Strategische Entscheidungen treffen Führungskräfte oft nicht so rational wie sie denken. Das kann ihren beruflichen Erfolg und im Extremfall sogar die Existenz ihres Unternehmens gefährden.
Gastbeitrag von Nikola und Klaus Doll
Herz über Kopf: Wie unsere Gefühle heimlich die Kontrolle übernehmen
Menschen entscheiden und handeln oft nicht rational, sondern primär emotional. Diese wissenschaftliche Erkenntnis wird heute schon vielfach genutzt: zum Beispiel, um das Kaufverhalten von Kunden oder das Wahlverhalten von Menschen zu beeinflussen.
Generell gilt: Ein irrationales Verhalten ist weiter verbreitet als oft angenommen, denn: Einen Großteil unserer täglichen Entscheidungen treffen wir reflexartig unter Rückgriff auf unsere Erfahrungen in der Vergangenheit. Unbewusst haben wir zu ihnen emotionale Bilder gespeichert, und diese nutzt unser Gehirn in aller Stille und mit hoher Geschwindigkeit zum Entscheiden.
Dass es das tut, ist ein Resultat unserer Evolution. Alle Säugetiere mussten, um zu überleben, schnell entscheiden und reagieren können, denn: Lebewesen, bei denen der Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsprozess zu lange dauerte, wurden nicht selten von Fressfeinden überwältigt und getötet. Deshalb hat die Evolution unser Gehirn auf Geschwindigkeit getrimmt, und unser Handeln wird im Alltag in einem hohen Maß von Gefühlen und Impulsen geleitet.
Bauchentscheidungen erleichtern vieles im Leben
Das damit verbundene schnelle und oft unbewusste Entscheiden ist ein Segen und ein Fluch zugleich. Ohne dieses könnten wir unseren Lebensalltag nicht meistern, denn dann würden wir stundenlang über Fragen nachdenken wie „Putze ich mir jetzt die Zähne?“, „Was ziehe ich heute an?“ und „Trinke ich zum Frühstück Kaffee oder Tee?“.
Dasselbe gilt für das Wirtschaftsleben. Auch in ihm sind die berühmten Bauchentscheidungen oft nicht die schlechtesten, denn sie basieren auf Erfahrungen, die ihrerseits wiederum z.B. zu einem Gespür für die Marktentwicklung führen.
Manchmal täuscht uns das Bauchgefühl aber, insbesondere dann, wenn sich in unserem Umfeld Paradigmenwechsel vollziehen und uns gewisse Entscheidungen widerstreben. Dann sind wir oft selbst dann noch überzeugt, richtig zu liegen, wenn objektive Beobachtende schon längst kognitive Verzerrungen erkannt haben, denen wir aufgrund unserer Emotionen unterliegen.
Auch wenn wir glauben, logisch zu denken, greifen wir oft auf sogenannte Heuristiken zurück: gedankliche Abkürzungen, die komplexe Fragen leichter handhabbar machen. Gerade in der Strategieentwicklung ist es daher entscheidend, nicht in die Falle zu tappen und schwierige Fragen durch einfachere, emotional angenehmere zu ersetzen.
7 Tipps für bessere strategische Entscheidungen
Wie können wir uns vor einem solch falschen bzw. die Komplexität negierenden Denken schützen? Die folgenden sieben Impulse unterstützen Sie dabei, typische Denkfallen zu umgehen und tragfähige, zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen.
1. Gute strategische Entscheidungen erfordern Optionen.
Wer (scheinbar) keine Wahlmöglichkeit hat, kann auch nichts entscheiden. Das Entwickeln und Erarbeiten von Optionen erfordert sowohl Kreativität als auch ein analytisches Denken. Im Team generieren wir in der Regel mehr zukunftsweisende Optionen, als wenn wir alleine, sozusagen im stillen Kämmerchen, darüber nachdenken „Was müssen wir tun, um das Ziel X zu erreichen“, zumal Personen und Organisationen in der Regel eine Vielzahl von Zielen haben, die sich wechselseitig beeinflussen.
2. Die Optionen auch mit „Querdenkern“ erörtern.
Also mit Personen, die aufgrund ihrer Biografie oder Funktion eine andere Sicht als wir selbst haben. Dabei geht es nicht primär darum, Optionen zu verwerfen, sondern die hinter ihnen steckenden Annahmen und Schlussfolgerungen zu erkunden und zu hinterfragen, um so eventuell zu einer anderen Sicht der Dinge und anderen Entscheidungen zu gelangen.
Denn wir Menschen neigen dazu, vor allem Informationen wahrzunehmen, die unseren Wünschen und Werten entsprechen. Auch das Einbinden externer Dritter mit einem branchenfremden Blick auf den Entscheidungsgegenstand hilft oft, subjektive Erklärungen für komplexe Phänomene aufzudecken und vorschnelle Beurteilungen und Reaktionen zu vermeiden.
