Fachkräfte aus Ländern wie Brasilien, Indonesien oder den Philippinen werden zur Zukunftslösung für Österreichs Fachkräftemangel. Weshalb internationales Recruiting gerade dort Sinn macht, erklärt Margit Kreuzhuber im Interview.
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Auch wenn die Lage am Arbeitsmarkt aktuell angespannt ist, gibt es viele Branchen, in denen der Bedarf an qualifizierten Fachkräften nicht ausreichend gedeckt werden kann. Mit der Suche nach passenden Arbeitskräften im Ausland kann dem entgegengewirkt werden. Margit Kreuzhuber, Leiterin des Geschäftsbereichs WORK in AUSTRIA der Austrian Business Agency (ABA), im Interview über internationales Recruiting, wie Unternehmen dabei unterstützt werden und woher internationale Fachkräfte in Zukunft kommen.
Interview-Partner
Margit Kreuzhuber leitet seit 2021 den Geschäftsbereich WORK in AUSTRIA der Austrian Business Agency (ABA). Sie hat mehr als 15 Jahre Expertise in der Arbeitsmigration, Fachkräftesicherung und Arbeitsmarktpolitik. Zuvor war sie stellvertretende Leiterin der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit in der WKO. Sie studierte Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der JKU Linz und der Universidad Pablo de Olavide, Sevilla.
Für Informationen zu WORK in AUSTRIA und den Services: www.workinaustria.com
Rahmenbedingungen
In welchen Branchen sehen Sie aktuell den größten Bedarf an internationalen Fachkräften? Weshalb gerade dort?
Wir sind in der paradoxen Situation, dass wir trotz steigender Arbeitslosigkeit weiterhin ein massives Problem mit dem Fachkräftemangel haben. Laut dem gerade veröffentlichten EY Mittelstandsbarometer zählt der Fachkräftemangel auch aktuell zu den größten Gefahren für Unternehmen, gleich hinter der Inflation und noch vor wirtschaftlichem Abschwung und hohen Energiepreisen.
Spätestens wenn sich die Wirtschaftslage verbessert, werden wir den Fachkräftemangel noch massiver spüren. Da häufig Fachkräfte mit bestimmter Qualifikation gesucht werden, die in Österreich nicht ausreichend zu finden sind, ist das internationale Recruiting eine Möglichkeit, um den Bedarf im Unternehmen zu decken. Vor allem im IT-Sektor, bei vielen technischen Berufen, in der Pflege und auch im Bereich Life Sciences gehen wir längerfristig von einem großen Bedarf an Fachkräften aus.
Welche Rolle spielen internationale Rekrutierungsstrategien bei der Besetzung von offenen Stellen?
Um offene Stellen mit geeigneten Fachkräften zu besetzen, wird neben einem verstärkten Personalmarketing und Maßnahmen im Bereich Reskilling und Upskilling die Rekrutierung internationaler Fachkräfte immer wichtiger. Während Österreich traditionell viele Fachkräfte aus Deutschland und Ost- bzw. Südosteuropa angezogen hat, sehen wir künftig insbesondere in Brasilien, Indonesien und den Philippinen großes Potenzial.
Brasilien, Indonesien & Philippinen
Weshalb sind Länder wie Brasilien, Indonesien und die Philippinen aktuell so attraktiv für internationales Rekrutierung von Fachkräften?
In der Vergangenheit lag der Fokus bei der Suche sehr stark auf Europa. Nachdem die demografische Entwicklung in ganz Europa eine zunehmende Herausforderung darstellt, müssen wir unseren Suchradius erweitern.
Brasilien, die Philippinen und Indonesien sind dabei für uns besonders interessant. Sie weisen eine große, stark wachsende und vergleichsweise junge Bevölkerung auf und verfügen über gut ausgebildete Fachkräfte.
- Brasilien hat mit einer Bevölkerung von 214 Millionen sehr viele junge, gut ausgebildete Menschen im IT-Bereich, die auch überaus mobilitätsbereit sind.
- Die Philippinen sind vor allem für ihr hervorragendes Krankenpflegepersonal bekannt, sie bieten aber auch im Bereich IT, Technik und Life Sciences ein großes Potenzial.
- In Indonesien gibt es Ausbildungseinrichtungen, die nach österreichischen Standards ausbilden.
Der Weg nach Österreich
Welche Hürden begegnen internationalen Fachkräften auf ihrem Weg nach Österreich?
