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Teamimpuls

Stressmanagement | Führungsdruck priorisieren und bewältigen

28Jul2025
5 min
Stressmanagement

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Führungskräfte sehen sich oft einem enormen Druck ausgesetzt, der sie bis an die Belastungsgrenze treibt. Doch was passiert, wenn der Druck wächst und sich alles nur noch wie ein endloses Reagieren anfühlt?

Gast-Autorin: Nikola Doll

Ein Erfahrungsbericht zeigt, wie ein Bereichsleiter den Weg aus diesem Teufelskreis fand. Und wie Führungskräfte das Steuer wieder selbst in die Hand nehmen können.

Wer stellt Forderungen an Sie?

„Alle zerren an mir.“ Das sagte kürzlich der Bereichsleiter eines mittelständischen Unternehmens während einer Coachingsitzung zu mir. „Wer sind alle?“, fragte ich ihn und protokollierte seine Aussage in einer Zeichnung. Anschließend übergab ich sie ihm mit den Worten „Das sind Ihre Auftraggebenden“.

Auftraggeber

Auf dem Schreibtisch türmen sich die Aufgaben

Dann schilderte er mir, welche Aufgaben fast täglich auf seinem Schreibtisch landen: Mitarbeitende erwarten eine Entscheidung. Externe Geschäftsbeziehungen und Dienstleistende wollen wissen, wie es weiter geht. Vorstandsmitglieder und Anteilsinhabende der Firma wünschen einen Investitionsplan. Führungskräfte bitten ihn, einen Konflikt zu klären. Die Bank lädt zu einem Gespräch über den Geschäftsverlauf ein. Die Schlüsselkundschaft fordert „bessere“ Konditionen. Die benachbarte Schule wünscht Praktikumsplätze für ihre Schüler. Die IHK möchte ihn als Teilnehmer an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Führung im Kontext von KI“ gewinnen.

Der eigene Anspruch bleibt auf der Strecke

Irgendwo zwischen all diesen Aufgaben und Anforderungen liegt ein Blatt mit persönlichen Notizen. Diese machte sich der Bereichsleiter im letzten Urlaub, als er an einem Abend reflektierte, mit welchen Ansprüchen er ins Berufsleben gestartet ist.

Er wollte Erfolg haben, sich jedoch dabei „treu“ und „menschlich“ bleiben. Und was wurde daraus? Erfolgreich ist er – zweifellos. Doch zu welchem Preis? Im Arbeitsalltag zeigt er kaum Emotionen. Taffe Gespräche gelten als seine Stärke. Für persönliche Worte bleibt kaum Zeit. Und nicht selten muss er auch Mitarbeitende kündigen und mit ihnen über ihre Abfindung feilschen – professionell und routiniert, doch zuweilen bis an die Grenze der Fairness.

Das begreift der Bereichsleiter als Teil seines Jobs. Trotzdem fühlt er sich oft nicht wohl dabei, denn das Scheitern Mitarbeitender ist häufig nicht nur ihr Fehler. Er hätte sich mehr um sie kümmern müssen. Er hätte ihnen häufiger ein Feedback geben und zum Teil früher intervenieren sollen. Doch woher die Zeit nehmen?

Die persönliche Vision

Im Urlaub notierte er außerdem, welche Ziele und Werte für ihn beim Berufsstart wichtig waren und heute noch sind.

Werte und Ziele

Das half ihm, sich nach der Auszeit mit neuer Zuversicht in die Arbeit zu stürzen. In den ersten Tagen hatte er auch das befriedigende Gefühl, endlich wieder einen roten Faden für sein Handeln zu haben.

Doch kurz vor dem Wochenende musste er einer jungen, ehrgeizigen Mitarbeiterin das Ende ihres Projekts mitteilen. Nicht aus Willkür, sondern weil die Umsätze und Erträge überraschend sanken und deshalb die Finanzlage des Betriebs keinen Spielraum für größere Investitionen mehr ließ. Dabei hatte er erst vor drei Monaten in mühsamer Kleinarbeit die Bedeutung des Projekts erläutert, woraufhin diese sich begeistert auf die Aufgabe stürzte – auch weil sie in ihr eine Entwicklungsperspektive für sich sah. Und nun das Aus.

