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BGF Betriebliches Gesundheitsmanagement

Wenn Betriebliches Gesundtheismanagement funktionieren soll, kommt man – wen wundert’s – nicht umhin, es in der Unternehmenskultur zu verankern und auch in der Arbeitsplatzgestaltung sichtbar zu machen. Eine Experten-Runde erzählt mir in einem Interview über Hintergründe, Möglichkeiten und konkrete Ziele.

Interview

Gesundheit & Unternehmenskultur ist eine sehr knifflige Herausforderung, da die Kultur nur schwer & langsam verändert werden kann. Wie kann angesetzt & welches Ziel sollte verfolgt werden?

Brigitta Giselbrecht (bGesundheitsmangagement): Unternehmenskultur ist so ähnlich wie der ausgetretene Pfad in einem Wald. Sie wirkt wie ein Kraftfeld auf das Verhalten der Mitarbeiter. Wenn man neu im Unternehmen ist, weiß man schnell wo es langgeht.
Man erstellt die Unternehmenskultur wie auch die Waldwege nicht, sondern sie entwickeln sich. In regelmäßigen Zeitabständen werden die Wege gewartet bzw. neu beschildert. Regelmäßig sollte überprüft werden, ob die gelebten Werte mit den erwünschten Werten des Unternehmens oder mit den Werten eines Konzerns noch übereinstimmen. Nur eine Masse kann eine Kultur lebendig machen. Das Ziel ist, einen Einklang, einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Viele Unternehmen haben Leitbilder, Leitsätze und Verhaltenskodex, die einmal geschrieben und selten gelebt werden. Die Menschen sollten auf allen Hierarchiestufen bei der Erarbeitung solcher Wertesysteme eingebunden werden. Ansonsten kann eine Ablehnung entstehen. Je dynamischer ein Unternehmen ist und je mehr sich verändert, desto häufiger müssen diese Werte aktualisiert und an die neue Situation angepasst werden. Normalerweise ist das Wertesystem eines Menschen sehr stabil. Nicht so aber bei einem Unternehmen. Ein Unternehmen ist eine Vielfalt von Menschen. Und durch ständige Veränderungsprozesse ist es sehr dynamisch. Kultur ist nicht der Ausgangspunkt für Erfolg oder Misserfolg. Sie ist die Konsequenz.
Sollte ein Unternehmen nicht gesund sein, ist eine strukturelle Veränderung der Verhältnisse notwendig, um die Kultur gesünder zu machen. Im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements wird die Verbesserung der Verhältnisse erzielt.
Konkretes Beispiel: in einem Unternehmen herrscht eine raue Umgangsform mit wenig oder gar keiner Wertschätzung. Dann müssen die Belastungsschwerpunkte genauer (tätigkeitsgruppenspezifisch, abteilungsspezifisch, standortspezifisch oder hierarchiespezifisch) angeschaut werden. Danach wird an den Verhältnissen, Strukturen oder an den Abläufen verbessert. Vor allem die Führungskräfte müssen durch Schulung und Coaching gestärkt werden, damit sie ihrer Vorbildrolle gerecht werden und ihre Führungsrolle dem Wertesystem entsprechend verantworten können.

Mag. Ina Lukl (IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement): Wir sehen BGF nicht als Unterhaltungsprogramm für oder Besänftigung von Mitarbeitern, sondern als Chance der Organisation unter externer Begleitung endlich auch mal Herausforderungen anzupacken und zu verbinden, die gelegentlich relativ losgelöst von anderen Bereichen oder Umständen in einem Ressort „festsitzen“ und häufig nicht oder nur marginal angepackt werden. BGF darf in die Führungsebenen – soll es sogar, damit auf allen Ebenen und in allen Bereichen Sensibilisierung stattfinden und Partizipation erlebt werden kann. Und mit tatsächlich gelebter Partizipation ist eine Veränderung der Unternehmenskultur eigentlich fast vorprogrammiert. Also am besten durch alle Ebenen hindurch kommunizieren, dass wirklich etwas verändert werden soll, wie der Prozess dahingehend verlaufen wird, welche Ziele zu verfolgen sind, wie und welche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden können (und auch: welche nicht und warum). Alle Schritte möglichst transparent darlegen, ein gutes internes Team mit einer kompetenten und engagierten Projektleitung aufbauen, damit ein „Dranbleiben“ auch gegen Widerstände möglich ist. Und selbstverständlich auch kleine Erfolge und Zwischenschritte in die erwünschte Richtung feiern und kommunizieren.