Eine Grundvoraussetzung um die Rot-Weiß-Rot-Karte beantragen zu können, ist ein Jobangebot eines Arbeitgebers in Österreich. Hier unterstützen wir mit unserem “Talent Hub”, einer Matchingplattform, die internationale Fachkräfte und Arbeitgeber in Österreich miteinander vernetzt. Wir haben gesehen, dass das Erfordernis von Deutschkenntnissen vielfach eine Hürde darstellt. Daher kommunizieren wir in unseren Fokusländern aktiv, dass ein gewisses Maß an Deutschkenntnissen die Karrierechancen in Österreich deutlich steigern kann. Gleichzeitig können auch Unternehmen durch flexiblere Anforderungen an Deutschkenntnissen ihren Pool an geeigneten Kandidaten deutlich vergrößern.
Welche Schritte hat der Staat Österreich unternommen, um das internationale Recruiting in diesen Ländern zu erleichtern?
Österreich hat mit den Philippinen und mit Indonesien seit mehr als zwei Jahren Fachkräfteabkommen abgeschlossen. Mit Brasilien wurde ganz aktuell Ende November ein bilaterales Abkommen zu Fachkräften unterzeichnet. Besonders relevant ist das Sozialversicherungsabkommen mit Brasilien, das 2026 in Kraft treten und die Mobilität zwischen Österreich und Brasilien fördern wird.
Welche Vorteile bringt das Sozialversicherungsabkommen mit Brasilien für österreichische Unternehmen?
Es reduziert die Kosten sowie den bürokratischen Aufwand für brasilianische Fachkräfte, die eine Beschäftigung in Österreich aufnehmen – und umgekehrt. Das Sozialversicherungsabkommen stärkt die Pensionssicherheit für Brasilianer, die in Österreich arbeiten, was eine Anstellung in unserem Land zusätzlich attraktiv macht. Brasilianische Arbeitskräfte können dadurch z.B. ihre Versicherungszeiten aus Brasilien und Österreich zusammenrechnen, um die Voraussetzungen für Pensionsansprüche zu erfüllen.
Kostenlose Unterstützung durch die ABA
Wie unterstützt die ABA mit „WORK in AUSTRIA“ ganz konkret Unternehmen bei der internationalen Fachkräftesuche?
Die Austrian Business Agency (ABA) unterstützt mit WORK in AUSTRIA sowohl österreichische Arbeitgeber bei der Suche nach Fachkräften im Ausland als auch internationale Fachkräfte auf ihrem Weg nach Österreich mit kostenlosen Services aus einer Hand. Unternehmen können offene Stellen auf unserem Talent Hub unter jobs.workinaustria.com inserieren.
Wir bewerben den Talent Hub international und präsentieren die offenen Stellen auch bei internationalen Karriere-Events. Der Radius der Suche wird damit deutlich vergrößert. Gibt es einen Match zwischen Arbeitgeber und Fachkraft, so unterstützen wir beide Seiten im Zuwanderungsverfahren, etwa bei der Beantragung der Rot-Weiß-Rot-Karte.
International Recruting: Next Steps
Was sollten österreichische Unternehmen jetzt tun, wenn sie internationale Talente für sich gewinnen möchten?
Wir empfehlen Unternehmen, die offenen Stellen auf unserem Talent Hub zu veröffentlichen bzw. dort einen Suchagenten zu aktivieren: damit werden sie automatisch über geeignete Fachkräfte informiert und können mit ihnen in Kontakt treten.
Wichtig wäre auch zu klären, welche Anforderungen an Sprachkenntnisse gelegt werden und ob man im Bedarfsfall die internationale Fachkraft in Österreich beim Erwerb von Deutschkenntnissen unterstützen kann.
Es gibt leider nach wie vor zum Teil große Skepsis in Zusammenhang mit dem Zuwanderungsverfahren. Hier können wir Entwarnung geben: die Rot-Weiß-Rot-Karte ist deutlich besser als ihr Ruf und sowohl Unternehmen als auch internationale Fachkräfte und ihre Familien können auf unsere kostenlose Unterstützung setzen.
Wie sehen Sie die Entwicklung in den nächsten 5 Jahren? Wird internationale Fachkräftesicherung zur Norm?
Aufgrund der demografischen Entwicklung verschärft sich der Fachkräftemangel künftig deutlich. Das Potenzial im Inland geht zurück, wodurch der Bedarf an internationalen Fachkräften steigt. Unternehmen, die sich frühzeitig mit international Recruiting befassen, haben daher jedenfalls einen Vorteil.
International Recruiting: Fachkräfte für Österreich | Weshalb, woher und wie?

