Viele Benefits sind auf Bürojobs zugeschnitten. Wie lassen sich auch Produktionsmitarbeitende oder Außendienst-Teams erreichen?
Am besten individuell, digital und alltagsnah. Im Interview erfahre ich, welche Benefits im Blue Collar-Bereich tatsächlich ankommen und wie Unternehmen damit gezielt Mitarbeitende binden. Meine Interview-Runde frage ich nach der Theorie im Hintergrund und vor allem hole ich praxiserprobte Beispiele für funktionierende Benefits im Blue-Collar-Bereich.
HR-Branche Corporate Benefits
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Experten-Interview
Rein in die Praxis
Haben Sie Praxisbeispiele, in denen Benefits spürbar zur Motivation oder Mitarbeiterbindung im Blue Collar-Bereich beigetragen haben?
Ausgleich schaffen
Gerhard Danler (Moser Danler & Partner): Für Mitarbeitende in der Produktion, Pflege und im Außendienst sind Benefits dann nützlich, wenn sie praktisch, direkt zugänglich und alltagsrelevant sind. Besonders geeignet sind aus unserer Sicht:
- Mobil zugängliche Angebote über z.B. unsere Mitarbeiter-App mit konkreten Anwendungen und übersichtlicher Navigation
- Finanzielle Vorteile wie Essenszuschüsse, Fahrkostenerstattungen oder Einkaufsvorteile, die digital über die firmenspezifisch angepasste APP-Lösung direkt angewendet werden können
- Gesundheitsangebote wie mobile Check-ups mit Anmeldung über die APP oder Content für ergonomische Tipps zum Arbeitsplatz sowie Sicherheitsanleitungen und Online-Protokolle
- Flexible Arbeitszeitmodelle samt mobiler Zeiterfassung oder Schichttausch-Plattformen
Weniger geeignet sind Benefits, die eine PC-Nutzung oder komplexe digitale Tools voraussetzen, sowie Angebote, die nur in der Zentrale verfügbar sind oder stark auf Bürobedürfnisse zugeschnitten sind (z. B. Homeoffice-Optionen oder Weiterbildung über E-Learning ohne mobile Lösung).
Mag. Susanne Heidinger (In good shape): Bei uns ist Rückenfit am beliebtesten, denn es kann wunderbar online oder vor Ort stattfinden, auch für nur 30 Minuten. Die Übungen können super an die Zielgruppe angepasst werden und brauchen wenig Platz. Es kann auch im Stehen und Sitzen stattfinden, in Alltagskleidung, ohne Tools, indoor und outdoor. Es ist ein unfassbar flexibles Training für alle.
Wir haben vor Ort Rückenfit schon in vielen Settings gemacht: in Distributionszentren zwischen den Paketen, in Hotels für die Zimmermädchen, in den Krankenhäusern für das Pflegepersonal uvm. Mal nur 30 Minuten, mal 60 oder auch 2x 30 Minuten für Schichtbetriebe, geteilte Lunch Breaks oder aus kultureller Sensibilität.
Online arbeiten wir viel mit internationalen Unternehmen und multi-site Teams. Wir bieten über die Woche verteilt verschiedene 30 Minuten Online Slots an – teilweise unter Berücksichtigung der Zeitzonen. Die Kurse können in Deutsch, sehr vielen weiteren Sprachen oder bilingual stattfinden. Die Einheiten sind bewusst einfach aufgebaut. Es geht nicht um komplexe Bewegungsabläufe, die ständige Bildschirmaufmerksamkeit erfordern. Die Teilnehmenden schauen kurz auf den Screen (kann auch nur ein Team-Handy sein) und fokussieren sich dann auf den eigenen Körper. Die Kamera bleibt aus, alle machen in ihrem eigenen Rhythmus mit. Die Teilnahme-Quoten bei dieser Art Angebot sind richtig gut.
