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Welche Mitarbeiter sollen wir zu Agile Coaches ausbilden? Die Antwort ist nicht einfach. Denn Agile Coaches brauchen neben dem erforderlichen Methoden-Knowhow, auch einen passenden Mindset und eine agile Haltung, um die gewünschten Veränderungen zu bewirken.

Autoren: Katja von Bergen, Lars-O. Böckmann

Für die agile Transformation einer Organisation genügt es nicht, agile Methoden einzuführen und die Strukturen zu verändern. Vielmehr ist auch ein agiler Mindset nötig, damit die Kultur im Unternehmen in Bewegung kommt und sich die Strategie mit Leben füllt. Dieser Mindset lässt sich nicht per Dekret verordnen. Er entwickelt sich in einem Changeprozess, bei dem die Mitarbeiter und Führungskräfte meist eine aktive Unterstützung brauchen – zum Beispiel durch sogenannte „Agile Coaches“ in der Organisation. Darüber sind sich die Unternehmen inzwischen weitgehend einig.

Unklar ist ihnen aber oft noch, was genau die Rolle der Agile Coaches ist und welches Kompetenzprofil diese brauchen. Deshalb werden auch heute noch Projektmanager, Scrum Master oder Organisationsentwickler ohne eine spezielle Vorbereitung zu Agile Coaches ernannt. Beispielsweise aufgrund ihrer Leidenschaft für das Thema und ihrer vermeintlichen Methodennähe. Doch diese Eigenschaften allein genügen nicht, um die Rolle als Agile Coach adäquat wahrzunehmen.

Auswahl der Agile Coaches erfolgt oft ohne System

Deshalb senden immer mehr Unternehmen ihre angehenden Agile Coaches auf Fortbildungen. Entsprechend viele Agile Coach-Ausbildungen mit unterschiedlichen Ansätzen gibt es inzwischen im Markt, die den Teilnehmern das erforderliche Know-how und Können vermittelt sollen.

Doch wie werden in den Unternehmen die Teilnehmer für diese Ausbildungen ermittelt? Oft scheinbar noch nach dem Zufallsprinzip. Ein Mitarbeiter erscheint zum Beispiel als die logische Wahl, weil er bereits Scrum-Master und im Bereich Organisationsentwicklung tätig ist. Wieder ein anderer hat noch „etwas gut“ für ein erfolgreiches Projekt und interessiert sich für die Themen „Agilität“ und „Digitale Transformation“. Also bekommt er die Fortbildung sozusagen als „Incentive“ für seine Leistung. Fakt ist: Die Auswahl der künftigen Agile Coaches erfolgt oft noch unsystematisch.

Agile Coaches brauchen einen agilen Mindset

Hinzu kommt: Bei der Auswahl wird häufig nicht ausreichend berücksichtigt, dass eine Agile-Coach-Ausbildung den Teilnehmern neben Methoden-Kenntnis auch den erforderlichen agilen Mindset vermitteln sollte. Denn er entscheidet letztlich darüber, was die Agilen Coaches ihren Kollegen vermitteln und ob die Methoden adäquat eingesetzt werden. Deshalb sollte eine Faustregel beim Konzipieren einer Agile-Coach-Ausbildung lauten: 20 Prozent Technik/Methodik und rund 80 Prozent Haltung. Denn den Mindset, der zu einer agilen Haltung führt, muss auch verinnerlicht werden.

Agile Coaches sind letztlich Multiplikatoren. Also lautet die zentrale Frage: Was multiplizieren sie? Nur Methoden-Know-how oder auch die für ein agiles Arbeiten nötige Einstellung und Haltung? Die Antwort hängt, außer von der Auswahl der künftigen Coaches, auch vom Konzept ihrer Ausbildung ab.

Die Auswahl der Kandidaten ist schwer

Zwei Beispiele: Angenommen Sie wählen als Verantwortlicher einen Mitarbeiter aus, der in der Scrum-Methodik schon fit ist und als Product Owner oder Scrum Master bereits erfolgreich in Ihrer Organisation arbeitet. Dann heißt dies nicht zwingend, dass er die Grundvoraussetzungen für einen Agile Coach erfüllt. Denn Scrum ist nur eine von vielen Methoden in der agilen Arbeitswelt und der Nutzen jeder Methode hängt auch davon ab, mit welchem Geist sie angewendet wird.

