293 Tage. Sieben Länder. Sieben verschiedene Recruiting-Prozesse. Noch viel mehr unterschiedliche Anforderungen und Erwartungen. Und ein Recruiting-Tool, um all das miteinander zu vereinbaren.
Gast-Autorin: Manuela Rath
Mein Start im A1 Recruiting-Projekt
Am Anfang dieses Projektes standen für mich persönlich viele Fragen und ja, auch Zweifel. Wie lässt sich mein Job als Recruiterin, in dem die Anforderungen und Zeitpläne der Führungskräfte und die Verfügbarkeit von Bewerbenden stets Vorrang haben, mit den Aufgaben und Herausforderungen einer gruppenweiten Implementierung eines Recruiting-Moduls vereinbaren?
Sind meine Englischkenntnisse für ein länderübergreifendes Projekt ausreichend? Wie wird sich die internationale Zusammenarbeit gestalten? Finden wir eine gemeinsame Lösung, mit denen wir am Ende alle gut arbeiten können? Doch starten wir am Anfang.
Die 7 Länder der A1 Group – Österreich, Bulgarien, Kroatien, Nord-Mazedonien, Serbien, Slowenien und Weißrussland – haben lange Zeit unabhängig voneinander agiert und nur vereinzelt international zusammengearbeitet. Dennoch liegt seit der Entstehung der A1 Group der Fokus vermehrt auf der Bildung von länderübergreifenden Kompetenzzentren und der Harmonisierung von Prozessen.
Ein gruppenweites HR-System entsteht
2022 startete A1 mit der Einführung eines gruppenweiten HR-Systems, das den gesamten Mitarbeitenden-LifeCycle von der Bewerbung bis zum Austritt abbildet. Das Gesamtprojekt umfasst zurzeit das Personaldatenmanagement, mit dem 2022 gestartet wurde. 2023 folgten in einem zweiten Schritt Recruiting, Talent Management, Learning und Compensation. Zuletzt wurde 2025 das Skill Management eingeführt, und aktuell arbeitet A1 an der Implementierung des Moduls für Abwesenheitsverwaltung.
Der Startpunkt für die Implementierung war einer von zwei länderübergreifenden Workshops unter der Leitung unseres Implementierungspartners im April 2023. In diesen zweitägigen Workshops mit dem Product Owner, den lokalen Projektleitern, den sieben Local Leads (Recruiter aus den 7 Ländern) und mir als Global Process Lead wurde der Recruiting-Prozess definiert. Das umfasste Entscheidungen zu den wichtigsten Fragestellungen:
Welche Rollen benötigt es? Wer darf den Prozess initiieren? Welche Freigaben sind im Prozess erforderlich? Wie sollen Job- Ausschreibungen gestaltet sein? Welche Interfaces zu externen Anbietern, wie z.B. Karriereplattformen und Personalüberlassungsfirmen, werden benötigt?
Und: Wie soll das Bewerbungs-Template gestaltet sein, welche Daten brauchen wir von den Bewerbenden? Müssen Bewerbende ein Profil erstellen? Welche Prozessschritte sind erforderlich? Welche Rollen haben auf Bewerberdaten Zugriff und können welche Aktivitäten triggern?
Nach der Klärung all dieser Fragen und der Implementierung ins Testsystem, startete die Testphase von 2 Monaten. Alle Local Leads testeten mit ihren Teams den gesamten Prozess rauf und runter. Zur Anmeldung, Koordination und Behebung von Fehlern und Änderungsanfragen nutzten wir ein dafür spezialisiertes Tool. Darüber hinaus gab es ein wöchentliches Jour Fix zwischen der Projektleiterin, den Local Leads und mir, um die wichtigsten Themen zu besprechen.
Unser technisches Expertenteam arbeitete in der Zwischenzeit an den Interfaces zu unserer externen Karriereseite, anderen Jobplattformen und LinkedIn.
Die größten Überraschungen & Herausforderungen
Vorgabe für alle Module war es, einen möglichst einheitlichen Prozess zu schaffen und nur dort differenzierende Schritte zu implementieren, wo es z.B. aus rechtlichen Gründen unbedingt erforderlich ist. Entgegen meinen anfänglichen Befürchtungen waren die Local Leads und ich – also all jene, die im Recruiting operativ tätig sind – uns bei den meisten Punkten einig.
