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Teamimpuls

Krisenmodus | Wenn HR Interim Management zur Feuerwehr wird

4Dez2025
7 min
HR Interim Management, Feuerwehr

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Manche HR-Interim-Einsätze sind geplant und strategisch vorbereitet. Andere kommen über Nacht. Wenn Führung ausfällt, Personalfragen eskalieren oder Strukturen kollabieren, braucht es HR mit Überblick, Ruhe und Tempo zugleich. Wie funktioniert Interim HR unter Druck?

Meine Runde aus HR-Interim-Experten und -Expertinnen erzählen mir von ihren spontansten Einsätzen und worauf sie konkret in diesen Situationen achten.

Interim Management

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Experten-Interview

Der spontanste Einsatz

Was war dein spontanster Einsatz? Und wie hast du binnen kürzester Zeit Struktur geschaffen?

Mag. Paul Stricker: Bei einem Kunden drohte das gesamte HR-Team am Tag vor meinem Start mit Kündigung – ausgelöst durch massive Spannungen mit der bisherigen Personalleitung. Als ich davon zunächst nichts wusste, wurde ich mit einer Mischung aus Neugier, Skepsis und hoher Erwartungshaltung empfangen.

Das Team war grundsätzlich leistungsfähig und professionell, aber es war offensichtlich, dass ein Neustart nötig war. Gemeinsam haben wir analysiert, welche Strukturen und Prozesse verändert oder vereinfacht werden sollten, was wir streichen und wie wir die vorhandenen Kompetenzen besser nutzen konnten. Dabei ging es auch darum, Rollen neu zu definieren und zu klären, welche Profile künftig gebraucht werden.

Die Herausforderung bestand darin, das Team schnell mitzunehmen, den Blick für notwendige Veränderungen zu öffnen und gemeinsam ein neues Zielbild zu entwickeln. Durch Transparenz, Beteiligung und klare Kommunikation konnte ich rasch Struktur und Orientierung schaffen.

Max Kraft: Ein besonders spontaner Einsatz war bei einem Kunden, wo die HR-Leitung krankheitsbedingt binnen 48 Stunden ausfiel – mitten in einer intensiven Einstellungsphase. Ich bin kurzfristig eingesprungen.

    • Zuerst habe ich Kernprozesse und kritische To-dos priorisiert: Recruiting, Kommunikation mit Führungskräften, rechtlich relevante Themen.
    • Danach habe ich Verantwortlichkeiten im Team neu verteilt und eine tägliche Lagebesprechung eingeführt, um Transparenz und Sicherheit zu schaffen.
    • Durch eine klare Kommunikationslinie nach innen und außen entstand schnell Stabilität, und das Unternehmen konnte handlungsfähig bleiben.

Dr. Martin Mayr: Anruf Mittwoch, Auswahl Donnerstag, Gespräche Freitag und dann … Einsatz voll loaded am Montag im Unternehmen. Wir könne solche Einsätze immer schnell machen, innerhalbe von 3-10 Tagen starten die Projekte. Also sofort.

Mag. Karin Ramsebner-Greunz: Ein besonders spontaner Einsatz begann buchstäblich über Nacht: Ich startete in ein Mandat, bei dem ein neuer Standort aufgebaut und in kürzester Zeit über 50 Mitarbeitende gefunden werden mussten – inklusive HR-Strukturen, Prozessplanung und diverser rechtlicher Rahmenbedingungen. Der Zeitdruck war enorm, Analysephasen gab es kaum.

Als ich ankam, stand ein kleiner Raum, ein Whiteboard und viel Unklarheit bereit. Gemeinsam mit einer Kollegin erstellte ich an Tag eins einen Aktionsplan: Wir hielten alle Aufgaben auf mehreren Flipcharts fest, priorisierten Themen, definierten Verantwortlichkeiten und klare Zeitachsen.

Diese Visualisierung war der Wendepunkt: plötzlich war sichtbar, was zu tun ist, wer welchen Beitrag leistet und wie wir Schritt für Schritt vorgehen. Das schuf Orientierung und Ruhe im Team, trotz der hohen Dynamik. In solchen Situationen zeigt sich: Wenn alle wissen, wohin es geht, entsteht Energie, und aus dem Chaos wird ein gemeinsames Ziel.

Mag. Valerie Ferencic, MSc: Ein besonders spontaner Einsatz war, als nur drei Tage vom Erstkontakt bis zum ersten Tag vor Ort vergangen sind. Wir haben sofort ein Team Kick-off gemacht und die Themen priorisiert, die akut zu bearbeiten waren. Danach ging es schnell, dass wir alle gut zusammengearbeitet haben. Sichtbare Quick Wins sind in solchen spontanen Lösungen oft hilfreich, damit alle gut abgeholt und auch emotional an Board sind. Wir haben klare Verantwortlichkeiten definiert und Prozesse aufgesetzt und die Zusammenarbeit hat dann sehr schnell sehr gut funktioniert.