Essens-Zuschüsse & -Lösungen
Christoph Monschein (Edenred): Wir haben kürzlich unseren Lebensmittelzuschuss bei einem großen Unternehmen mit zahlreichen Mitarbeitenden im Außendienst eingeführt – und die Rückmeldungen waren äußerst positiv. Die Belegschaft im Büro hat bei diesem Unternehmen schon seit längerem Zugang zu einer Kantine, für die fahrenden Beschäftigten gab es aber leider lange keine passende Alternative. Der Lebensmittelzuschuss sorgt nun dafür, dass auch Mitarbeitende, die nicht regelmäßig im Büro sein können, Zugang zu einem geförderten Mittagessen oder Lebensmitteleinkauf haben. Zusätzlich zu mehr Fairness und damit einer gesteigerten Zufriedenheit wirkt der Zuschuss auch als positives Employer Branding auf der Suche nach mehr Fachkräften. Sowohl die zuständige Personalabteilung als auch einzelne Mitarbeitende zeigen sich schon begeistert über den neuen Benefit.
Stephan Haymerle (Schrankerl): Ein gutes Beispiel aus der Praxis ist der Schrankerl-Account, den Mitarbeitende für kostenlose Mahlzeiten nutzen können – etwa als Anerkennung für besonders gute Leistungen oder effiziente Rüstzeiten. Gutes Essen wirkt dabei doppelt: als sichtbare Wertschätzung und als Motivationsfaktor im oft körperlich fordernden Arbeitsalltag.
Ein besonders schönes Beispiel: Einer unserer Kunden hat Büro und Produktion an einem Standort – allerdings mit weiten Gehwegen. Bei nur 20 Minuten Pause war es für die Produktionsmitarbeitenden bisher kaum möglich, in die Kantine oder ins Büro zu gehen. Durch unseren Essens-Kühlschrank direkt in der Produktion können sie nun in Ruhe essen, ohne Zeitdruck. Das stärkt nicht nur die Motivation, sondern auch das Wir-Gefühl zwischen Produktion und Verwaltung.
So wird Wertschätzung direkt erlebbar – und die Mitarbeitendenbindung nachhaltig gefördert.
Andreas Sticha (Pluxee): Gerade im Blue Collar-Bereich zeigt sich, wie wichtig gezielte Benefits für die Motivation und Bindung von Lehrlingen sind. Lehrbetriebe, die die Bedürfnisse der Generation Z verstehen – etwa nach digitaler Vernetzung, Sicherheit und Sinnhaftigkeit – können junge Talente frühzeitig für sich gewinnen. Praxisbeispiele zeigen, dass Benefits wie Essenszuschüsse, Mobilitätsangebote oder digitale Tools nicht nur den Alltag erleichtern, sondern auch Wertschätzung vermitteln. Wenn Lehrlinge sich gesehen und unterstützt fühlen, steigt ihre Identifikation mit dem Unternehmen deutlich. Das wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach der Ausbildung bleiben. Wir unterstützen Unternehmen dabei mit steuerfreien Benefits wie der Restaurant- oder Lebensmittelkarte, die nicht nur die Kaufkraft erhöhen, sondern auch unkompliziert und digital nutzbar sind. Gerade für junge Lehrlinge sind solche Angebote attraktiv, weil sie direkt im Alltag spürbar sind und moderne Bedürfnisse adressieren.
Natascha Mauthner, MBA (Lieferando): Wir haben ebenfalls sehr gute Erfahrungswerte, was digitale Essenszuschüsse anbelangt. Wir sehen eine deutlich höhere Nutzungsrate im Blue-Collar-Sektor – bei manchen unserer Kunden bis zu 90%. Mitarbeitende können ihr Essen durch schnell und unkompliziert in der Mittagspause bestellen, ohne selbst einkaufen oder kochen zu müssen. Das spart Zeit und Geld. In Schichtbetrieben, wie bei einem unserer Kunden aus dem Getränkebereich, wo Kantinen nicht immer geöffnet sind oder nur eine bestimmte Auswahl bieten, erhöht die Bestellmöglichkeit bei lokalen Restaurants die kulinarische Vielfalt und damit den Mehrwert. Der Benefit wird als echter Beitrag zu mehr Lebensqualität wahrgenommen. Für Unternehmen wirkt sich das positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung aus.
