wäre. Im Laufe der Zeit und mit Sprachlehrerin hab ich auch ein bisschen Ukrainisch gelernt. Genug um oft zu verstehen, worum es jetzt geht. Es wird leider nie genug sein, um in der Sprache zu arbeiten. Auf der anderen Seite habe ich erfahren, dass die Verlangsamung durch das Übersetzen, den Lernprozess oft fördert, Zeit zum Nachdenken und Verarbeiten gibt.

Mafia & Rechtsunsicherheit

In den letzten Jahren kam zu den vielen Fragen, mit denen Unternehmer sich beschäftigen müssen, auch die Frage hinzu: Wie agiere ich so, dass ich nicht den Appetit eines Mitglieds der Mafia erwecke? Geschichten wie diese hörte ich immer häufiger: Plötzlich tauchten Mitglieder der „Mafia des Präsidenten (Janukowytsch )“ auf und zwangen mit vorgehaltener Waffe die Eigentümer dazu, die Firma zu überschreiben. Nur die Schulden blieben beim früheren Eigentümer.

Ich glaube, diese allgemeine Rechtsunsicherheit und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft waren die stärksten Auslöser für die Majdanbewegung. EU stand und steht in der Ukraine für Rahmenbedingungen, unter denen es sich lohnt wirtschaftlich tätig zu sein.

Flexibilitätstraining

Wenn alles gut geht, halte ich im Oktober und November 2014 ein Modul einer Ausbildung für das Middle Management in einer IT Firma, ein Seminar für Therapeuten, die auch Coaching erlernen wollen, und ein Workshop für eine Firma im Umbruch.

„Wenn alles gut geht“, das ist das nächste Thema. Auch vor der Krise in der Ukraine hab ich meine Arbeit dort schon immer „mein Flexibilitätstraining“ genannt. Dabei habe ich mich vom Ärger darüber, dass immer alles anders ist, weiterentwickelt zum Lernen. Ich habe gelernt, dass man sich nicht immer aufregen muss, dass viele Wege zum Erfolg führen, und dass ich solche Herausforderungen meistern kann, ohne dass die Qualität leidet. Kompetenzen, die man auch in Österreich gut brauchen kann, wenn man sie einmal erworben hat.

Diesmal geht es um mehr als um Terminverschiebungen, andere Seminarorte und Seminarteilnehmer. Ende Oktober kann es schon recht kühl werden ohne Gas zum Heizen. Einige der Teilnehmer könnten eingezogen worden sein. An mehr will ich nicht denken. Die Stadt – L’viv / Lemberg wird voller Flüchtlinge sein. Es ist auch möglich, dass die Bezahlung länger dauern wird. In der katholischen Universität wird das Grablicht für den Lektor, der am Majdan getötet wurde, wohl noch brennen oder gerade wieder, um den ersten November herum. Und ich gehe davon aus, dass wieder Bekannte und Freunde, von Bekannten und Freunden, dazu gekommen sind zur neuen Liste der namenlosen Toten. Aber meine Freunde werden da sein und die wunderschöne Stadt. Die Menschen werden Russisch und Ukrainisch durcheinander sprechen, und keinen Menschen regt es auf. Ein toleranter Umgang mit Sprache, wie ich ihn noch selten woanders erlebt habe. Es wird Teilnehmer geben, die das, was ich ihnen mitgeben kann, brauchen können und umsetzen wollen. Wir werden weitermachen für eine bessere Zukunft, wann auch immer sie kommt.


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Gastautorin: DI Elisabeth Alder ist Unternehmensberaterin, Supervisorin und Coach (ÖVS/ÖAGG). Seit vielen Jahren arbeitet sie in Österreich und CEE Ländern auf Deutsch, Englisch und, wenn sinnvoll mit Übersetzung. Ihr Netzwerk umfasst Kollegen und Kolleginnen in USA und Europa (Schwerpunkt CEE). Ihre Klientinnen und Klienten kommen aus der ganzen Welt. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Veränderung, Netzwerken und interkulturelles Arbeiten. Nach dem Studium an der TU Wien hat sie Erfahrungen als Spezialistin und Führungskraft in den Bereichen Banken, Versicherungen und internationale Organisationen gesammelt.
Kontakt: Tel.: +43 / 664 / 3906922, alder.consult@gmail.com, http://www.alder.at

Training und Consulting in der Ukraine – eine spannende Herausforderung & Blick in die Praxis

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