Eva Rechberg: Als HR-Interim Manager wirst du selten geholt, wenn alles rund läuft. Die häufigsten Krisenszenarien aus meiner persönlichen Praxis:

    • Personalabbau: Die Entscheidung ist gefallen, aber es gibt noch weder einen Ablauf- noch Kommunikationsplan.
    • M&A: Auch hier ist die Entscheidung gefallen, es gibt ein definiertes Projekt für die Integration, aber niemand kann/möchte den HR-Part übernehmen.
    • Führungskrise: wenn die HR-Leitung oder ein wichtiger HR Teamlead von heute auf morgen ausgefallen ist.

In all diesen Situationen ist die Erfahrung mit unterschiedlichen Krisenmustern entscheidend und zählt doppelt. Erfahrung hilft, Ruhe zu bewahren und handlungsfähig zu bleiben, während andere noch sortieren, was eigentlich passiert ist.

Krisen erfordern schnelle Orientierung, aber keine Hektik. Denn gerade im Ausnahmezustand zeigt sich, wie professionell ich als Interims Manager agiere und ob es mir gelingt, Menschlichkeit und Klarheit miteinander zu verbinden.

Sonja Nassler: Ich erinnere mich gut an einen Einsatz, der völlig ungeplant begann. Am Vormittag kam der Anruf, dass die Payroll-Leitung ausgefallen ist und die Gehaltsüberweisungen noch am selben Tag vorbereitet werden müssen. Ich habe mich sofort auf den Weg gemacht und war kurze Zeit später im Unternehmen. Vor Ort gab es keine Übergabe, nur eine laufende Zahlungsdatei und ein Team, das auf Freigabe wartete. In solchen Momenten zählt Ruhe und klares Handeln. Ich habe zuerst geprüft, ob alle Systeme und Berechtigungen funktionieren, dann gemeinsam mit der Buchhaltung die Zahlungsläufe abgesichert und die Freigaben kontrolliert. Als alles sicher durch war, haben wir im Team besprochen, wie wir die nächsten Tage strukturieren, um Routine und Vertrauen zurückzubringen.

Diese Einsätze zeigen mir immer wieder, wie wichtig in der Payroll schnelle Reaktion, klare Prioritäten und besonnene Kommunikation sind – besonders dann, wenn keine Zeit für Vorbereitung bleibt.

Mag. Mag. Nicole Ladich: Mein spontanster Einsatz war Anruf am Dienstag, persönliches Gespräch am Mittwochvormittag, Zusage Mittwochnachmittag und Start Donnerstag Früh. Ausgangslage war ein HR-Team mit drei Personen, welches seit einigen Wochen keine Führung mehr hatte und gleichzeitig junior aufgestellt war. Die Geschäftsführung hatte im ersten Schritt versucht bis zur fixen Nachbesetzung über die Runden zu kommen, schließlich jedoch erkannt, dass es ohne interimistische Unterstützung mehr Schaden als Nutzen verursacht. Denn es fehlte jemand mit Erfahrung, der die Aufgaben verteilt, priorisiert, Heikles einzuschätzen weiß und im 4-Augen-Prinzip gegencheckt, sowie operativ mitanpackt.

Binnen kürzester Zeit habe ich Struktur geschaffen, indem ich:

    • Schritt 1: mich an besagtem Donnerstag sofort mit dem Team zusammensetzte und alles, was offen war, gemeinsam mit ihnen gesammelt, priorisiert, verteilt und terminisiert habe. Dies besprach/reflektierte ich mit den Auftraggebenden und ergänzte um deren Prios.
    • Schritt 2: mich mit den drei HR Kolleginnen in einen Raum gesetzt habe, um für unmittelbare Zwischenfragen, die im „Ab- und Ausarbeiten“ bremsen, sofort verfügbar zu sein. Und die folgenden Tage meine Ärmel gemeinsam mit ihnen hochkrempelte und wir „getan“ haben.
    • Schritt 3: dazwischen 1:1 Austausch mit relevanten Stakeholdern durchführte. Dadurch entstand binnen kürzester Zeit diese gewisse Energie „jetzt packen wir’s an“, die den Vertrauensaufbau zwischen uns beschleunigte. Ich bekam sehr rasch ein Gefühl für das Team, für die wirklich brennenden HR To Dos und das Unternehmen in Summe.

