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Heute habe ich ein besonderes Interview für Sie: ich sprach mit DDR. Alfried Längle und Dr. Marianne Grobner über Existenzanalytisches Coaching, Sinnfindung, Viktor Frankl und was eine derartige Goaching-Ausbildung modernen Menschen in der Wirtschaft bieten kann.

Gleich vorab zu den Interview-Partnern „Existenzanalytisches Coaching – was ist das und wie kann man das lernen?“:

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  • DDr. Alfried Längle arbeitete viele Jahre eng mit Viktor Frankl zusammen und begründete die moderne Existenzanalyse. Er ist Arzt und Psychotherapeut, international tätig in der Ausbildung von Coaches und Professor an Universitäten in Wien, Moskau und Klagenfurt, und Ehrenprofessor an sechs Universitäten. Seine Bücher wurden in rund 10 Sprachen übersetzt und gelten als führend in der existentiellen Psychologie.
  • Dr.Marianne Grobner ist seit über 30 Jahren als Unternehmensberaterin tätig und absolvierte nach zahlreichen systemischen Ausbildungen bei Alfried Längle eine Weiterbildung in Existenzanalytischem Coaching. www.grobner.com/
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Ich sprach mit den beiden über die für mich doch sehr neue Disziplin „Existenzanalytisches Coaching„.

Interview

Sie starten im Oktober wieder mit einer existenzanalytischen Coachingausbildung. Es geht dabei um Sinnfindung und Werte – ein Thema, unserer Zeit?

Längle: Das Persönliche und Individuelle – auch die Eigenverantwortung – ist heute mehr gefragt denn je. Es geht den Menschen heute nicht mehr nur um die Selbstentfaltung, um Karriere, Einflussmöglichkeiten, Macht oder Geld – das befriedigt auf dem heutigen Qualitäts-Standard nicht mehr. Man sucht verstärkt nach persönlich sinnerfüllender, dem Leben Tiefe gebender Tätigkeit. Ich könnte nicht behaupten, dass es das Gros der Bevölkerung ist, das diesem Trend folgt.

Aber in den Führungsetagen, wo ja Trends gesetzt werden und bei jungen High Potentials wird immer mehr nach dem Sinn des eigenen Tuns gefragt.

Was hat denn Sie als Unternehmensberaterin bewegt, sich mit Themen wie Sinnfindung auseinanderzusetzen?

Grobner: Die Frage nach dem Sinn ist ein wichtiges Thema unserer Zeit. Nicht umsonst bezeichnet man die jungen Nachwuchskräfte auch als Generation Y („Why“?) Wir erleben derzeit in fast allen Unternehmen, dass alte Motivationsrezepte oder die klassische Pyramidenorganisation, wo es heißt „oben denkt und unten führt aus“, ausgedient haben. Mitarbeiter wollen heute mehr mitreden, gefragt sein und Sinn in ihrer Arbeit sehen. Das erfordert auch einen anderen Führungsstil. Da ist eine Auseinandersetzung mit der Sinn-Lehre eine wichtige Basis für meine Beratungstätigkeit.

Die Existenzanalyse geht auf die Schule Viktor Frankls zurück, dessen Bücher in den 40er und 50er Jahren geschrieben wurden. Was macht den heutigen Ansatz nun praktikabler?

Längle: Wir sehen ebenso wie Frankl die Sinnorientierung als eine Grundlage zu erfüllendem Leben. Aber sie ist für uns nicht mehr die einzige Motivation des Menschen. Wir legen den Schwerpunkt auf den Prozess, der der Sinnfindung vorangeht. Dabei arbeiten wir mit dem Können: Welche Fähigkeiten habe ich in meinem Leben? Wir achten auf die Gefühle, die Emotionalität, das Mögen. Wir erarbeiten mit den Klienten daran, wie gut sie Werte, die für sie handlungsanleitend sind, auch fühlen. Dabei unterstützen wir die Authentizität, suchen nach dem, was einem ganz persönlich wichtig ist und wie das in die Arbeit, ins Leben einfließen kann. Es ist die Basis für ein erfülltes Leben, dass man sich selbst „hat“, sich zu sich selber stellt, für sich eintritt, sich kritisch sieht. Sinn ist umfassend, fordert den ganzen Menschen, nicht nur Vernunft und Verstand. Nur so kann wirklich gefunden werden, was ansteht – was „ich jetzt tun soll“ zur Verbesserung der Situation und meines Lebens. Die moderne Existenzanalyse sieht den Menschen in seiner Eigenverantwortung und Emotionalität – das befreit die Klienten von den Zwängen der Lebensumstände und fördert das Einstehen für die eigene Persönlichkeit.

Was kann eine solche Ausbildung für moderne Menschen in der Wirtschaft bieten?

Grobner: Man lernt vor allem Entschleunigung und Tiefgang im Gespräch, totales Eingehen auf die Situation und Vertrauen in die eigene Intuition. Das ist auch eine große Herausforderung: Man muss in erster Linie mit sich selbst und mit der eigenen Persönlichkeit arbeiten. Ich konnte die Ausbildung auch für die Auseinandersetzung mit vielen persönlichen Fragen nutzen: Was sind derzeit die existenziellen Themen im meinem Leben? Was bringt Leben in mein Leben? Was mache ich mit Hingabe und wofür gebe ich mich her? Welche Rolle spielt das Sollen in meinem Leben? Welche Werte sind mir wichtig? Was hat zur Stärkung meines Selbstwerts beigetragen? Welche Reaktionen kenne ich von mir selbst, wenn eine Grundmotivation fehlt? Durch diese persönliche Auseinandersetzung wurden die Modelle der Existenzanalyse stark in meinem Denken verankert.