Die unterschiedlichen „Flughöhen“ und damit verbundenen Fragen und Vorschläge des Product Owners und der lokalen Projektmanager führten zwar zu kontroversen Diskussionen, halfen uns aber dabei den Prozess aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wichtig waren uns zwei Dinge:
- Ein effizienter Prozess, der möglichst wenige Übergaben und Freigaben benötigt.
- Und ein Bewerbungsprozess für Bewerbende, der transparent und schnell ist, um die Absprungrate so gering wie möglich zu halten.
Erforderliche länderspezifische Abweichungen vom Standardprozess waren z.B. Freigabeprozesse und Datenschutzregulierungen.
Eine Frage der Definition …
Während wir einen größtenteils einheitlichen Prozess schnell definieren konnten, liegt die bis heute größte operative Herausforderung darin, dass bereits bei Start einer Jobausschreibung gewisse Parameter festgelegt und nicht mehr geändert werden können. Das System bietet hierfür eine Lösung in Form von einer Art übergreifenden Ausschreibung, die aber mit erhöhtem administrativem Aufwand verbunden ist.
Eine weitere Herausforderung im Reporting liegt darin begründet, dass entsprechend der Systemlogik eine Jobausschreibung erst dann als besetzt und somit als erfolgreich abgeschlossen gilt, wenn die definierte Anzahl der zu besetzenden Personen ihren ersten Arbeitstag angetreten haben. Das ist zwar folgerichtig, führt aber dazu, dass nicht auf einen Blick ersichtlich ist wie viele Jobausschreibungen im Recruiting gerade tatsächlich bearbeitet werden.
Von sprachlichen Herausforderungen und unterschiedlichen Zielgruppen
Grundsätzlich können Mitarbeitende auswählen, in welcher Sprache sie das System nutzen wollen. Um Komplexität in der Implementierung zu reduzieren, haben wir uns bei internen Benachrichtigungen für Englisch entschieden. Bei der Kommunikation mit Bewerbenden war uns aber die zielgruppengerechte Ansprache und damit eine Kommunikation in Landessprache wichtig. Daher setzten wir die meisten E-Mails und Benachrichtigungen in Form von länderspezifischen Message- Templates um.
Nicht nur länderspezifische Unterschiede waren eine Herausforderung, sondern auch die heterogenen Zielgruppen. Experten- und Führungspositionen erfordern andere Prozessschritte und Bewerberdaten als Lehrlinge und Duale Studierende, interne Jobausschreibungen andere Inhalte als externe Jobausschreibungen.
Wir entschieden uns daher die verschiedenen Prozessschritte (Bewerbungseingang, Screening, Vorauswahl, Interview, Angebot) möglichst frei zu gestalten, sodass diese zwar einheitlich für alle Länder und Zielgruppen dargestellt wurden, aber unterschiedlich genutzt werden können. Wir legten zielgruppenspezifische Bewerbungs-Templates an, definierten unterschiedliche Textfelder für interne und externe Ausschreibungen und achteten sehr darauf, welche automatischen Benachrichtigungen durch die Verschiebung in eine anderen Prozessschritt ausgelöst werden.
Recruiting und Core Data Process Management
Eine zum Teil erst vor kurzem gelöste Herausforderung ist das Zusammenspiel des Recruiting Moduls mit dem Stammdaten-(Core)Modul. Das umfasst zum einen den Übergabeprozess zum Core Modul und zum anderen, dass einige Kategorisierungen und Entscheidungen, die im Core Modul definiert wurden, auch im Recruiting Auswirkungen haben und nicht modulspezifisch angepasst werden konnten. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es ratsam ist, das HCM Core Modul gemeinsam oder zumindest in enger Abstimmung einzuführen, um die Notwendigkeit von nachträglichen Prozessadaptierungen zu vermeiden.
Datenschutz
Zuletzt möchte ich das Thema Datenschutz ansprechen, welches sich als eine der komplexesten Thematiken herausgestellt hat. Zum einen wären da die unterschiedlichen Datenschutzanforderungen der verschiedenen Länder, zum anderen die technischen Rahmenbedingungen.
