Ein Jahr lang liegt nun der Fokus schon auf KI. Zahlreiche Diskussionen in der österreichischen HR-Community bei HR-Konferenzen, dem Work Smart Circle und in unzähligen Gesprächen haben uns dazu gebracht, zusammenzutragen, was uns besonders im Gedächtnis geblieben ist.
Autorinnen: Steffi Bärmann und Sonja Strohmer
Eines gleich vorweg: es gibt (noch) keine Lösungen und Best Practices. Wir befinden uns gerade auf einem Weg, noch relativ am Anfang, wir teilen Erfahrungen und diskutieren Ambivalenzen.
Bem Thema ‚KI‘ denken HR-Fachleute glücklicherweise nicht nur an die richtige Toolauswahl, sondern an ihre Verantwortung im Bereich Personal- und Organisationsentwicklung. Und an die Begleitung einschneidender Veränderungen.
Diese 5 Themen und Entwicklungen wurden besonders leidenschaftlich und mitunter kontrovers in der HR-Szene diskutiert:
1. KI wird uns unterstützen und nicht ersetzen
Eine emotional aufgeladene Diskussion, schließlich geht es hier ums Eingemachte. Zwei konträre Positionen dominieren die Diskussion.
Fraktion „Don’t worry“
KI bedroht unsere Jobs nicht, wir werden empowert und entlastet. Ob dahinter Überzeugung oder Wunschdenken steht, bleibt unklar. Vermeintliche Jobgarantien auszusprechen ist gewagt und wirkt für viele wenig vertrauensbildend. Vermutlich soll signalisiert werden, dass die KI-Einführung in der Organisation nicht mit unmittelbaren Stellenabbau-Zielen verknüpft wird und die Intention tatsächlich Empowerment und Entlastung ist.
Fraktion „Effizienz und Kostensenkung“
Sie vertritt offensiv die Gegenbotschaft: KI führen wir zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung ein – und ja, wir werden Personal abbauen. Diese Stimmen hören wir selten öffentlich oder in Workshops, sondern vor allem durch Berichte von Mitarbeitenden zur erlebten internen Kommunikation.
Die Realität
Niemand weiß, wie Arbeitsmarkt und Jobs in drei Jahren aussehen werden – sollen wir so tun als ob? Beruhigt das wirklich? Wozu CEOs und HR-Executives ganz genau Auskunft geben können, ist ihr Intention und Haltung, mit der sie KI-Integration vorantreiben. Daraus entsteht ein authentisches KI-Narrativ, gekoppelt mit Ehrlichkeit darüber, was wir alle nicht wissen, was kommt und hoffentlich dem Willen, die Belegschaft so gut wie möglich bei dieser Transformation und bei ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen.
2. KI: Reskilling und Deskilling
Der KI-Einsatz bringt zwei verschiedene Dynamiken mit sich, die das Lernen betreffen. Zum einen das Re-und Upskilling und zum anderen das Deskilling.
Reskilling
Sich mit KI im Beruf auseinanderzusetzen, scheint mittlerweile zum guten Ton zu gehören. Aus den Diskussionen ist deutlich geworden, dass entsprechende Weiterbildungen bis zu einem gewissen Grad seitens der Organisationen gefördert werden und auch angeboten werden müssen, um rechtlich abgesichert zu sein (EU-AI Act). Ein eher nicht nachvollziehbarer Umfang an Lernen findet jedoch auf Eigeninitiative, zum Teil im privaten Raum und in der Regel zusätzlich zur eigentlichen Arbeit statt.
Strategisch gedacht geht es in einigen Bereichen auch darum, sich beruflich umzuorientieren. KI wird unsere Tätigkeiten bis hin zu Berufsbildern verändern und hier ist – entweder unterstützt durch eine Personalentwicklungsstrategie in der Organisation oder aus eigenem Antrieb heraus – entgegenzuwirken, derzeit in den meisten Fällen jedoch „on Top“! Als wäre es immer noch ein Nice-to-have-Thema.
Deskilling
Nicht zu vernachlässigen sind dabei die eigentlichen fachlichen Skills, die es ebenfalls zu schulen und nicht zu verlernen gilt. Wenn wir eine KI verwenden, um z.B. Bilanzen zu erstellen, braucht es Menschen, die kontrollieren können, ob diese Bilanzen richtig sind. Wenn sie jedoch zuvor keine Bilanzen mehr eigenständig erstellt haben, werden diese Fähigkeiten verlernt. Es wird daher notwendig sein, fachliche Kompetenzen zu trainieren und zu erhalten.