Studien-Ergebnisse
Mag. Joachim Schuller (GrECo International): Unsere Erfahrung und die Ergebnisse der GrECo Mitarbeiterstudie 2024 zeigen: Es gibt keinen universellen Benefit, der in jedem Unternehmen gleichermaßen funktioniert. Branche, Arbeitsbedingungen, Altersstruktur, Standort und vieles mehr prägen die Bedürfnisse der Mitarbeitenden entscheidend. Erfolgreiche Konzepte setzen daher auf eine breite Palette an Benefits, um unterschiedliche Wünsche und Erwartungen abzudecken – von Gesundheits- und Sicherheitsleistungen bis hin zu Angeboten für eine ausgewogene Work-Life-Balance. Die Studie belegt jedoch auch, dass eine arbeitgeberfinanzierte Pensionsvorsorge ganz oben auf der Wunschliste der Mitarbeitenden steht. Für viele Beschäftigte – auch im Blue Collar-Bereich – ist die Absicherung des Lebensstandards im Ruhestand ein zentrales Motivations- und Bindungsinstrument. Dieser Benefit signalisiert langfristige Fürsorge und schafft Vertrauen.
Bewegung im Blue Collar Bereich
Marion Kanalz (movevo): Ja, es gibt tatsächlich einige Beispiele. Gerade bei den MOVE DAYS, unserer digitalen Gesundheits-Challenge, erreichen wir in Unternehmen oft „untypische“ Zielgruppen. Ein produzierendes Unternehmen schaffte auch eine Teilnahmequote von rund 80%.
Viele positive Rückmeldungen erreichen uns von Personen und Abteilungen, die sonst selten einbezogen werden. Da war der Satz dabei: „Endlich sind wir auch einmal mit dabei und nicht nur die in der Zentrale“ oder „Ich bin wieder gern zur Arbeit gegangen – wir haben gemeinsam im Team Übungen absolviert und die Stimmung hat sich verbessert.“
Ein anderes Unternehmen hat gemerkt, dass Produktionsmitarbeitende beim Gesundheitstag bisher kaum teilnehmen konnten, weil die Aktion immer in der Zentrale stattfand. Wir haben das Konzept einfach umgedreht und den Gesundheitstag zu den Mitarbeitenden gebracht mit kurzen Übungen direkt an den Arbeitsplätzen und kleinen Giveaways wie Nüssen oder Stretch-Bändern. Das kam extrem gut an und hat gleichzeitig Wirkung und Wertschätzung gezeigt.
Das zeigt uns immer mehr, wie wichtig es ist, Benefits vor allem auch im Gesundheitsbereich nicht nur für die Zentrale zu denken, sondern für alle. Denn am Ende ist es egal, ob White oder Blue Collar. Was zählt ist, dass man sich gesehen, gehört und eingebunden fühlt.
Digitale Kommunikation
Sonja Liebing, MSc (BDO): Aus der Praxis sehen wir klare Effekte, wenn Benefits alltagsnah, fair und wertschätzend sind.
- Bei einem Maschinenbauer führten transparente Schichtpläne mit Prämien und ein Anerkennungsprogramm für erfahrene Mitarbeitende zu weniger Fluktuation und mehr Vertrauen.
- In einer Produktion sorgten Schichttausch per App und Wunschdienstpläne für deutlich mehr Flexibilität, besonders für Eltern und Pendler, und die Bindung stieg spürbar.
- Ein Logistiker brachte Gesundheitsangebote direkt an den Standort: mobile Physiotherapie, Fitness vor Ort und Ergonomie-Schulungen senkten innerhalb weniger Monate den Krankenstand merklich.
