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Barrierefreiheitsgesetz | Neue Pflichten für Unternehmen ab Juni 2025 in Österreich

9Mai2025
4 min
Barrierefreiheitsgesetz Österreich

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Das Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) in Österreich soll digitale Inklusion für Menschen mit Behinderungen sichern. Dieser Beitrag analysiert die zentralen Regelungen und gibt praxisrelevante Handlungsempfehlungen für betroffene Unternehmen.

Das BaFG markiert einen Paradigmenwechsel im digitalen Geschäftsverkehr, wodurch Barrierefreiheit von der freiwilligen Maßnahme zur rechtlichen Pflicht wird.

Unternehmen, die frühzeitig in barrierefreie digitale Angebote und Produkte investieren, sichern sich nicht nur Rechtssicherheit, sondern positionieren sich zukunftsorientiert in einem zunehmend inklusiven Marktumfeld. Mit Stichtag 28juni2025 und angesichts der Komplexität der Anforderungen ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema dringend anzuraten.

Europarechtlicher Kontext und nationale Umsetzung

Das Barrierefreiheitsgesetz stellt die nationale Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 (European Accessibility Act – EAA) dar und wurde am 19.07.2023 im Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 76/2023 kundgemacht. Ab dem 28juni2025 entfaltet das Gesetz seine Wirkung für neu in Verkehr gebrachte Produkte bzw. angebotene Dienstleistungen. Der Gesetzgeber verfolgt gemäß § 1 BaFG das erklärte Ziel, Menschen mit Behinderungen durch verbindliche Barrierefreiheitsanforderungen eine selbstbestimmte Lebensführung im digitalen Raum zu ermöglichen.

Anwendungsbereich des Barrierefreiheitsgesetzes

Barrierefreiheitsgesetz Österreich: Erfasste Produkte und Dienstleistungen

Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des BaFG ist weit gefasst. § 2 Abs 1 BaFG erfasst diverse Produkte wie Hardwaresysteme für Universalrechner, Selbstbedienungsterminals, Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang sowie E-Book-Lesegeräte.

In der Praxis besonders relevant erscheint die Erfassung von „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr im Rahmen eines Verbrauchervertrages“ nach § 2 Abs 2 BaFG. Hierunter fallen:

  • Webshops und mobile Anwendungen jeglicher Art
  • Hotelbuchungs- und Reiseportale mit Transaktionsfunktion
  • Online-Terminbuchungssysteme
  • Webseiten für digitale Abonnements und Mitgliedschaften

Adressatenkreis und Ausnahmen

Das Barrierefreiheitsgesetz richtet sich an „Wirtschaftsakteure“ gemäß § 3 Z 17 BaFG, worunter Herstellende, Bevollmächtigte, Importierende, Händler und Händlerinnen sowie Dienstleistungserbringende fallen.

Eine bedeutsame Ausnahmevorschrift enthält § 6 Abs 1 BaFG für Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen erbringen. Diese sind von den Barrierefreiheitsanforderungen befreit. Als Kleinstunternehmen definiert § 3 Z 19 BaFG solche Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz oder Jahresbilanzsumme 2 Millionen Euro nicht übersteigt. Achtung: Die Befreiung gilt jedoch wiederum nicht für Kleinstunternehmen, die Produkte herstellen.

Materielle Anforderungen an die Barrierefreiheit digitaler Angebote

Grundlegende Anforderungen: Barrierefreiheitsgesetz Österreich

Gemäß § 4 BaFG iVm Anlage 1 müssen Produkte und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sein. Ein zentrales Prinzip ist die Wahrnehmbarkeit über mindestens zwei Sinne.

Für den elektronischen Geschäftsverkehr konkretisiert bedeutet das insbesondere:

  • Barrierefreiheitsinformationen zu angebotenen Produkten und Dienstleistungen müssen bereitgestellt werden.
  • Identifizierungs-, Sicherheits- und Zahlungsfunktionen müssen barrierefrei gestaltet sein.
  • Elektronische Signaturen und Zahlungsdienste müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein.

