Sozialministerin Korinna Schumann appelliert an die Unternehmen bzgl. Longevity: Menschen länger in Beschäftigung halten. Sehr guter Punkt. Der Haken:
Österreich hat bei der Beschäftigungsquote der 55-64-Jährigen nur 60%. Den niedrigsten Wert in der gesamten EU.
- Und was bedeutet das bei folgender Aussicht:
- Die Weltbevölkerung altert stärker als je zuvor.
- Zum ersten Mal in der Geschichte werden ältere Menschen die Bevölkerung dominieren.
- 2100 werden dreimal so viele Menschen 80 Jahre alt sein wie Einjährige.
- Europa ist bereits 2025 eine der ältesten Bevölkerungen weltweit.
Das Thema kocht langsam hoch.
Der mathematische Hintergrund
Der Support Ratio zeigt, warum das kritisch ist: In Europa sinkt er von heute 4:1 auf 2:1 im Jahr 2050 (Quelle: UN DESA, World Population Prospects 2024). Das bedeutet: Ein Pensionist wird bald von nur zwei Erwerbstätigen finanziert statt von vier.
Die mathematische Realität: Wenn wir Menschen mit 50, 55 oder 60 Jahren aus dem Arbeitsmarkt nehmen, aber dann bis 80 oder 90 leben, funktioniert das System nicht.
Ja, wissen wir, oder?
Politik fordert, Unternehmen zögern, Menschen wissen nicht, was gewünscht ist
Aber haben Unternehmen aktuell überhaupt Zeit und Nerven, wie sie Attraktivität für längere Beschäftigung schaffen, wenn die Struktur des Arbeitsmarktes bis hierhin gar nicht dafür ausgerichtet war?
Und vor allem: wenn gleichzeitig ganz andere Unsicherheiten und Herausforderungen einwirken: KI-Disruption, Technologiewandel, wirtschaftliche Volatilität. Es ist ein perfekter Sturm aus mehreren Krisen gleichzeitig. Und in diesem Moment sollen Unternehmen auch noch auf Langlebigkeit umstellen?
Das ist die unbequeme Realität. Und genau deshalb ist Jetzt der richtige Moment.
Die Struktur ist nach wie vor meist linear: Aufstieg bis 40, dann Plateau oder Ausstieg. Pensionsantritt mit 65, während die statistische Lebenserwartung kontinuierlich steigt. Karrierearchitekturen, die für „junge, dynamische Talente“ optimiert sind. Kulturen, die implizit sagen: „Ab 55+ bist du in der falschen Liga.“
Das Ergebnis: Niemand weiß wirklich, was gewünscht ist. Nicht die Politik. Nicht die Unternehmen. Und nicht die Menschen selbst.
Was Unternehmen wirklich brauchen:
Nicht Quoten, sondern Umgestaltung
Das bedeutet hinsichtlich Longevity konkret:
Weg von linearen Karrierewegen.
Nicht „Aufstieg bis 40, dann raus“, sondern: Flexible, alterlose WorkLife-Cycle-Modelle. Menschen in verschiedenen Lebensphasen haben unterschiedliche Bedürfnisse. Aber diese korrelieren nicht mit dem Alter. Ein 55-Jähriger könnte Expertise-Rollen wollen statt Hierarchie. Eine 30-Jährige könnte Teilzeit brauchen. Ein 65-Jähriger könnte Projektarbeit statt Full-Time-Anstellung bevorzugen.
Weg von „Teurer = weniger wert“.
Die 55-Jährige mit 30 Jahren Erfahrung ist teurer, ja. Aber sie bringt Kontextwissen, Urteilsvermögen und Systemverständnis, das Maschinen nicht ersetzen können. Das ist nicht kostengünstiger, es ist wertvoll. Unternehmen müssen lernen, diesen Wert anders zu kalkulieren.
Weg vom Jugend-Optimierungswahn.
Agilität, KPIs, Schnelligkeit, Innovation: optimiert für 30-Jährige. Das ist wichtig. Aber nicht allein ausreichend. Unternehmen, die bis 2050 erfolgreich sein wollen, müssen Systeme bauen, die für Menschen von 20 bis 70 funktionieren.
Die gute Nachricht: Langlebigkeit ist nicht nur ein HR-Thema
Produktentwicklung muss umdenken.
Wenn ältere Menschen die dominante Bevölkerungsgruppe werden, verändern sich Bedürfnisse, Präferenzen, Kaufverhalten. Grundlegend.
Marketing muss ehrlich werden.
Der Markt altert. Das bedeutet nicht „Alte in Werbung zeigen“. Es bedeutet: Zielgruppen grundlegend neu denken.
Organisation & Kultur müssen hinsichtlich Longevity neu gestaltet werden.
Nicht nur Karrierewege, sondern die gesamte Rollenstruktur. Was bedeutet „Senior“ wirklich? Was bedeutet „Junior“? Diese Kategorien lösen sich auf – oder müssen neu definiert werden.
Gesellschaft insgesamt transformiert sich.
Zum ersten Mal in der Geschichte dominieren ältere Menschen. Das ist nicht nur eine demografische Statistik. Das ist eine kulturelle Verschiebung. Eine „Silver Society“, in der älter sein bedeutet, dass die meisten Menschen älter sind. Das ändert alles: Normen, Erwartungen, Möglichkeiten.
Das ist nicht ein Arbeitsmarkt-Projekt. Das ist eine strategische Neuausrichtung auf allen Ebenen.
Die operative Frage
„Wie bauen wir einen Arbeitsmarkt, in dem Arbeit bis 70 attraktiv ist – nicht nur notwendig?“
Das erfordert Transformation. Von starren zu fluiden Arbeitsmodellen. Von hierarchisch zu expertise-basiert. Auch von linear zu zyklisch. Von „Jung ist besser“ zu „Vielfalt ist erforderlich“.
NewWork am Prüfstand.
Aber … – wer soll das machen? Die Babyboomer können sich zurücklehnen? Das geht ja eh nur die nächsten Generationen an?
Das ist das falsche Denken. Warten Sie nicht darauf, dass Politik oder Consultants ein Konzept anbieten. Übernehmen Sie die Zuständigkeit.
Starten Sie jetzt.
Starten Sie einfach.
Das bedeutet konkret
Gründen Sie Peergroups aus allen Generationen in Ihrem Unternehmen, oder binden Sie den Aspekt Longevity in jedes Projekt ein. Zusammen erarbeiten Sie, was für Ihren Markt, Ihre Kultur, Ihre Struktur, Ihre Zielgruppe funktioniert.
Das ist verteilte Intelligenz. Gestalten statt Warten.
Legen Sie den Schalter einfach selber um.
Longevity-Disruption & Arbeitsmarkt | Wo ist der Schalter, Menschen länger im Berufleben zu halten?
Gast-Autorin: Longevity
Susanne Stuppacher, Gründerin von The Silverpreneur: ein Mix aus Unternehmensberatung & Werbeagentur, der Alter als Disruption begreift.
Wir sammeln praktische Lösungen, machen sie sichtbar und bieten Hilfe zur Selbsthilfe für Unternehmen, die erkennen: Langlebigkeit ist Realität – und Chance.