Mag. Gernot Kampl, MA (IEPB): In Bezug auf psychisches Wohlbefinden zählt zur Unternehmenskultur etwa transparentes Kommunizieren oder der positive Umgang mit Misserfolg. Diese Dinge werden vielfach unterschätzt, haben aber großen Einfluss auf die psychische Gesundheit von Mitarbeitern.
Gesetzlich vorgeschriebene Evaluierungsprojekte zur Erhebung und Beurteilung psychischer Arbeitsbelastungen untersuchen deshalb immer auch gezielt das Organisationsklima eines Betriebs. Erkennen wir hier in unseren Projekten Handlungsbedarf, versuchen wir zunächst mit schnell wirksamen verhältnisbezogenen Maßnahmen gegenzusteuern. Solch eine Maßnahme kann etwa die Etablierung einer wöchentlichen Teambesprechung sein, um den Informationsfluss im Betrieb zu steigern. Um bei diesem Beispiel zu bleiben: sie erzielt schnell eine Verbesserung, ist leicht umzusetzen und sehr kostengünstig. Darüber hinaus gibt es noch einen weiteren positiven Effekt: Wirksame verhältnisbezogene Maßnahmen verbessern mittel- und langfristig ganz automatisch die Unternehmenskultur zum Besseren.

Gesunde Arbeitsplatzgestaltung in Verbindung mit BGM – was verstehen Sie ganz konkret darunter?

Mag. Renate Strommer (ASO & WiLAk): Folgen wir dem Gedanken der Salutogenese, geht es um Gesundheitsförderung und Gesundheitsentwicklung, sodass Prävention im Sinn von frühzeitigem Erkennen und Gestalten im Fokus steht.
Es stellt sich im konkreten Fall die Frage, auf welchen Gesundheitsebenen wir aktiv werden müssen. Auf der Ebene der Person richtet sich gesunde Arbeitsplatzgestaltung grundsätzlich auf das körperliche, psychische und soziale Wohl des Menschen. Dabei ist der Mensch in Bezug zu Technik, seiner Umwelt (z.B. Raum, Raumklima, Licht, Lärm), Organisationsklima, qualitative und quantitative Aspekte bei Aufgabenanforderungen und Tätigkeiten, Kommunikation, Arbeitsabläufe und soziale Unterstützung zu setzen.
Auf der organisationalen Ebene geht es um Verhaltensprävention (z.B. Rauchverbot), Verhältnisprävention (z.B. Arbeitsorganisation, Arbeitsgestaltung, …), Systemprävention (z.B. Führungsgrundsätze, Austragung sozialer Konflikte, Suchtprävention, Disability, …), Firmenkultur und Personalentwicklung.

Brigitta Giselbrecht (bGesundheitsmangagement): Gesunde Arbeitsplatzgestaltung beinhaltet die folgenden definierten Dimensionen:

  • Ein arbeitender Mensch soll langanhaltend weder unter- noch überfordert sein zB: ein dem Tätigkeitsfeld entsprechender Handlungsspielraum soll gegeben sein oder die Möglichkeit, Neues dazu zu lernen
  • klare Strukturen und Abläufe tragen ebenfalls bedeutend zu einem gesunden Arbeitsplatz bei (ua. auch dynamische Kommunikations- und Informationsstrukturen, Klarheit bei den Verantwortungen)
  • Ein förderliches Organisationsklima ist unerlässlich, damit Menschen psychisch gesund arbeiten können (wertschätzender Umgang, positive soziale Beziehungen, gute Zusammenarbeit, gegenseitige Unterstützung, die Möglichkeit, sich zu beteiligen und das Erhalten von Anerkennung und Rückmeldung von den Vorgesetzen und Kollegen bzw. die Sichtbarmachung von Erfolg und Engagement)
  • Eine behagliche Arbeitsumgebung (angenehme Licht- Lärm und Geruchsverhältnisse) sind auch wichtige Schwerpunkte bei einem gesunden Arbeiten.
  • Störungsfreie und unmittelbar vorhandene Hilfsmittel können viel Ärger und belastende Arbeitsunterbrechung am Arbeitsplatz verhindern.
  • Sitzen ist das neue Rauchen, sagt man. Es ist wichtig den Arbeitsplatz so ergonomisch wie möglich zu gestalten. Sitzen, Stehen oder ununterbrochen Gehen haben unterschiedliche Nach- und Vorteile. Ein Mix ist sicher der gesündeste Arbeitsplatz.
  • Beim Heben und Tragen ist es wichtig, dass Mitarbeiter Hilfsmittel erhalten und gut geschult sind. Heutzutage gibt es für fast alle Tätigkeiten Hilfsmittel.
  • Diese Dimensionen werden auch im Rahmen der Arbeitsplatzevaluierung der physischen und psychischen Belastungen erhoben und verbessert. Kein Arbeitsplatz ist 100% gesund, kann auch nicht sein. Ziel ist jedoch die Minimierung der objektiven Belastungen und die regelmäßige Überprüfung und Optimierung der Rahmenbedingungen.

