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Leitender Angestellter im Arbeitszeitgesetz Neu | Leitend oder nicht leitend, das ist die Frage

18Sep2019
5 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Das Arbeitszeitgesetz neu (seit 1sep2018) beschäftigt sich u.a. mit dem Thema leitende Angestellte. Die Praxis zeigt, dass die Einteilung – leitender oder eben nicht leitender Angestellter – schwierig ist. Denn die Kriterien sind nicht ganz klar:

Zu den Neuerungen im Bereich leitende Angestellte im Arbeitszeitgesetz wurde in Grundzügen im HRweb-Beitrag „Neues Arbeitszeitgesetz | 60 Stunden Woche – Mythos oder Wahrheit“  berichtet. Seit Inkrafttreten der Neuerungen vor etwas mehr als einem Jahr (1sep2018) hat sich in der Beratungspraxis gezeigt, dass die Auslegung der neuen Kriterien für leitende Angestellte alles andere als einfach ist. Es gibt nach wie vor keine höchstgerichtlichen Entscheidungen. Das macht es für die Praxis besonders schwer ist, die Abgrenzung zwischen leitenden und nicht leitenden Angestellten vorzunehmen. Ungeachtet dessen ist diese Abgrenzung für die betriebliche Praxis von großer Bedeutung.

Arbeitszeitgesetz: Leitende Angestellte und sonstige Arbeitnehmer

Einschränkung oder Erweiterung der Ausnahmeregelung?

Es hatte den Anschein, dass die Neufassung von § 1 Abs 2 Z 8 Arbeitszeitgesetz (AZG) und des gleichlautenden § 1 Abs 2 Z 5 Arbeitsruhegesetz (ARG) eine Erweiterung des Ausnahmebereiches bedeutet. Auch in den Medien wurde kommuniziert, dass sich der Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung erweitern würde. Dies ist jedoch bei näherer Betrachtung nur bedingt richtig:

Zwar sind nicht mehr (wie in der Rechtslage vor 1sep2018) nur Angestellte von der Ausnahme erfasst. Sondern es können auch sonstige Arbeitnehmer (Arbeiter) von der Ausnahme Gebrauch machen. Vor dem Hintergrund der „Angleichungsbemühungen“ zwischen den Gruppen der Arbeiter und der Angestellten ist dies auch sinnvoll.

Allerdings ist seit der neuen Rechtslage Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung, dass leitenden Arbeitnehmern maßgebliche selbstständige Entscheidungsbefugnis übertragen wurde UND die gesamte Arbeitszeit auf Grund der besonderen Merkmale der Tätigkeit entweder nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird, oder aber von diesen hinsichtlich Lage und Dauer selbst festgelegt werden kann.

Die Voraussetzungen, die für das Vorliegen der leitenden Angestellteneigenschaft im Sinne des AZG und des ARG vorliegen müssen, sind also detaillierter ausformuliert worden. Dass dadurch der Ausnahmebereich zugunsten der Arbeitgeber erweitert wurde, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Es muss auch die Rechtsprechung abgewartet werden.

Leitender Angestellter | Was bedeutet „maßgebliche selbstständige Entscheidungsbefugnis“?

Nur Arbeitnehmer mit maßgeblicher selbständiger Entscheidungsbefugnis können als leitende Angestellte vom Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz ausgenommen sein. Diese Voraussetzung ist jener nach der alten Rechtslage vor 1sep2018 ähnlich aber nicht ident. In der Fassung bis 31aug2018 hieß es „maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen“. Es können daher nicht exakt die gleichen Prüfparameter angewendet werden. Andererseits ist für die betriebliche Praxis nicht klar, worin genau der Unterscheid zwischen der alten und der neuen Formulierung gilt.

Weder der Wortlaut des Gesetzes noch die Materialien zum Gesetz bieten konkrete Anhaltspunkte für die Auslegung dieser Begriffsfolge. Meiner Ansicht nach kann dieses Kriterium nicht so streng wie die Voraussetzung des „maßgeblichen Einflusses auf die Führung des Betriebes“ für die leitende Angestellteneigenschaft nach dem Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) angesehen werden. Die Kriterien nach dem ArbVG waren schon bisher enger und strenger auszulegen als die Ausnahmebestimmungen nach dem AZG/ARG. Daran sollte sich nichts ändern. Bis zum Vorhandensein von Rechtsprechung empfehle ich, die bisher von der Rechtsprechung verwendeten Parameter für das Vorliegen dieses Kriteriums weiter anzuwenden und besonderes Augenmerk auf die erforderliche Selbständigkeit zu legen.

Was bedeutet „besondere Merkmale der Tätigkeit“ im Lichte der Arbeitszeitautonomie?

Diese Begriffsfolge ist seit 1sep2018 neu. Es fand sich in der alten Gesetzesbestimmung keine vergleichbare Begriffsfolge. Im Wesentlichen geht es darum, dass die Arbeitszeitautonomie nicht nur vom Arbeitgeber gewährt wird. Sondern die Arbeitszeit schon deswegen, weil es die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht anders zulässt, frei ist. Wann dies der Fall ist, wird erst die Rechtsprechung zeigen.