- Im Handwerk bewirkten interne Meisterschulungen und Qualifizierungen mit finanziellen Zuschüssen, dass ein großer Teil der Absolventinnen und Absolventen dem Unternehmen langfristig treu blieb.
Gemeinsam haben diese Ansätze eines: Sie bringen konkreten Nutzen bei Zeit, Gesundheit und Geld, sind für alle Schichten zugänglich und zeigen echte Wertschätzung körperlicher Arbeit.
Direkt in den Alltag
Conny Wilczynski (Sportbox): Bspw. in unserer Keynote zum Thema Motivation, etwa durch unsere SPORTBOX-Testimonials Clemens Doppler, Conny Wilczynski und Marc Janko, zeigen wir konkrete Praxisbeispiele, wie gezielt eingesetzte Benefits im Blue-Collar-Bereich die Motivation und Bindung deutlich steigern konnten. Etwa durch wertschätzende Gesundheits- und Mobilitätsangebote, die direkt im Alltag Wirkung zeigen und das Zugehörigkeitsgefühl stärken.
Bernard Zamakhovski (Crocodil Events): Ein gutes Beispiel ist unser System der Erholungstage, nach besonders intensiven Wochen dürfen Teammitglieder zusätzliche freie Tage nehmen, ohne dafür Urlaub zu verbrauchen. Das wird sehr geschätzt, weil es echte Wertschätzung zeigt. Ein weiteres Beispiel ist unsere Praxis, Mitarbeitende regelmäßig bei großen Events mitzunehmen, um ihnen das Ergebnis ihrer Arbeit live zu zeigen. Diese Momente stärken das Gemeinschaftsgefühl enorm. Auch unsere nachhaltigen Projekte, schaffen Stolz im Team, weil sie zeigen, dass wir Verantwortung übernehmen.
Fazit
Wer Benefits ernst nimmt, darf nicht nur an Laptop und Kaffeeküche denken. Gerade Blue Collar-Teams verdienen Konzepte, die auf ihre realen Herausforderungen eingehen: körperliche Belastung, getaktete Schichten, fehlender PC-Zugang.
Erfolgreiche Unternehmen entwickeln deshalb flexible, mobile und lebensnahe Formate: vom Rückenfit-Training zwischen Paketen bis zum Gesundheitscheck per App. Der Schlüssel liegt in Benefits, die nicht auf dem Papier glänzen, sondern im Alltag funktionieren. Individuell, praktikabel und als sichtbares Zeichen von Respekt für alle Ebenen von Mitarbeitenden.
Interviewte Personen
Corporate Benefits für Blue Collar | Es ist nicht nur ein White Collar-Thema
Mag. Susanne Heidinger
- Gründerin und Geschäftsführerin
- In good shape
- www.ingoodshape.at
Gerhard Danler
- Geschäftsführer
- Moser Danler & Partner GmbH & Co KG
- Unternehmens-Profil
- www.mybenefits.at
Sonja Liebing, MSc
- Managerin (Organizational Development)
- BDO Consulting GmbH
- Unternehmens-Profil
- www.bdo.at
Bernard Zamakhovski
- Geschäftsführer
- Crocodil Events
- Unternehmens-Profil
- www.crocodil.at
Marion Kanalz
- Co-Founder
- MOVEVO
- Unternehmens-Profil
- www.movevo.app
Christoph Monschein
- General Manager
- Edenred Austria
- Unternehmens-Profil
- www.edenred.at
Conny Wilczynski
- Geschäftsführer
- SPORTBOX GmbH
Andreas Sticha
- Geschäftsführer Pluxee Österreich & Deutschland
- Pluxee
Stephan Haymerle
- CEO von Schrankerl
- Schrankerl GmbH
Natascha Mauthner, MBA
- Geschäftsführerin
- Lieferando Österreich

