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Jobsharing

Wir haben Jobsharing ausprobiert und sind überaus happy damit. Lassen Sie mich erzählen, was besonders gut funktionierte und was nicht ganz so perfekt ablief.

Der Fachkräftemangel, ja, er ist da, ausweglos. Oder doch nicht? Nein, nicht ausweglos. Es gibt so viele Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in Vollzeit, sondern „nur“ in Teilzeit arbeiten können. Denen kann man eine echte Chance geben!

INHALT

Passt Teilzeit für alle Jobs? Die Arbeit gehört doch immer gemacht – nicht nur 20 oder 30 Stunden die Woche. Das Business erfordert volle Anwesenheit. Ist das so? Falls ja, gibt es dann wiederum einen Ausweg aus diesem vermeintlichen Dilemma?

Ja, gibt es: Jobsharing – zwei Menschen teilen sich gemeinsam den Job einer Vollzeitkraft.

Jobsharing. Der geteilte Job.

Die einen versprechen sich wahre Wunder davon. Die anderen sehen nur Gründe, warum es nicht klappt, allein dieser Koordinationsaufwand! Und dann gibt es vielleicht auch noch jene, die Jobsharing als Massenmodell anbieten, weil sie glauben, es sei ein neues Modewort für Teilzeitarbeit oder ein Hype, auf den sie aufspringen müssten.

Wir in der IT & Security der FACC AG wollten es stellvertretend für unser Unternehmen als Testpiloten selbst erfahren, herausfinden, entmystifizieren. Was ist es nun, dieses Jobsharing? Eierlegende Wollmilchsau? Mission Impossible? Oder halt einfach zwei Menschen in Teilzeit, die in Summe 1 FTE ergeben? Oder ist es mehr als das? Wird dieses Modell funktionieren?

Vorweg: Nein, nicht alles easy und auch kein Allheilmittel gegen Fachkräftemangel – dieses Modell erfordert ja engste Zusammenarbeit und Vertrauen, was sich einfacher anhört, als es in der Praxis ist. Aber ja, wenn es passt, dann ist es wirklich ein großartiges Arbeitsmodell mit Mehrwert für Menschen und Unternehmen.

Unser Erkundungs-Weg ins Jobsharing

Wir wollten es also versuchen.

Hieraus ergab sich Hürde EINS:

Woher nehmen wir die Jobsharerinnen und Jobsharer? Was bisher NICHT funktioniert hat: Wir schreiben eine Stelle als Jobsharing-Stelle aus und dann bewerben sich zwei Menschen, die sich kennen oder auch nicht, gemeinsam auf diese.

Was bei uns geklappt hat: Wir suchen bewusst nach Teilzeitkräften und diskutieren im Recruiting offen mit Interessierten die Möglichkeiten des Jobsharings. Wenn das für jemand interessant klingt und auch sonst die Rahmenbedingungen für beide Seiten passen, stellen wir diese Person als Teilzeitkraft ein. Dann suchen wir intern und extern weiter nach einer passenden zweiten Person.

Was zu Hürde ZWEI führt:

Wer ist eine passende Person? Welche Eigenschaften und Denkweisen müssen solche Personen mitbringen? Müssen sie über dieselben Arbeitsweisen und Ausbildungen etc. verfügen? Oder bietet es nicht viel mehr Chancen und Potential, beispielsweise eine unstrukturierte und kreative Person mit einer Person, die gerne plant und sich um Details kümmert zu vereinen?

Unsere Erfahrung sagt, es braucht gemeinsame Wertvorstellungen, gleiche Arbeitsweisen müssen aber nicht sein. Wir haben festgestellt, dass Gegensätze ein ausschlaggebender Mehrwert im Vergleich zur Besetzung mit einer Einzelperson sein können und zugleich zu Projekterfolgen führt. Aber wie gesagt, Wertvorstellungen müssen zusammenpassen, sonst gibt es zu viel Reibereien und Missverständnisse.

Unsere Learnings

Externe Unterstützung

Ob zwei Menschen zusammenpassen, das kann man natürlich auch mit Hilfe externer Unterstützung herausfinden. Apropos – ich würde nicht einfach in Eigenregie einen Versuch starten, um möglichst in jedes Fettnäpfchen zu treten. Wir haben uns bewusst Partnerinnen gesucht, deren Profession Jobsharing darstellt und die es selbst leben. In unserem Fall ließen und lassen wir uns vom Unternehmen Jobtwins begleiten und das war und ist gut so.

FTEs

Zwei Twins ergeben in Summe vielleicht nicht 1,0 FTE. Sondern z.B. 0,6 + 0,6 = 1,2 FTE. In einer FTE getriebenen Organisation kann das eine Challenge werden. Keine unlösbare, aber man muss das Thema im Optimalfall vorher ausdiskutieren und regeln, spätestens bei Veränderungen von Arbeitszeitmodellen der Twins könnte es sonst zu Schwierigkeiten führen. Systemtechnisch stellt die Abbildbarkeit in IT-Systemen oft eine Herausforderung dar. Wir verwalten das bei uns einfach über zwei separate Teilzeitstellen im System, was nicht der tatsächlichen Praxis entspricht. Spätestens bei Shared Leadership Modellen mit Personal- und Freigaberollen im System kann das aber zum echten Problem werden.

