Was treibt Mitarbeitende wirklich an, wenn sie von Workation träumen? Ist es das Bild von Laptop am Strand oder steckt ein ernsthafter, gelebter Wunsch nach einem neuen Arbeits‑ und Lebensgefühl dahinter?
Für HR‑Verantwortliche lohnt genau dieser Blick: Hier geht es nicht um ein Randphänomen, sondern um eine Kulturverschiebung, die Mitarbeitende, Teams und Unternehmen gleichermaßen herausfordert und inspiriert.
Der Workation‑Impulseffekt
Mehr als nur ein Buzzword
Workation ist sprachlich ein Kulturbereicherer: eine Wortschöpfung zwischen Work und Vacation, die längst mehr ist als Spielerei: sie steht für das Bedürfnis, Arbeit und Lebenswelt neu zu verbinden. Formal beschreibt der Begriff das Arbeiten an einem anderen, oft „fernen“ Ort mit touristischem Flair, also jenseits von Büro und klassischem Homeoffice.
Was früher exotisch klang, ist heute ein greifbarer Wunsch vieler Mitarbeitender. Studien (konkret von Deloitte) zeigen, dass Beschäftigte zunehmend auf Flexibilität setzen. In Österreich wünschen sich 91 % der Arbeitnehmenden flexible Arbeitsbedingungen. Nicht nur im Sinne von flexibler Zeit, sondern vor allem im Ort, an dem Arbeit stattfindet.
Und die Realität? Sie ist noch lange nicht überall angekommen: In einer Deloitte‑Studie geben rund 50 % der Mitarbeitenden an, keine Erlaubnis zu haben, aus dem Ausland zu arbeiten, sie es aber gern tun würden. Ein klares Indiz dafür, dass der Wunsch weit über aktuelle Unternehmensrealitäten hinausgeht.
Wobei ich nicht davon ausgehe, dass tatsächlich 50 % der Arbeitnehmenden Workation in Anspruch nehmen würden, wenn sie es könnten oder dürften. Denn das Arbeiten während des Urlaubs, ist eine Kunst, die nicht nur Vorteile mit sich bringt. Und Urlaub sollte auch deutlich der Ort sein, an dem man endlich mal abschalten darf. Vor allem als Angestellte.
Doch selbst wenn es nicht 50 % sind, die es tatsächlich in Anspruch nehmen würden, so sind es … vielleicht 20 %. Die Tendenz ist aus meiner Sicht in den nächsten Jahren stark steigend.
Workation‑Motivation
Freiheit, Balance, Sinn. Und ein bisschen Fernweh
Ein existenzieller Wunsch nach Autonomie
Workation ist nicht nur ein Coolness‑Kriterium für den Lebenslauf. Sie ist Ausdruck einer tief verwurzelten Sehnsucht nach Autonomie und Selbstbestimmung im Arbeitsleben. Mitarbeitende möchten selbst entscheiden, wo und wie sie arbeiten.
Eine wissenschaftliche Analyse zeigt, dass die Attraktivität von Workation stark davon abhängt, wie Individuen die Grenzen zwischen Arbeits‑ und Privatleben managen möchten. Menschen, die bewusst eine moderate Durchmischung dieser Lebensbereiche schätzen, sind gegenüber Workation deutlich aufgeschlossener.
Workation und Wohlbefinden
Tatsächlich zeigt sich in qualitativen Studien, dass Menschen, die Workation in Anspruch nahmen, ihre Jobzufriedenheit und Motivation steigern. Nicht ausschließlich durch den Tapetenwechsel, sondern durch die Kombination von persönlicher Freiheit und produktiver Arbeit. Eine österreichische Studie unter Führungskräften dokumentiert, dass der häufigste Grund für Workation ist, Energie zu tanken und gleichzeitig produktiv zu bleiben. Mit positiven Effekten auf Zufriedenheit und Work‑Life‑Balance.
Dauer
Kein One‑Night‑Stand, sondern geplante Aufenthalte
Wenn Workation als Trend ernstgenommen wird, stellt sich die Frage: Wie lange sollte sie dauern?
Die Forschung liefert zwei fallweise Einblicke:
- Kurz und konzentriert: In der österreichischen Studie bleiben die meisten Führungskräfte für weniger als eine Woche auf Workation. Das zeigt, dass viele Workation als kurze, gezielte Energie‑ und Inspirationsauszeiten verstehen. Nicht als Sabbatical‑Ersatz.
- Mehrwöchige Aufenthalte: Andere Studien, etwa im europäischen Kontext, betrachten die Dauer von Workation im Bereich von mehreren Wochen, oft flankiert von klassischen Urlaubszeiten. Diese Kombination von Urlaub und Arbeit spiegelt einen Trend wider, der über das bloße „Wochenende am Meer plus Laptop“ hinausgeht.
Das heißt: Workation kann, je nach Persönlichkeit und Aufgaben, zwischen 5 Tagen und mehreren Wochen liegen, und Mitarbeitende denken häufig in Verbindung mit klassischen Urlaubseinheiten.