Angenommen nun Sie denken, ein bereits ausgebildeter Coach sei die richtige Wahl. Dann stellt sich die Frage: Steht seiner Entwicklung zum Agile Coach möglicherweise das verinnerlichte Credo vieler Coaches im Weg, dass das Gegenüber stets die Lösung in sich selbst finden muss? Die Praxis zeigt oft: Ja. Denn Agile Coaches müssen bei ihrer Arbeit eine große Rollenflexibilität zeigen. Mal stehen sie vor der Herausforderung, Mitarbeiter oder Kollegen zu coachen, mal gilt es jedoch auch zu beraten und nicht selten auch aktiv mitzugestalten. Zudem sind sie oft Sparringspartner für das Management, wenn es darum geht, wie die gewünschte Entwicklung vorangetrieben werden kann. Deshalb brauchen sie, neben „Macher-Qualitäten“, auch Rückgrat und ein gewisses Standing in der Organisation, sonst erleiden sie schnell Schiffbruch.

Vorab ein Anforderungsprofil definieren

Also sollten sich Unternehmen, bevor sie die Teilnehmer für eine Agile-Coach-Ausbildung benennen, intensiv mit der Frage befassen, welche Kompetenzen und vor allem welchen Mindset ein Kandidat braucht, um künftig die Rolle als Agile Coach erfolgreich auszuüben. Die Praxis zeigt, dass hierfür unter anderem folgende Kompetenzen beziehungsweise Fähigkeiten wichtig sind:

  • beziehungsgestaltende Kompetenzen (z.B. ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten inkl. der Fähigkeit, Konflikte konstruktiv zu gestalten; Team- und Kooperationsfähigkeit, ein Agile Leadership-Verständnis)
  • kognitive und (selbst-/emotions-) regulatorische Fähigkeiten (u.a. geistige Wendigkeit, Ambiguitäts- und Frustrationstoleranz)
  • Fähigkeit zur Selbststeuerung (z.B. das eigene Verhalten beobachten, differenziert bewerten und nachjustieren können)

Diese Fähigkeiten bzw. Kompetenzen erleichtern es in der Praxis unter anderem Mehrdeutigkeiten souverän zu begegnen, Veränderungen offen anzugehen und sich schnell in einen flüchtigen Rahmen einzufinden, der durch wechselnde Rollen statt durch starre (hierarchische) Strukturen geprägt ist.

Grundsätzlich können sich alle Mitarbeiter und Führungskräfte auf die „Agile Reise“ begeben. Wichtig ist es jedoch, den Start- beziehungsweise Ausgangspunkt der Reise der potenziellen Teilnehmer zu kennen – um ihre Entwicklung bedarfs- und zielorientiert fördern zu können.

Aufbruch zu einer mehrstufigen Reise

Für die Auswahl der Reise-Teilnehmer empfiehlt sich ein offener „Agile Awareness Workshop“. Er dient dazu, ein Grundverständnis dafür zu schaffen, was agile Transformation bedeutet, welche Dimensionen dieser (Change-)Prozess berührt und was die Aufgaben und Rollen eines Agile Coaches im Unternehmensalltag sind.

Dabei lautet ein, wenn nicht gar das zentrale Ziel: Bei den potenziellen Ausbildungsteilnehmern soll ein klares Bild entstehen, ob sie sich überhaupt auf die Reise in die Welt der Agile Coaches begeben möchten. Am Ende des Workshops sollten alle Teilnehmer für sich entscheiden können:

  • „Ja, ich will ein Agile Coach werden“ oder
  • „Ich kann in einer anderen Funktion mehr zum Steigern der Agilität unserer Organisation beitragen“.

Die Ausbildung zum Agile Coach selbst sollte modular aufgebaut sein und sich über einen längeren Zeitraum, zum Beispiel sechs oder neun Monate, erstrecken, damit die nötige Einstellung und Haltung reifen können. Zudem sollte in der Ausbildung neben der Methodenvermittlung stets auch das Thema Selbstreflexion und Reflexion der gemachten Erfahrungen eine wichtige Rolle spielen. Denn nur so entwickeln sich die Coaches weiter, und es entsteht allmählich die Haltung und Verhaltenssicherheit, die sie in ihrem Arbeitsalltag brauchen.


Gast-Autoren

„Agile Coaches auswählen und ausbilden | Praxisnahe Tipps“

Katja von Bergen arbeitet als Unternehmens- und Managementberaterin für die international agierende Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de), die u.a. Agile Coaches ausbildet. Die Betriebswirtin ist auf die Themenfelder agile Transformation sowie Unternehmensentwicklung spezialisiert.

Lars-O. Böckmann studierte Betriebswirtschaftslehre sowie Arbeits- und Organisationspsychologie. Er arbeitet ebenfalls als Unternehmens- und Managementberater für Dr. Kraus & Partner. Als HR-Experte mit langjähriger Führungserfahrung (Konzern und Mittelstand) liegt sein Fokus vor allem im Bereich HR und HR-Development.

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