Wie kann das dann funktionieren?

Längle: Dazu hat man wenig fixe Instrumente zur Verfügung. Das würde der Individualität des Einzelnen nicht genügen. Man operiert also hauptsächlich mit dem Dialog, mit der eigenen Persönlichkeit, dem absichtslosen Wahrnehmen und Wirken-lassen einer Situation. Die Schulung besteht in der Selbst-Werdung. Der Schwerpunkt liegt im Sein, nicht im Haben, im Wirken-Lassen, nicht im Machen. Das erfordert auch von uns Ausbildern eine besondere Erfahrung und Vorgangsweise. Und die haben wir in den letzten 20 Jahren entwickelt und erprobt – vorher hatten wir sie auch nicht!
Auf dieser Basis ist es nun möglich geworden, ein entsprechend strukturiertes Training für Coaching und Leadership aufzubauen. Diese Ausbildung erfordert aber einen Zeitaufwand, der vielleicht länger ist als klassische Coaching-Ausbildungen. Aber das ist für das Integrieren, Wirken lassen, Ausprobieren und Umsetzen einfach notwendig.

Grobner: Ja, man musste sich zuerst von klassischen Erwartungen und Bildern zum Lernen lösen. Es ging nicht ums Anlernen von Techniken und Tools oder um ein Training des eigenen Verhaltens als Beraterin. Am Anfang hat das schon einige irritiert, dass wir immer wieder „persönlich“ gefragt waren. Irgendwann haben wir erkannt, dass Existenzanalytisches Coaching nur mit der eigenen Persönlichkeit und Stellungnahme gemacht werden kann. Dann wird das zur Grundhaltung in der Beratung.

Welche Auswirkung hat existentielles Coaching auf den Coach selbst? Ist es nicht anstrengender, wenn es so einen so hohen persönlichen Einsatz des Coaches verlangt?

Längle: Aufs Erste besehen könnte es so aussehen. Schon Frankl betonte, dass man sich bei der Arbeit mit existenziellen Inhalten als Katalysator verstehen und entsprechend einbringen sollte: Das ist Wirkung, ohne sich zu verbrauchen. Das ist die Definition von Katalysator. Er vermischt sich nicht mit der chemischen Reaktion. Er erleichtert sie nur – aber sie findet von selbst statt.

Gerade eine solche Haltung und Vorgangsweise hat eine spezifische Rückwirkung auf den Coach selbst. In meiner Offenheit erlebe ich mich als sehr präsent, teilhabend, teilnehmend. Auf das Einmalige und Einzigartige dieses Gesprächs achtend, ermüdet mein Blick nicht durch Routine. Es bringt mich vielmehr in Berührung mit dem stets Neuen, mit dem Aufregenden von dem, was gerade mit dem Coachee entsteht – durch mein Beisein entsteht. So kann die Arbeit selbst nach Jahrzehnten immer noch als erfüllend erlebt werden – was gibt es Schöneres, als auf die Person zu stoßen, als eine Begegnung erleben zu dürfen?

Mit welchen Herausforderungen hat man als Teilnehmerin in einer solchen Ausbildung zu rechnen?

Grobner: Vor allem einmal Offenheit und die Bereitschaft, an sich zu arbeiten. Man lernt dann auch durch die Erfahrungen und Erlebnisse aller anderen Teilnehmerinnen, die in die Gruppe eingebracht werden. Diese „Aha-Momente“ beschäftigen einen oft auch zu Hause. Damit werden sie häufig auch Thema in der Partnerschaft. Über den Austausch der Erfahrungen in der Ausbildung konnte auch mein Mann etwas an dieser Veränderung und Entwicklung teilhaben und dadurch hat auch unsere Partnerschaft einen Wachstumsprozess durchgemacht.

Längle: Die Ausbildung führt immer wieder zu berührenden Momente, die das Gefühl für sich selbst verstärken. Das kann zu schönen, vertiefenden, manchmal überraschenden und auch schmerzlichen Punkten führen, die wir in uns tragen. Um mit solchen überraschenden Momenten zu recht zu kommen, nehmen Teilnehmer manchmal ein weiterführendes Einzelcoaching. Durch die intensive Auseinandersetzung mit persönlichen Sinnfragen lernt man nicht nur einen völlig anderen Zugang zum Coaching. Immer wieder eröffnet sich ein anderer Zugang zu den eigenen Haltungen, Verhaltensweisen und Erfahrungen. Man beginnt auch sich besser zu verstehen und kennen zu lernen. Diese Ausbildung ist nicht nur für den Beruf – sie ist auch sehr für das eigene Leben, und das ist Beruf, aber eben noch viel mehr…


Info zum Lehrgang

  • Start: 3okt2016
  • Ort: Wien
  • Kosten: € 8.820 (netto, exkl. Mahlzeiten + Übernachtungskosten
  • Teilnehmerzahl: max 15 Personen

Existenzanalytisches Coaching – was ist das und wie kann man das lernen?

Mag. Eva Selan, MSc | HR-Redakteurin aus Leidenschaft

Theoretischer Background: MSc in HRM & OE. Praktischer Background: HR in internationalen Konzernen und KMUs in Österreich und den USA.
Nach der Tätigkeit beim Print-Medium Magazin TRAiNiNG als Chefredakteurin, wechselte sie komplett in die Online-Welt und gründete Ende 2010 das HRweb.

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