Wie können wir mehr junge Frauen für eine technische Lehre begeistern – und damit dem Fachkräftemangel aktiv begegnen? Eine aktuelle Bachelorarbeit geht dieser Frage auf den Grund und zeigt auf, welche Maßnahmen wirklich wirken.
Fachkräftemangel in Technik | Fokus auf weibliche Lehrlinge
Der Mangel an qualifizierten Fachkräften in technischen Berufen stellt eine der zentralen Herausforderungen für die österreichische Wirtschaft dar. Besonders stark betroffen ist Oberösterreich, das aufgrund seiner industriellen Prägung sowohl hinsichtlich der Anzahl an Lehrbetrieben als auch in Bezug auf die ausgebildeten Lehrlinge eine Schlüsselrolle einnimmt.
Angesichts des prognostizierten Rückgangs an Nachwuchskräften ist es dringend notwendig, neue Zielgruppen systematisch und nachhaltig anzusprechen – insbesondere junge Frauen, die bislang in technischen Lehrberufen unterrepräsentiert sind.
In einer Bachelorarbeit der Fachhochschule Wiener Neustadt wurde sich genau diese Thematik gewidmet. Sie analysiert die derzeit eingesetzten Personalmarketingmaßnahmen oberösterreichischer Lehrbetriebe und untersucht dabei deren Wirksamkeit im Hinblick auf die Rekrutierung weiblicher Lehrlinge im MINT-Bereich. Die Grundlage bilden qualitative Interviews mit Personalverantwortlichen aus Unternehmen der Branchen Maschinenbau, Metalltechnik und Elektrotechnik.
Leistungspotenzial und Akzeptanz weiblicher Lehrlinge
Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass weibliche Lehrlinge von den befragten Unternehmen durchwegs als überdurchschnittlich leistungsfähig wahrgenommen werden. Besonders hervorgehoben werden dabei Eigenschaften wie eine ausgeprägte Eigenmotivation, ein hohes Maß an Durchhaltevermögen sowie sehr gute schulische Leistungen.
Diese positiven Merkmale tragen dazu bei, dass junge Frauen in der Ausbildung als Bereicherung angesehen werden. Gleichzeitig zeigt sich, dass sich die gesellschaftliche und innerbetriebliche Akzeptanz technischer Berufe für Frauen in den vergangenen Jahren verbessert hat. Dennoch bestehen nach wie vor stereotype Vorstellungen und Vorurteile innerhalb der Belegschaften, die einem offenen Zugang junger Frauen zu technischen Berufsfeldern im Wege stehen können.
Fehlende zielgruppenspezifische Ansprache
Ein zentrales Problem, das aus der Analyse hervorgeht, liegt in der mangelnden Zielgruppenorientierung bestehender Personalmarketingmaßnahmen. Viele Unternehmen setzen auf klassische Formate wie Schnuppertage, Schulkooperationen oder Messeauftritte – diese bleiben jedoch in ihrer Wirkung limitiert, da sie bestehende stereotype Bilder oftmals nicht gezielt durchbrechen und keine differenzierte Ansprache junger Frauen ermöglichen.
Besonders deutlich wird der Mangel an weiblichen Rollenvorbildern in technischen Berufen sowie die fehlende frühzeitige technische Sozialisierung von Mädchen. Dadurch entstehen bereits in jungen Jahren Hemmschwellen, die eine spätere Entscheidung für einen technischen Lehrberuf unwahrscheinlicher machen.
Die Rolle der Eltern
Ein weiterer zentraler Faktor betrifft die Rolle der Eltern bei der Berufswahl junger Frauen. Sämtliche der Befragten betonen die große Bedeutung, die der elterliche Einfluss in diesem Prozess hat. Einige Lehrbetriebe haben das erkannt und setzen bereits gezielte Maßnahmen, um Eltern aktiv in den Rekrutierungsprozess einzubinden.
Beispiele dafür sind Informationsnachmittage, spezielle Veranstaltungen zum Ausbildungsstart oder Eltern-Willkommensveranstaltungen, bei denen Vorurteile abgebaut und das Vertrauen in technische Ausbildungswege gestärkt werden sollen.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Basierend auf den Erkenntnissen der Bachelorarbeit lassen sich folgende zentrale Maßnahmen ableiten:
- Frühzeitige Berufsorientierung mit einem Fokus auf technische Inhalte – beginnend bereits im Kindergarten und in der Volksschule.
- Einsatz zielgruppenspezifischer Kommunikation mit besonderem Augenmerk auf gendersensible Sprache, weibliche Vorbilder (Role Models) und Nutzung von Social Media.
- Aufbau engerer Kooperationen zwischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen, um praxisnahe Einblicke in technische Berufe zu ermöglichen.
- Systematische Einbindung der Eltern in den Rekrutierungsprozess.
- Qualifizierung und Weiterbildung von Berufsorientierungslehrkräften zur geschlechtsneutralen Vermittlung technischer Berufsbilder.
Fazit
Insgesamt zeigt die Untersuchung deutlich, dass in der gezielten Ansprache weiblicher Jugendlicher für technische Lehrberufe erhebliches Verbesserungspotenzial besteht. Zwar gibt es bereits vielversprechende Ansätze zur genderspezifischen Personalgewinnung, doch es fehlt noch an systematischen und langfristig ausgerichteten Strategien.
Um dem anhaltenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sollten Unternehmen gemeinsam mit Bildungseinrichtungen und politischen Entscheidungsträgern daran arbeiten, technische Berufe für junge Frauen attraktiver und besser zugänglich zu machen. Nur durch ein Zusammenspiel aus früher Förderung, gezielter Ansprache und Abbau von Vorurteilen kann es gelingen, das volle Potenzial dieser Zielgruppe zu nutzen.
Wie bekommen wir mehr junge Frauen in die technische Lehre?