3. Experten in den Entscheidungsprozess einbinden.
Nutzen Sie ihre Expertise, um sich zu fragen, ob Sie eventuell ein übertriebenes Vertrauen in sich selbst, Ihre Annahmen, Ihr Vorhaben, Ihre Organisation, gewisse Technologien usw. haben. Gerade in der Vergangenheit sehr erfolgreiche Führungskräfte tappen oft in die „Vermessenheitsfalle“.
4. Strategische Entscheidungen in Ruhe treffen.
Treffen Sie folgenschwere Entscheidungen nicht, wenn Sie gestresst oder emotional aufgewühlt sind, sozusagen im Hauruck-Verfahren, denn: „When emotions rise, intelligence drops!“ Schlechte Laune, Stress und Druck machen uns anfälliger für kognitive Verzerrungen. Und bevor Sie strategische, vermutlich folgenschwere Entscheidungen verkünden, sollten Sie zumindest eine Nacht nochmals darüber schlafen.
5. Das Bauchgefühl und die Entscheidung hinterfragen.
Fragen Sie sich zum Beispiel: Welche Motive, Wünsche, Hoffnungen meinerseits verleiten mich dazu, diese Option bzw. Entscheidung zu präferieren? Welche aus Erfahrung gespeisten Glaubensätze von mir stecken dahinter, die eventuell in einem veränderten Umfeld keine Relevanz mehr haben?
6. Eine normierte, objektive Basis für die Entscheidung schaffen.
Machen Sie deshalb, bevor Sie eine endgültige Entscheidung treffen, die Optionen vergleichbar. Zum Beispiel, indem Sie anhand eines aus Ihren Zielen abgeleiteten Kriterienkatalogs auflisten,
- was für oder gegen sie spricht,
- auf welchen Annahmen und Voraussetzungen ihr potenzieller Erfolg basiert,
- welche Investitionen an Zeit und Geld ihre Realisierung erfordert,
- welche Chancen und Risiken damit verbunden sind.
So schaffen Sie eine objektive Entscheidungsbasis, selbst wenn diese weiterhin auf Annahmen beruht.
7. An schlechten Entscheidungen nicht festhalten.
Das gilt auch, wenn Sie oder Ihre Organisation schon viel Zeit und Geld in deren Umsetzung investiert haben, und das Eingestehen einer Fehlentscheidung Mut erfordert. Strategische Entscheidungen nehmen stets die Zukunft gedanklich vorweg und beruhen auf zahlreichen Annahmen, zum Beispiel darüber, wie sich der Markt entwickelt. Oder darüber, was in einigen Jahren technisch möglich sein wird. Und diese können sich als unzutreffend erweisen. Deshalb müssen strategische Entscheidungen regelmäßig überdacht und gegebenenfalls nachjustiert und gelegentlich sogar über Bord geworfen werden.
Warum Führung immer auch Risiko bedeutet
Doch selbst ein noch so sorgfältig gestalteter Entscheidungsprozess kann zu Ergebnissen führen, die sich später als teilweise falsch erweisen. In einer Welt, die von raschen Veränderungen und sinkender Planbarkeit geprägt ist, gilt das heute stärker denn je. Unerwartete Ereignisse wie die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine oder Verschiebungen in der Weltwirtschaft können die Grundlage von Entscheidungen innerhalb kürzester Zeit entwerten.
Trotzdem bleibt die Aufgabe bestehen, Entscheidungen zu treffen und die damit verbundenen Risiken zu tragen.
Umso wichtiger ist es, diese Risiken bewusst zu kennen und sich klarzumachen: Eine neue Unternehmensstrategie ist letztlich immer auch eine Wette auf eine unsichere Zukunft. Deshalb braucht es Führungskräfte, die
- in Ergebnissen denken,
- den Mut haben, Entscheidungen zu hinterfragen, und
- bereit sind, den Kurs bei Bedarf zu korrigieren.
Die Zukunft aktiv gestalten
Machen Sie sich beim Entscheiden stets bewusst: Der schlechteste Weg, den man in der Praxis wählen kann, ist meist der, keinen zu wählen, also nicht zu entscheiden. Denn das bedeutet, den Versuch aufzugeben, die Zukunft aktiv zu gestalten.
7 Tipps | Strategisch klug und zielführend entscheiden
Gast-Autoren
Nikola und Klaus Doll leiten die Doll Organisationsberatung, Neustadt an der Weinstraße (www.doll-beratung.de). Gemeinsam führen sie unter anderem regelmäßig eine „Change-Werkstatt – to go“ durch, in der sie mit Führungskräften und Unternehmern Lösungen für akute betriebliche Probleme erarbeiten.