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AI im Arbeitsrecht | Rechtliche Herausforderungen und Handlungsempfehlungen – Teil 1

20Jun2025
4 min
EU AI Act Austria

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Künstliche Intelligenz verändert unsere Arbeitswelt tiefgreifend. Welche arbeitsrechtlichen Herausforderungen Unternehmen dabei erwarten und erste praxisnahe Empfehlungen für den rechtskonformen Umgang (AI Act) erfahren Sie in diesem Beitrag.

Mit dem Inkrafttreten des AI Act im August 2024 und der Gültigkeit erster Bestimmungen seit Februar 2025 entsteht ein neuer Rechtsrahmen, der erhebliche Auswirkungen auf die betriebliche Praxis hat. Für Arbeitgebende ist es daher unerlässlich, die arbeitsrechtlichen Implikationen dieser Entwicklung zu verstehen und rechtssicher zu handeln.

Der regulatorische Rahmen: Der AI Act im Überblick

Der AI Act etabliert einen risikobasierten Regelungsansatz, der AI-Anwendungen entsprechend ihrem Gefährdungspotenzial in verschiedene Kategorien einteilt:

  • Verbotene AI-Systeme: Anwendungen, die mit den Grundwerten der EU unvereinbar sind und daher einem absoluten Verbot unterliegen (Art 5 AI Act)
  • Hochrisiko-AI-Systeme: Anwendungen, die erhebliche Risiken für Gesundheit, Sicherheit oder Grundrechte bergen können und spezifischen Anforderungen unterliegen (Art 6 iVm Anhang III AI Act)
  • AI-Systeme mit minimalem oder keinem Risiko: Anwendungen mit niedrigerem Risikopotenzial, die gleichwohl bestimmten Transparenzanforderungen unterliegen

Das stufenweise Inkrafttreten des AI Act ist zu beachten: Während die Bestimmungen zu verbotenen AI-Systemen bereits seit 2.2.2025 gelten, treten die Regelungen zu Hochrisiko-Systemen erst am 2.8.2026 in Kraft. Die Strafbestimmungen sind ab 2.8.2025 anzuwenden.

Verbotene AI-Praktiken im Arbeitsverhältnis

Art 5 AI Act statuiert einen abschließenden Katalog verbotener AI-Praktiken, die im arbeitsrechtlichen Kontext besondere Relevanz entfalten:

  • Unterschwellige Beeinflussung

Untersagt ist der Einsatz von AI-Systemen, die durch manipulative Techniken das Verhalten von Arbeitnehmenden wesentlich beeinflussen können. Das betrifft etwa AI-gestützte Motivations- und Leistungsoptimierungssysteme, die auf unbewusste Entscheidungsprozesse der Mitarbeitenden einwirken.

  • Ausnutzung von Vulnerabilitäten

Verboten sind auch AI-Systeme, die gezielt Schwächen einer Person aufgrund ihres Alters, einer Behinderung oder spezifischer sozialer Umstände ausnutzen. Diese Norm ist insbesondere bei personalisierten AI-gestützten Personalentwicklungs- und Weiterbildungssystemen zu beachten.

  • Social Scoring

Die Bewertung von Mitarbeitenden auf Grundlage ihres sozialen Verhaltens oder persönlicher Merkmale ist unzulässig, sofern das zu einer nachteiligen Behandlung führt, die in einem anderen Kontext oder zu unangemessenen Zwecken erfolgt. Das betrifft insbesondere AI-gestützte Personalbeurteilungssysteme, die über den unmittelbaren arbeitsvertraglichen Kontext hinausgehen.

  • Emotionserkennung am Arbeitsplatz

Explizit untersagt ist der Einsatz von AI-Systemen zur Analyse oder Klassifizierung von Emotionen am Arbeitsplatz. Ausgenommen sind lediglich Systeme, die zur Erkennung gefährlicher Zustände (etwa Müdigkeit bei Fahrzeugführern) eingesetzt werden.