Auf diesen Tag folgten weitere und beim Bereichsleiter verdichtete sich erneut das Gefühl:

  • Alle zerren an mir!
  • Ich habe den roten Faden verloren.
  • Ich re-agiere nur noch auf äußere Zwänge.

Dem „Teufelskreislauf“ entfliehen

Entsprechend desillusioniert blickte er nun auf meine Skizze seiner Auftraggebenden. Und dann sagte er: „Okay, die erwarten alle etwas von mir. Soweit die Analyse, doch was nun?“ Ich bat ihn, auf einem Formblatt neben seinen Auftraggebenden zu notieren, was diese von ihm fordern bzw. wünschen.

Forderungen

Anschließend fragte ich ihn, wie er normalerweise mit solchen Forderungen umgeht. Seine Antwort: „Ich analysiere, wer gibt den Auftrag? Wie wichtig ist die Beziehung für mich? Was tut er/sie für mich? Was sollte ich für sie/ihn tun?“ Ich nickte: „Okay, dann haben Sie ja einen Maßstab, um die Frage in der dritten Spalte zu beantworten: Was bin ich bereit zu tun?“

Das permanente „Müssen“ hinterfragen

Das leuchtete ihm ein. Doch schnell kam er an den Punkt: „Aber wenn die Geldgebenden …, dann muss ich doch ….“ An diesem Punkt blieb er hängen, denn er musste auch „Wenn der Kollege…“, „Wenn die Kundin…“ usw.. Nur bei seiner Familie musste er nicht – die konnten warten.

Nach einigen Fragen kam er zu einer neuen Sicht: „Ich muss nicht (zumal ich finanziell schon weitgehend abgesichert bin). Es ist stets meine Entscheidung, ob ich …“.

Neuer Blickwinkel

Daraufhin sah er die Forderungen in einem neuen Licht. Er ordnete und priorisierte sie neu und formulierte für sich Regeln, wie er künftig mit unvereinbarten Forderungen umgehen wolle.

Der eigene Anspruch

Wie aber geht man mit dem Auftraggeber „eigener Anspruch“ um? „Der kann ja anders als Geldgebende mein Verhalten nicht sanktionieren.“ „Wirklich?“, fragte ich nach. „Wie fühlen Sie sich, wenn Sie gegenüber einem Mitarbeitenden Ihre ganze Routine und Macht ausspielen und an die Grenze der Fairness gehen?“

Der eigene Anspruch an sich als Mensch wirkt also wie ein Auftraggebender, nur auf einer anderen Ebene. Doch leider kennen wir ihn meist nicht genau.

Also bat ich ihn, sich seinen eigenen Anspruch als „inneren Auftraggebenden“ bildhaft vorzustellen. Er nannte ihn „mein Werte-Anwalt“ und analysierte, welche Forderungen dieser an ihn stellt.

Daraufhin formulierte er für sich fünf Schritte, wie er künftig, wenn der Druck steigt, zunächst analysieren wolle, welchen Forderungen er entsprechen möchte und welchen nicht, statt nur zu reagieren. Danach fühlte er sich für den (Führungs-)Alltag wieder gewappnet.

Druck

Die Einstellung und das Verhalten nachhaltig ändern

In den kommenden Monaten ließ sich der Bereichsleiter weiterhin in regelmäßigen Abständen coachen, um im Berufsalltag eine „externe Sparringpartnerin mit neutralem Blick“ zu haben. Denn aus Erfahrung wusste er: Die Gefahr ist groß, dass man in Stresssituationen wieder in alte, über Jahre antrainierte Verhaltensmuster zurückverfällt und die angestrebten Einstellungs- und Verhaltensänderungen nicht nachhaltig sind.

Stressmanagement | Führungsdruck priorisieren und bewältigen

Gast-Autorin

Nikola Doll arbeitet als Führungskräfte-Trainerin und -Beraterin mit ihrem Mann Klaus Doll für die Doll Organisationsberatung (www.doll-beratung.de). Außerdem unterstützt und begleitet die Diplom-Soziologin und -Sozialpädagogin mit langjähriger Erfahrung in der betrieblichen Weiterbildung und Personalentwicklung beruflich stark engagierte Personen als Coach bei ihrer persönlichen Entwicklung (www.doll-coaching.de).

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