Workation trifft Urlaub
Eine Symbiose für die Zukunft
Ein elegantes Modell, das sich in Konzeption und Praxis immer mehr durchsetzt, ist – wie bereits oben erwähnt – die Verzahnung von Urlaub und Workation. Die Idee:
- zwei Wochen klassischer Urlaub für Erholung pur
- anschließend zwei Wochen Workation, produktiv, inspiriert, und immer noch im Urlaubsrhythmus.
Solche Modelle dienen nicht nur dem individuellen Erholungsbedürfnis, sondern sind auch aus organisationaler Sicht klug: Sie verhindern, dass Workation in Erschöpfung oder Überarbeitung kippt, und schaffen einen strukturierten Rahmen, in dem Mitarbeitende bewusst zwischen Erholung und inspiriertem Arbeiten wechseln.
Ob das Arbeiten neben Freizeit-Touristen ausschließlich erstrebenswert ist, ist wohl individuell unterschiedlich. Sinnvoll ist es sicherlich, zB die Sommerferien der Kinder besser überbrücken zu können. Beispielsweise während die Kinder lustig im Pool planschen, kann es absolut attraktiv sein auf dem schattigen Balkon zu arbeiten. Das funktioniert sicher super, solange es das Selbständigkeits-Level der Kinder und die eigene Disziplin es zulassen.
Destinationen
Nicht nur Pinterest‑Posts, sondern Infrastruktur zählt
Wenn Mitarbeitende über Workation reden, dann nicht nur über das Meer, sondern über Infrastruktur, Atmosphäre und Inspiration. Eine aktuelle europäische Studie hat 20 Städte daraufhin untersucht, wie attraktiv sie als Workation‑Ziel sind. Kriterien waren u. a. Coworking‑Spaces, kostengünstiges Leben, Sicherheit, Internetgeschwindigkeit und Tourismusattraktivität.
Daraus ergeben sich vier Cluster:
- Kostenintensive Hubs mit top Infrastruktur, z.B. London
- Mittelpreisige, vielseitige Städte mit Work‑Life‑Balance, wie Barcelona oder Lissabon
- Günstigere, wachstumsstarke Standorte, z.B. Timișoara oder Rijeka
- Ruhigere, aufstrebende Zentren mit moderatem Tourismus
Dieses Raster zeigt: Workation will mehr als nur Sonne und Strand: sie braucht gute digitale Infrastruktur, Lebensqualität, Kultur und Anschluss an Communities.
Wo Wunsch auf Realität trifft
Chancen & Grenzen
So verlockend das Szenario klingt, die Realität ist noch widersprüchlich:
- Hohe Nachfrage, begrenztes Angebot: Zwar wünschen sich viele Mitarbeitende Workation, doch laut Deloitte‑Studie haben noch etwa 50 % keine Erlaubnis, aus dem Ausland zu arbeiten. Ein klares Indiz dafür, dass Unternehmen dem Trend oft hinterherhinken.
- Workation vs. Homeoffice: Klassisches Homeoffice bleibt für viele attraktiver, weil es die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit klarer setzt. Gerade Menschen, die Arbeits‑ und Privatleben stark getrennt halten wollen, bevorzugen Homeoffice deutlich stärker als Workation.
- Organisatorischer Aufwand: Die Verschiebung des Arbeitsortes ins Ausland wirft Fragen zu rechtlichen Rahmenbedingungen, Steuerrecht, Sozialversicherung und Compliance auf: Themen, die HR‑Verantwortliche ernst nehmen müssen, bevor sie Workation großflächig als Benefit anbieten.
Fazit
Workation, ein strategischer Kandidat für Employer Branding
Workation ist ein Ausdruck der Transformation von Arbeit selbst. Mitarbeitende suchen sowohl Flexibilität als auch ein Lebensmodell, das Sinn, Freiheit und Produktivität verbindet.
Für HR‑Leader bedeutet das: Wer Workation als Angebot ernst nimmt, gewinnt mehr als nur einen Trendvorteil:
- es steigert Mitarbeitenden‑Motivation
- es wird zum Argument bei der Talentgewinnung
- und es öffnet Raum für neue Formen der Zusammenarbeit und kultureller Entwicklung
Doch auch hier gilt: Struktur schlägt Spontaneität. Workation braucht klare Rahmen, transparente Policies und eine bewusst strategische Einbettung. Damit sie Mehrwert schafft für Organisation und für die Menschen, die dort arbeiten.
Workation aus Mitarbeitenden-Sicht | Sehnsucht nach Freiheit trifft strategische Erwartungen
Quellen
Quellen gesichtet am 20dez2025
- www.pwc.at/de/presse/2025/pwc-studie-zeit-statt-geld.html
- www.deloitte.com/at/de/services/consulting/research/flexible-working-studie.html
- www.phaidra.univie.ac.at/detail/o%3A2175047
- www.hrblue.com/de/workation-zwischen-wunsch-und-wirklichkeit-2024/
- www.researchgate.net/publication/387569053_Working_from_abroad_-_workation_as_a_mobility_flow_benefit