Bei Verstößen gegen diese Verbotstatbestände drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 35 Millionen Euro oder bis zu 7% des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens. (Art 99 Abs 3 AI Act)

Hochrisiko-AI-Systeme im Personalbereich

Gemäß Anhang III Z 4 AI Act gelten AI-Anwendungen im Bereich „Beschäftigung, Personalmanagement und Zugang zur Selbständigkeit grundsätzlich als Hochrisiko-Systeme. Darunter fallen insbesondere, aber nicht ausschließlich:

  • AI-gestützte Rekrutierungssysteme
  • Algorithmen zur Personalauswahl und Beförderungsentscheidung
  • Systeme zur Leistungsbewertung und -überwachung
  • AI-basierte Entscheidungen über Vertragsbeendigungen

Für solche Hochrisiko-Systeme gelten ab August 2026 besondere Anforderungen hinsichtlich Risikomanagement, Datenqualität, technischer Dokumentation, Transparenz sowie menschlicher Aufsicht.

AI-Kompetenz als neue Pflicht für Arbeitgebende

Eine bereits seit 2.2.2025 geltende Verpflichtung ergibt sich aus Art 4 AI Act: Unternehmen müssen sicherstellen, dass Mitarbeitende, die „mit dem Betrieb und der Nutzung von [A]I-Systemen befasst sind“, über ein „ausreichendes Maß an [A]I-Kompetenz“ verfügen.

Der Begriff der AI-Kompetenz wird in Art 3 Z 56 AI Act definiert als die Fähigkeiten, Kenntnisse und das Verständnis, die es natürlichen Personen ermöglichen:

  • AI-Systeme sachkundig zu nutzen
  • Sich der Chancen und Risiken von AI und möglicher Schäden bewusst zu werden.

In der Praxis empfiehlt sich ein mehrstufiger Ansatz zur Erfüllung dieser Verpflichtung:

  1. Regelmäßige Bestandsaufnahme eingesetzter AI-Systeme
  2. Basis-Schulungen für alle potenziell betroffenen Mitarbeitenden zu Grundlagen der AI
  3. Spezifische Schulungen für Mitarbeitende mit vertieftem AI-Kontakt
  4. Implementierung einer AI-Policy mit klaren Nutzungsrichtlinien

Die Schulungsmaßnahmen sollten dokumentiert werden, um im Falle behördlicher Nachfragen die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen nachweisen zu können.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei AI-Implementierung

Während der AI Act keine spezifischen Rechte der Arbeitnehmervertretungen vorsieht, ergeben sich diese aus dem nationalen Recht. Im Fokus stehen dabei die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, insb nach §§ 96 und 96a ArbVG.

§ 96 ArbVG: Zustimmungspflichtige Maßnahmen

AI-Systeme, die zur Kontrolle der Arbeitnehmenden geeignet sind und die Menschenwürde berühren, bedürfen zwingend einer Zustimmung des Betriebsrats in Form einer Betriebsvereinbarung. Bei Nichteinigung besteht keine Möglichkeit zur Anrufung der Schlichtungsstelle, sodass dem Betriebsrat ein faktisches Vetorecht zukommt.

§ 96a ArbVG: Personaldatenverarbeitung

AI-Systeme, die personenbezogene Arbeitnehmerdaten über arbeitsvertragliche Verpflichtungen hinaus erfassen, bedürfen ebenfalls einer Betriebsvereinbarung. Anders als bei § 96 ArbVG kann bei Nichteinigung jedoch die Schlichtungsstelle angerufen werden.

Das Zusammenspiel zwischen §§ 96 und 96a ArbVG ist nicht immer eindeutig. In der betrieblichen Praxis empfiehlt sich daher eine frühzeitige Prüfung, ob und inwieweit der Betriebsrat eingebunden werden muss sowie die Umsetzung der Einbindung.

AI im Arbeitsrecht | Rechtliche Herausforderungen und Handlungsempfehlungen – Teil 1 (AI Act)
Arbeits-Recht

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