Ebenfalls zu fördern und nicht zu verlernen sind soziale Fähigkeiten, „Powerskills“, die die KI uns nicht abnehmen kann. Beispielsweise sind Führungskräfte weiterhin angehalten Mitarbeitergespräche zu führen, Feedback und Leistungsbeurteilungen zu besprechen. KI-Tools können hier bei der Vorbereitung unterstützen, die Durchführung obliegt dem Menschen.
3. Es gibt auch noch andere Themen außer KI!
Viele HR-Führungskräfte sind sichtlich genervt vom KI-Thema. Nicht, dass sie sich verschließen oder das Thema grundsätzlich ablehnen – aber es formiert sich spürbarer Frust, dass andere wichtige Themen zu kurz kommen. Die Flut an KI-Webinaren und Trainingsformaten, die starke Dominanz bei HR-Veranstaltungen hinterlässt Spuren. Verstärkt wird dieser Frust wohl häufig durch zu wenig Zeit für die eigene praktische Auseinandersetzung, der gefühlte enorme Lerndruck und die große Kluft zwischen der Themendominanz und der tatsächlichen Umsetzung im eigenen Unternehmensalltag.
Eine häufige Frage im Austausch mit HR, in der wohl die Hoffnung mitschwingt, dass man nicht wirklich hinterherhinkt: „Wer macht denn wirklich umfangreich etwas mit KI? Das sind doch die wenigsten, oder?“
4. Weniger Jobs für Berufseinsteigende durch KI: Ein strukturelles Problem
Große Aufmerksamkeit erhält aktuell die neue Stanford Studie „Canaries in the Coal Mine? Six Facts about the Recent Employment Effects of Artificial Intelligence“, wonach seit der breiten Einführung generativer KI die Beschäftigung von Berufseinsteigenden (22-25 Jahre) in KI-exponierten Berufen um 13 Prozent zurückgegangen ist. Diese Entwicklung ähnelt der Diskussion um die sinkende Investitionsbereitschaft in die Lehrlingsausbildung, die wir bereits länger kennen. Große Einigkeit herrscht in der HR-Szene darüber, dass wir uns massive Probleme einhandeln, wenn wir diese Entwicklung ungesteuert mittragen. Strategien zum Gegensteuern scheinen jedoch rar. Das Interesse und die Energie, Lösungsansätze zu entwickeln, sind allerdings deutlich spürbar. Und zwar gemeinsam – noch besser!
5. Vertrauen in KI?
Was ist überhaupt Vertrauen? Sollten wir einer Maschine genauso vertrauen, wie einem Menschen? Letztendlich wird KI gerne mit menschlichen Attributen belegt und wenn wir davon ausgehen, dass ein Mensch ein Bias haben kann, dann müssen wir das einer KI wohl auch zugestehen – oder nicht?
Die Diskussion über Vertrauen wird geprägt von Erwartungen an KI, die nicht wirklich erfüllt werden können und daher von vornherein enttäuscht werden. Dazu gehören Erwartungen oder Hoffnungen wie eben auch, dass KI-Ergebnisse fair sein können, dass KI besser sein kann und unsere menschlichen Schwächen ausmerzen kann. Mittlerweile ist jedoch klar, dass KI-Systeme nur so gut arbeiten, wie die Daten und die Befehle, die ihr von Menschen gegeben wurden – und das Ergebnisse ständig kontrolliert werden sollten.
Es braucht also menschliche Fähigkeiten, vom Menschen getroffene Vereinbarungen für einen Umgang, diese möglichst im Sinne, zum Schutz und zur Förderung der Menschen. Damit sind wir beim Menschen angelangt: Vertrauen Sie den Menschen „hinter der KI“?
Blick nach vorn
Was kommt jetzt? Wir werden weiter diskutieren und mitgestalten. Seien auch Sie neugierig und halten Sie Ausschau:
- Nach HR Use Cases, die einen Mehrwert bringen und langfristig Sinn machen, sowohl für das Unternehmen als auch für die Mitarbeitenden.
- nach (Best) Practices, wie HR-KI-Tools & -Systeme getestet werden können, damit sie sicher sind und Fairness unterstützen
- nach (Best) Practices für vereinbarte KI Policies und KI Zielbilder mit dem Betriebsrat, mit Mitarbeitenden, sollte es keinen Betriebsrat geben
- nach Menschen und ihren Umgangsstrategien
- nach …
HR im KI-Fieber | Was die Community wirklich bewegt
Gast-Autorinnen
Steffi Bärmann, FHWien der WKW, forscht zum Thema Vertrauen in Künstliche Intelligenz in der Personalentwicklung
Sonja Strohmer ist die Gründerin des Unternehmensnetzwerks Work Smart Circle. Die Community stärkt Unternehmen im Rahmen des Peer-Learning-Schwerpunkts „KI und der Wandel in Organisationen“ auf der Reise zur KI-Organisation beim Faktor Mensch, Change und Skills.