Mag. Pia Kasa (wings4minds): Ich verstehe darunter, dass folgende Aspekte gesundheitsförderlich sind: 1. Fit zwischen Arbeitsaufgaben und Talenten ist gut 2. Die Arbeitsprozesse sind klar und verständlich, Informationsfluss ist gut ausgeprägt 3. Arbeitsumgebung: frische Luftzufuhr ist möglich, wenn möglich natürliches Licht, wenig Lärm, Arbeitsplatz Ergonomie ist entsprechend, gesunde Ernährung ist möglich, Bewegung zwischen durch 4. Zusammenarbeit mit Führungskräften und Kollegen ist wertschätzend, Pausen dürfen gemacht werden. Die Unternehmenskultur ist geprägt von Offenheit und Vertrauen.

Mag. Ina Lukl (IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement): Gesunde Arbeitsplatzgestaltung fängt oftmals mit der Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben an und darf natürlich weit darüber hinausgehen. Mit Unterstützung von Arbeitsmedizinern, Ergonomen, Arbeitspsychologen und Sicherheitsfachkräften kann schon einiges an Belastungen aufgezeigt und abgefangen werden. Meiner Erfahrung nach kann eine gut durchdachte Evaluierung psychischer Belastungen im Zuge eines BGF Projektes eine gute und wichtige Basis zur gesundheitsförderlichen Arbeitsplatzgestaltung bieten. Ganz im Sinne von Juhani Ilmarinen: „Produktivität ist abhängig von der Organisation der Tätigkeit.“

Haben Sie Einblick in Unternehmen außerhalb Österreichs? In wie fern unterscheidet sich Gesundheit in Unternehmen in Österreich von andern Ländern?

Mag. Gernot Kampl, MA (IEPB): Betrachtet man die gesetzlichen Rahmenbedingungen, war Österreich bei der Beurteilung von psychischen Arbeitsbelastungen – fast ist man gewillt zu sagen „ganz untypisch“ – Vorreiter in der DACH Region. Durch die Novellierung des ASchGs im Jänner 2013 wurde explizit auch das Evaluieren psychischer Belastungen am Arbeitsplatz Pflicht. Deutschland hat diese gesetzlichen Rahmenbedingungen mit der Neufassung des ArSchG erst ein Jahr später geschaffen und die Schweiz hat ihr ArG überhaupt erst im Oktober 2015 angepasst. Wohl auch deshalb stellen wir immer wieder fest, dass österreichische Expertise auch im Ausland sehr gefragt ist. Doch das Bewusstsein für die Bedeutung und den Nutzen der aktiven Gesundheitsförderung ist insbesondere – aber nicht nur – bei den erfolgreichen Unternehmen, etwa den Innovationsführern und den Hidden Champions, inzwischen in allen drei Ländern fest verankert.

Mag. Renate Strommer (ASO & WiLAk): Gesetzliche Regelungen gestalten. In Österreich ist ein Mitarbeiter entweder gesund oder krank. Berücksichtigung von Zwischenstufen würden beispielsweise stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erleichtern.

Mag. Pia Kasa (wings4minds): In einer Diplomarbeit der Uni Wien wurde eine Erhebung zum Status der Betrieblichen Gesundheit in Europa durchgeführt. Die Deutschsprachigen Länder weisen mehrheitlich Zertifizierungssysteme für die BGF auf.

Warum sollten sich Unternehmen überhaupt so viel Mühe geben, um für eine gesunde Arbeitsgestaltung zu sorgen?

Mag. Gernot Kampl, MA (IEPB): Abgesehen von den großen motivationalen Effekten kommt die für die Betriebe schlüssigste Antwort auf diese Frage meiner Ansicht nach von der Vertretung der Unternehmen selbst, der österreichischen Wirtschaftskammer: Investitionen in die Gesundheit der Beschäftigten rechnen sich einfach. So hat die WKO 2013 festgestellt, dass Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) aufgrund ihres nachhaltigen Ansatzes eine Senkung der Krankenstände um bis zu 25 % bewirken und der Return on Investment bei BGF Maßnahmen zwischen 1:2,5 und 1:10,1 liegt.

 


Die Gesprächspartner

BGM Hand in Hand mit Unternehmenskultur & Arbeitsplatzgestaltung

BGM, BGF, betriebliches Gesundheitsmanagement, ÖsterreichBrigitta Giselbrecht
Inhberin

bGesundheitsmangagement


HRwebMag. Pia Kasa
Geschäftsführerin

wings4minds Kasa KG


HRwebMag. Ina Lukl
Leitung BGF Projekte und Generationenbalance

IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH


BGM, BGF, betriebliches Gesundheitsmanagement, ÖsterreichMag. Gernot Kampl, MA
Geschäftsführer

Institut zur Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz GmbH (IEPB)


HRwebMag. Renate Strommer
Geschäftsführerin

ASO & WiLAk GmbH


Mag. Eva Selan, MSc | HR-Redakteurin aus Leidenschaft

Theoretischer Background: MSc in HRM & OE. Praktischer Background: HR in internationalen Konzernen und KMUs in Österreich und den USA.
Nach der Tätigkeit beim Print-Medium Magazin TRAiNiNG als Chefredakteurin, wechselte sie komplett in die Online-Welt und gründete Ende 2010 das HRweb.

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