Transparenz innerhalb des Jobsharing-Duos

Ein oft unterschätzter Aspekt ist die Transparenz des Jobsharing-Duos im Team und im Unternehmen. Die Twins haben beide gemeinsame gleichwertige Verantwortung, einen Job – das muss im Team, bei Vorgesetzten und auch den Business Partnern klar kommuniziert sein. Beide sprechen im Namen des anderen Twins und der gemeinsamen Verantwortung. Deshalb ja, sie müssen perfekt abgestimmt sein und gleiche Werte und Vorstellungen vertreten. Möglicherweise teilen sie sich einen Kalender, haben ein gemeinsames E-Mailpostfach oder gegenseitigen Vollzugriff auf ihre E-Mailpostfächer – das braucht absolutes gegenseitiges Vertrauen! Im Prinzip ist das wie eine Beziehung.

Foto by Georg Tiefenthaler (GETIFO)

Jobsharerinnen bei FACC: Katharina Brunneder & Kathrin Gerauer

Win-Win, doch Jobsharing ist nicht für alle das Richtige

Und hier sind wir an dem Punkt, der sich klar vom Massenmodell abgrenzt: Jobsharing ist nicht für alle gemacht. Es ist ein großartiges Modell für Menschen, die wirklich sehr gut zusammenpassen. Wenn das der Fall ist, dann ist es toll und bringt nachhaltigen Mehrwert.

Wie schon erwähnt, vereinen sich so die Stärken zweier Personen auf einer Stelle. Jobsharing erhöht außerdem die Ausfallsicherheit, kann Spitzen abdecken und Wissenserhalt im Unternehmen gewährleisten, um nur ein paar Vorteile für Unternehmen aufzuzählen. Aber auch für die Twins selber hat es Vorteile, da sie sich gegenseitig vertreten und auch unterstützen können, denn vier Augen sehen mehr als zwei und zwei Menschen finden zusammen vielleicht bessere Lösungen als einer allein.  Gemeinsame Erfolge können gefeiert werden, man ist automatisch gegenseitig Coach und Mentor und fördert sich gegenseitig, was wiederum die Zufriedenheit erhöht und zu mehr Loyalität führt.

Dieses Füreinander bedeutet aber auch eines: Beidseitige Flexibilität und gegenseitiges Einstehen. Das sind die Schlüsselfaktoren zum Erfolg. Es sind nicht zwei Teilzeitstellen mit fixen Tagen und fixen Arbeitszeiten. Nicht ich als Chef teile ein, wer wann anwesend ist. Unsere Twins koordinieren sich selbständig. Sie sind dann da, wenn sie gebraucht werden und sind abgestimmt nicht da, wenn es ihre Situation erfordert. Dann wird es auch zu einem Arbeitsmodell, das Vereinbarkeit unterstützt. Das braucht aber auch ein Umdenken in der Führung und führt vielleicht bei manchen zum gefühlten Kontrollverlust, mit dem man umzugehen lernen muss.

Gibt es ein Kochrezept für Jobsharing? Muss man das immer so machen? Nein, sicher nicht. Jobsharing heißt für uns, dass die Jobsharer und ihre Führungskraft individuell vereinbaren, was für dieses spezifische Duo und ihre Verantwortlichkeiten passend ist und was nicht. Dann gilt es in der Praxis zu lernen, Anpassungen vorzunehmen, sodass genau dieses Zwillingspaar bestmöglich performen kann.

Fazit

Für uns ist Jobsharing ein Arbeitsmodell, an das wir glauben und das sich bewährt hat. Wir weiten es nun auch in der Organisation außerhalb der IT & Security aus. Neben Mitarbeitenden, die gemeinsam eine Expertenstelle besetzen, setzen wir mittlerweile auch auf Shared Leadership und auf Nachfolge-Twinning. In diesem konkreten Fall befindet sich ein Kollege in Altersteilzeit und seine Nachfolge führt rund ein Jahr mit ihm gemeinsam eine Abteilung.

Budgettechnisch habe ich 1,6 FTE auf einer Stelle für dieses Jahr zu verantworten und zu rechtfertigen. Zahlt sich das aus? Ja – es bietet die unbezahlbare Möglichkeit und den Mehrwert, wirklich Wissen eines „Urgesteins“ Zug um Zug aufzunehmen und im Unternehmen zu halten. Jobsharing kann also zur Wissensbewahrung eingesetzt werden.

Also nein, Jobsharing ist keine eierlegende Wollmilchsau, kein massentaugliches, einfach zu skalierendes Modell nach Kochrezept. Es ist aber auch nicht nur ein neuer Trend, der bald wieder verschwindet oder eine Mission Impossible, sondern – clever eingesetzt – eine sinnvolle Bereicherung für Mensch und Unternehmen.

Ing. Alexander Hochmeier, BA MA | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Ing. Alexander Hochmeier, BA MA ist Vice President IT und Security der FACC AG und Top CIO des Jahres 2023. Er nutzte die Krise als Chance für echte Transformation mit starkem Fokus auf die Erneuerung der IT-Strategie und innovative HR- und Leadership-Ansätze. Überdies setzt er sich als Male Ally und WOMENinICT Botschafterin für Themen wie Diversity, Equity, Inclusion und Women in Tech ein.

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