Technische Umsetzung und Konformitätsvermutung

Für die praktischen Umsetzung kommt insbesondere folgendes in Frage:

  • Multimodale Informationsbereitstellung (visuell und auditiv)
  • Anpassbare Darstellung mit adäquater Schriftgröße und ausreichendem Kontrast
  • Alternative Beschreibungen für visuelle Elemente
  • Kompatibilität mit assistiven Technologien wie Screenreadern

Eine Orientierung bietet zudem § 5 BaFG mit einer sogenannten Konformitätsvermutung. Diese greift, wenn Produkte und Dienstleistungen den harmonisierten Normen und technischen Spezifikationen entsprechen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden.

Übergangsfristen und Ausnahmetatbestände

Das Barrierefreiheitsgesetz in Österreich tritt gemäß § 37 Abs 1 am 28.06.2025 in Kraft, sieht jedoch differenzierte Übergangsregelungen vor:

  • Vor dem Stichtag geschlossene Dienstleistungsverträge dürfen bis zu ihrem Ablauf, maximal jedoch fünf Jahre (bis 28.06.2030), unverändert fortbestehen
  • Bereits eingesetzte Selbstbedienungsterminals können bis zum Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer, maximal 20 Jahre nach Inbetriebnahme und längstens bis 28.06.2040, weiter genutzt werden

Das Gesetz normiert ferner zwei weitere Ausnahmetatbestände:

  1. Grundlegende Veränderung (§ 17 BaFG): Eine Ausnahme ist möglich, wenn die Barrierefreiheitsanforderungen zu einer grundlegenden Veränderung der Wesensmerkmale des Produkts oder der Dienstleistung führen würden.
  2. Unverhältnismäßige Belastung (§ 18 BaFG): Eine solche liegt vor, wenn die Einhaltung der Anforderungen eine unverhältnismäßige Belastung darstellen würde. Die Bewertungskriterien hierzu sind in Anlage 4 zum BaFG detailliert festgelegt.

In beiden Fällen obliegt es dem Wirtschaftsakteur, eine fundierte Beurteilung vorzunehmen, diese zu dokumentieren und auf Verlangen dem Sozialministeriumsservice vorzulegen.

Kontrollmechanismen und Sanktionen

Die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen wird gemäß § 21 BaFG durch das Sozialministeriumservice überwacht. Die Behörde verfügt über weitreichende Befugnisse zur Überprüfung und kann bei Verstößen entsprechende Maßnahmen anordnen.

Bei Verstößen gegen das Barrierefreiheitsgesetz in Österreich drohen gemäß § 36 BaFG empfindliche Verwaltungsstrafen:

  • Geldstrafen bis zu 80.000 Euro bei schwerwiegenden Verstößen.
  • Für KMU und Kleinstunternehmen gelten reduzierte Höchststrafen von 50.000 bzw. 25.000 Euro.
  • Die Bemessung erfolgt unter Berücksichtigung des Verstoßumfangs, der Anzahl betroffener Produkte bzw. Dienstleistungen sowie der betroffenen Personen.
  • Die Geldstrafen fließen dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderungen zu.

Fazit: Barrierefreiheitsgesetz Österreich

Die Digitalisierung hat die Interaktion zwischen Unternehmen und Verbrauchern grundlegend verändert. Während dieser Wandel einerseits den Zugang zu Dienstleistungen erleichtert, droht er andererseits, bestimmte Bevölkerungsgruppen von der digitalen Teilhabe auszuschließen. Mit dem Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) hat der österreichische Gesetzgeber nun einen rechtlichen Rahmen geschaffen, der die digitale Inklusion von Menschen mit Behinderungen sicherstellen soll. 

Das österreichische Barrierefreiheitsgesetz | Neue Pflichten für Arbeitgebende ab Juni 2025

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