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Ausbildungspflicht bis 18 (Österreich) | Kann eine Pflicht die Kür ersetzen?

13Jan2016
4 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Das Gesetz zur  Ausbildungspflicht bis 18 Jahre in Österreich geht jetzt in die Begutachtung. Natürlich ist es der richtige Weg, Jugendliche gut auszubilden, um zu verhindern dass sie später in der Arbeitslosigkeit oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen landen. Aber gehen wir so den richtigen Weg zu diesem Ziel?

Ausbildungspflicht (Österreich)

Seit Jahren klagt Österreichs Wirtschaft über rückläufige Bewerberzahlen und noch mehr über die unzulängliche Qualifikation der Bewerber. Offenbar ist unser Schulsystem im Moment nicht dafür geeignet, nach 9 Jahren Pflichtschule jene Fähigkeiten zu vermitteln, die in der Wirtschaft benötigt werden. Dazu kommt die immer stärker werdende Tendenz zur höheren Schulbildung in breiten Bevölkerungsschichten, Stichwort Akademisierung (um jeden Preis?). Und gleichzeitig steigt die Jugendarbeitslosigkeit an, wenn auch noch immer wesentlich moderater als in anderen Ländern. Noch sind jene Länder im Vorteil, die ein duales Ausbildungssystem praktizieren. Aber auch in diesen steigt die Sorge um Jugendliche, die nicht in den Arbeitsprozess kommen.

Um diese Jugendlichen zu integrieren wird nun also die Ausbildungspflicht bis 18 eingeführt werden. Und irgendwie kommt mir diese Lösung wieder einigermaßen „österreichisch“ vor. Nämlich deshalb, weil wir meiner Meinung nach in unserem Land viel zu oft über Pflicht und Strafe reden als über positive Motivationsfaktoren. Natürlich ist vorgesehen, dass Eltern und Jugendliche in diesem Prozess begleitet werden. Und Strafen sind erst als letzter Schritt vorgesehen, aber sie sind eben vorgesehen. Und ehrlich gesagt, wer fühlt sich allein schon durch das Wort „Pflicht“ motiviert?

Ausbildungspflicht bis 18 (Österreich): Ein anderes Mascherl, und alles wird gut

Aber zurück zum eigentlichen Kern der Thematik. Erst vor wenigen Wochen haben Arbeiterkammer und GPA eine Studie mit dem Grundtenor veröffentlicht, dass die Qualität in der Lehrlingsausbildung verbessert werden muss. Ohne jetzt auf Details dieser Studie einzugehen (das wird, nach einem Round Table mit beiden Organisationen mein Thema im Februar-Artikel für HRweb sein). Wenn die Aussagen der Studie eine wahren Kern haben, dann sehe ich nicht, wie sich das durch eine Ausbildungspflicht verbessern soll. Denn in Zukunft werden Jugendlichen verpflichtet etwas zu lernen, das sie gar nicht wollen. Vielleicht sogar, nachdem die Eltern Strafe zahlen mussten. Mit welcher Motivation werden diese Jugendlichen wohl die Lehre angehen? Wer Kinder hat, weiß was passiert wenn man sie zum Lernen zwingen muss. Ich meine damit nicht das immer notwendige mehr oder minder freundliche Erinnern dass man Mathematik nicht auf der Playstation lernen kann. Sondern wirklichen Zwang mit Strafen. Diese Kinder lernen dann zwar wiederwillig, um der Strafe zu entgehen. Aber die Ergebnisse sind im Normalfall nicht in den oberen Bereichen zu finden.

Ausbildungspflicht Österreich: Die Tücke liegt im Detail

Zwingen wir Jugendliche jetzt in eine Lehrlingsausbildung – und die wird es in den meisten Fällen ja sein, denn die für höhere Schulen Geeigneten gehen ja sowieso an die Schulen – dann ist damit zu rechnen, dass die Leistungen bei den Abschlussprüfungen noch schlechter werden. Was dann dazu führen wird, dass das Image der Lehrlingsausbildung noch schlechter wird. Und welche Chancen am Arbeitsmarkt diese Jugendlichen haben, ist wohl eher fraglich. Aber dann sind sie wenigstens keine Jugendlichen mehr und „nur noch“ in der normalen Arbeitslosenstatistik.

Und noch etwas wird nicht wirklich helfen, die Jobaussichten zu steigern, Ausbildungspflicht hin oder her: Der Großteil der von diesen Maßnahmen betroffenen Jugendlichen sind jene, die bisher in der Wirtschaft keine Lehrstellen finden. Weil eben, siehe oben, ihre Qualifikation nicht ausreicht um den heutigen Anforderungen der Berufswelt zu entsprechen. Also werden viele in Überbetrieblichen Ausbildungen landen, die wenig Praxis bieten, ergo auch wenig Berufserfahrung. Und wie deren Berufsaussichten danach sein werden, ist noch die Frage.

Es braucht die Betriebe und mehr Orientierung

Bundesminister Hundstorfer hat schon wiederholt dazu aufgerufen, dass die Ausbildungspflicht bis 18 nur gemeinsam mit den Betrieben funktionieren kann. Da hat er natürlich recht, aber positive Motivation wäre wichtig. Nachdem die Kosten für eine überbetriebliche Ausbildung ziemlich hoch, der zu erwartende Effekt aber wohl eher gering sein dürften, braucht es Motivation für Betriebe. Was wäre wenn man eine Förderung ansetzt für jeden Betrieb, der nachweislich einen Ausbildungsplatz schafft den es im Vorjahr noch nicht gegeben hat? Um die Qualität sicherzustellen wäre eine Möglichkeit die Förderung an das positive Ablegen der Lehrabschlussprüfung zu koppeln. Eine Denkvariante wäre, für jeden neu geschaffenen Ausbildungsplatz nach positiver Lehrabschlussprüfung die halbe Ausbildungsentschädigung zu erstatten. Dann wäre die Qualität überprüft, ein Jugendlicher hätte echte Berufschancen und die Wirtschaft bekommt jene Facharbeiter, die wir in den nächsten Jahren brauchen werden.

Bei Jugendlichen und Eltern braucht es einfach viel mehr Aufklärung und ein aktuelleres Bild über die Lehrlingsausbildung. Und das insbesondere in jenen Zielgruppen, die bisher nur schlecht erreicht werden. Dazu gehören die bildungsfernen Schichten und auch die Gruppen mit Migrationshintergrund. Denn Eltern, die unser duales Ausbildungssystem nicht kennen werden wohl kaum ihre Kinder dafür begeistern. Wie schon Niklas Tripolt von VBC in einem Round Table beim Fachmagazin #ausbilden sagte: „Lehrlingsausbildung muss wieder sexy werden, positioniert als ein sehr guter Einstieg ins Berufsleben.“

Die Pros und Cons von Ausbildungspflicht bis 18 (Österreich) | Kann eine Pflicht die Kür ersetzen?

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