Die von der EU-Kommission zur Arbeitszeit-RL in Aussicht gestellten Berufsgruppen sind für den betrieblichen Alltag meist wenig relevant und greifbar. Diese Berufsgruppen beziehen sich auf hochrangige Führungskräfte, bestimmte Experten, erfahrene Anwälte in einem Beschäftigungsverhältnis oder Wissenschaftler.

Eine berechtigte Frage, die sich in der Praxis oft stellt, ist, ob eine Gleitzeitvereinbarung mit großzügigem Gleitzeitrahmen diese Voraussetzung der Arbeitszeitautonomie erfüllen kann. Die Arbeitszeitautonomie liegt wohl dann nicht mehr vor, wenn durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers in die freie Zeiteinteilungsmöglichkeit stark oder regelmäßig eingegriffen wird.

Es ist auch keineswegs bei jedem angestellten Geschäftsführer von der erforderlichen Arbeitszeitautonomie die Rede. Besonders, wenn Geschäftsführer verschärft den Weisungen der Generalversammlung unterliegen, kann es durchaus sein, dass diese im Einzelfall nicht von AZG und ARG ausgenommen sind. Im Regelfall sprechen aber viele Argumente für das Vorliegen der Ausnahme von ARG und AZG für Geschäftsführer.

Leitender Angestellter oder sonstiger Arbeitnehmer nach AZG und ARG – was nun?

Gelangt ein Arbeitgeber nach sorgfältiger Prüfung und Dokumentation, nach Möglichkeit unter Beiziehung rechtlicher Expertise, zur Entscheidung, dass gewisse Positionen als leitende Arbeitnehmer nach dem AZG und ARG klassifiziert werden können, hat dies Erleichterungen zur Folge.

Unter anderem bestehen Erleichterungen im Hinblick auf verwaltungsstrafrechtliche Regelungen, da Überschreitungen der Höchstarbeitszeit, Unterschreitungen der Mindestruhezeiten, die Nichteinhaltung von Arbeitspausen, die Nichtführung von Arbeitszeitaufzeichnungen, Nichteinhaltung der Ersatzruhezeiten und andere Verstöße gegen das AZG und ARG in Bezug auf solche Arbeitnehmer nicht mehr strafbar sind.

Trotz fehlender verwaltungsrechtlicher Strafbarkeit ist die Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen auch für leitende Arbeitnehmer aus mehreren Gründen zu empfehlen. Nämlich: Kollektivverträge sind in der Regel auch auf leitende Arbeitnehmer anwendbar. Daher ist eine Überprüfung der ausreichenden Abdeckung von Überstunden, Reisezeiten etc durch das Gehalt erforderlich. Zum Schutz vor Lohn- und Sozialdumping. Eine solche Überprüfung (Stichwort: Deckungsprüfung) kann sinnvollerweise nur durchgeführt werden, wenn Arbeitszeitaufzeichnungen vorhanden sind.

Doch kein leitender Angestellter oder sonstiger Arbeitnehmer nach Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz – was nun?

Wird ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber als leitender Angestellter im Sinne des AZG/ARG eingestuft, ist aber tatsächlich kein leitender Angestellter, kann sich der Arbeitgeber mit Forderungen des Mitarbeiters, der Gebietskrankenkasse und der Verwaltungsbehörden konfrontiert sehen. Dies kann teuer werden, weshalb die Berufung auf die Ausnahmebestimmung sorgfältig geprüft werden muss.

Fazit zu Arbeitszeitgesetz & leitende Angestellte

Derzeit gibt es keine klare Handlungsanweisung für die Einreihung von Positionen als leitende Angestellte oder sonstige Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs 2 Z 8 AZG und des gleichlautenden § 1 Abs 2 Z 5 ARG neu. Die Praxis sollte daher zumindest bis zum Vorliegen von Rechtsprechung das Vorliegen der für die Ausnahmebestimmung erforderlichen Kriterien sorgfältig prüfen. Beachtet werden muss dabei insbesondere, dass es sich beim AZG und ARG um Arbeitnehmerschutzgesetze handelt. Diese sind besonders im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen relevant. Weiters ist wichtig zu bedenken, dass Kollektivverträge, zumindest im Hinblick auf Entgeltthemen, nicht die gleichen Ausnahmebestimmungen vorsehen wie AZG und ARG.

Praxistipp

Sollten Sie sich für die Anwendung der Ausnahme für leitende Angestellte oder sonstige Arbeitnehmer aus dem AZG/ARG entscheiden, dokumentieren Sie sämtliche Umstände, die die erforderlichen Kriterien erfüllen, und halten Sie die Arbeitszeitautonomie im Arbeitsvertrag fest!

Leitender Angestellter im Arbeitszeitgesetz Neu | Leitend oder nicht leitend, das ist die Frage

 

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