Da wir das Tool auch für unser Talent Management nutzen wollen, benötigten wir darüber hinaus auch noch die Zustimmungsmöglichkeit, die Daten über die gesetzliche Behaltefrist zu speichern. Das System bietet zwar eine generell gute Lösung für die Datenschutzerklärung der Bewerbenden, da die Standardlösung aber nicht alle Anforderungen erfüllen konnte, haben wir uns dafür entschieden, die Datenschutzzustimmung über eine Frage mit vordefinieren Antwortmöglichkeiten im Bewerbungstemplate einzuholen.
Nachdem wir die meisten dieser Herausforderungen lösen konnten, stand am Ende der Implementierung der sogenannte User Acceptance Test. Bei diesem Termin mussten alle Länder den Start des neuen Systems im Livesystem freigeben oder die Punkte benennen, die dem Entgegenstehen. Trotz ein paar offener Themen, an denen wir weiterarbeiten mussten, entschieden alle sieben Länder einstimmig, dass wir wie geplant am 10. Jänner 2024 live gehen konnten.
Die wichtigsten Learnings und Erfolgsfaktoren
Rückblickend stellen wir uns bei solchen Projekten wohl alle die Frage, was ist gut gelaufen, aber auch was hätten wir besser machen können. Natürlich würden wir uns alle immer mehr Zeit, mehr Budget, – und insgesamt – mehr Ressourcen wünschen.
Mein größtes Learning für eine effiziente Implementierung ist aber, wie wesentlich es ist zu verstehen, wie die verschiedenen Module zusammenspielen. Wie funktioniert die Schnittstelle zwischen den Modulen und Recruiting und welche Auswirkungen haben unsere Entscheidungen im Recruiting auf das Reporting und die Funktionsweise der Datenlöschung. Zum Teil war mir das bereits im Vorfeld bewusst, anderes ist jedoch nicht so offensichtlich und abhängig vom spezifischen System. Auch bei einem knappen Zeitplan ist es ratsam, sich ausreichend Zeit für den Austausch zu nehmen. Ich meine damit den Austausch mit meinen Kollegen, welche die anderen Module implementiert haben und v.a. den Austausch mit anderen Unternehmen, die das jeweilige System bereits in Verwendung haben.
In diesem Projekt habe ich auch persönlich viel gelernt und von der internationalen Zusammenarbeit profitiert. Darüber hinaus habe ich heute ein anderes Verständnis wie sehr die Digitalisierung von Prozessen und das verwendete System den gesamten Arbeitsprozess beeinflusst und definiert. Das Wissen um die Funktionsweise ist nicht nur die Basis für die tägliche operative Arbeit, sondern auch für jegliche Optimierung des gesamten Prozesses, denn nur wenige Entscheidungen sind von den Möglichkeiten und Grenzen des Systems nicht beeinflusst.
Was waren aber nun die wichtigsten Faktoren für den erfolgreichen Abschluss dieses Projekts?
Neben der Bereitschaft zu Kompromissen aller Beteiligten, war es die Entscheidung des Unternehmens für ein länderübergreifendes Implementierungsteam, das sich aus fachlichen Experten und Expertinnen zusammensetzt. Dieses Projektteam setzt sich zusammen aus Mitarbeitenden, die im operativen Recruiting tätig sind und daher die größte Motivation haben, weil sie es sind, die tagtäglich mit diesem System arbeiten müssen. Und es war wichtig für uns, dass das Team zumindest im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten Entscheidungen treffen durfte.
Wie Karin Köhler, die Leiterin des Gesamtprojekts, immer wieder betonte, kann die Zielsetzung so eines Projekts mit den gegebenen Zeitvorgaben nicht sein, mit einem perfekten Prozess zu starten. Erfüllt das neue Tool und der Prozess also aktuell alle Anforderungen und Erwartungen, die wir zu Beginn des Projekts hatten? Noch nicht. Aber wir arbeiten gemeinsam daran.
Global Process Lead | Wie A1 eine internationale Recruiting-Plattform implementierte
Gast-Autorin
Manuela Rath arbeitet seit 2016 bei A1 Telekom Austria AG in verschiedenen HR-Funktionen. Seit 2019 ist sie im Recruiting von A1 mit unterschiedlichen Spezialisierungen tätig und verantwortete zuletzt die Implementierung der gruppenweiten Recruitingplattform. Aktuell liegt ihr Fokus auf IT und Finance Positionen, internationalen Recruitings sowie dem Thema Onboarding.