Prioritäten in akuten Krisen

Wie priorisierst du in akuten Krisen: Arbeitsrecht, Emotionen oder Führungsfragen?

Mag. Karin Ramsebner-Greunz: In Krisen geht es für mich nicht um Prioritäten, sondern um Balance. Arbeitsrechtliche Aspekte sind die formale Grundlage jeder Entscheidung – sie müssen sauber geprüft und transparent umgesetzt werden. Gleichzeitig sind Krisen immer auch emotionale Ausnahmesituationen. Ich nehme mir bewusst Zeit, zuzuhören, Unsicherheiten wahrzunehmen und Emotionen Raum zu geben. Erst dann wird konstruktives Handeln möglich.

Führungsfragen spielen dabei eine zentrale Rolle: Es geht darum, Halt und Orientierung zu schaffen – für das Team ebenso wie für mich selbst. Je nach Situation braucht es mal klare Entscheidungen, mal empathisches Zuhören. Diese Balance zu halten ist herausfordernd, aber entscheidend, um Stabilität und Vertrauen im Veränderungsprozess zu sichern.

Melanie Trommer, MA: In akuten Krisen stehen für mich zuerst immer die Emotionen im Vordergrund. Wenn Menschen in Ausnahmesituationen sind, braucht es zunächst Stabilität, bevor Strukturen oder Regeln greifen können. Erst wenn die Emotionen ernst genommen und abgeholt wurden, ist konzentriertes Arbeiten überhaupt möglich – und die Organisation wird aufnahmebereit für Veränderungen.

Im nächsten Schritt folgen arbeitsrechtliche und Führungsfragen. Fachliche Klärung ist wichtig – aber ohne emotionale Basis bleibt sie oft wirkungslos. Es heißt ja nicht umsonst: Mit den Emotionen gehen, um Akzeptanz zu erhalten.

Grundprinzipien für Ausnahmesituationen

Welche Grundprinzipien geben dir auch in Ausnahmesituationen Orientierung?

Dr. Martin Mayr: Die Grundprinzipien sind klar. Wir sind Dienstleister und das Ziel und der Erfolg für den Kunden steht vor allem! Durch die Erfahrung können wir die Themen analysieren und beste Lösungen erarbeiten. Ziel und Orientierung ist immer der Nutzen und das Ziel des Kunden.

Mag. Paul Stricker: Als Interim Manager komme ich mit einem externen Blick – und mit dem klaren Ziel, einen konstruktiven Beitrag zu leisten, bevor ich wieder gehe. In dieser Zeit bin ich voll für meinen Auftraggeber und das Team da. Gleichzeitig spreche ich offen an, wenn ich Verbesserungspotenzial sehe – auch wenn das unbequem ist oder bisher nicht populär war.

Diese Haltung ist für mich nicht verhandelbar. Idealerweise kläre ich solche Punkte bereits im Briefing.

Wenn sich zeigt, dass der Auftrag lediglich darin besteht, den Status quo zu erhalten, bin ich ehrlich und sage: „Das ist nicht mein Verständnis meiner Rolle und mein Mehrwert – dafür braucht ihr jemand anderen.“

Diese Klarheit wird nicht immer sofort geschätzt, aber langfristig hat sie sich bewährt und wurde von meinen Kunden respektiert und anerkannt.

Fazit

In spontanen HR-Einsätzen zählt vor allem eines: Handlungsfähigkeit. Ruhig, empathisch und mit einem Plan. Die Geschichten der Interim-Expertinnen und -Experten zeigen, wie schnell Struktur entstehen kann, wenn Erfahrung, Klarheit und Menschlichkeit zusammenspielen. Statt nur auf Probleme zu reagieren, schaffen sie neue Perspektiven: Sie hören zu, priorisieren klug und beziehen Teams aktiv ein. So wird aus Unsicherheit oft überraschend schnell Zuversicht. Zentral hilfreich sind einerseits die Außensicht und andererseits die Erfahrung.

Interviewte Personen

Krisenmodus | Wenn HR Interim Management zur Feuerwehr wird

Sonja Nassler

Sonja Nassler, PayRocknRoll

Mag. Paul Stricker

Paul Stricker, Interimsmanagement

Mag. Eva Rechberg

Eva Rechberg, systworks

Mag. Karin Ramsebner-Greunz

Karin Ramsebner-Greunz, Unternehmensberatung, Interims Management

Mag. Valerie Ferencic, MSc.

  • Unternehmerin
  • VF Consulting
Valerie Ferencic, Interim Management

Max Kraft

  • CEO
  • Pates AG
Maximilian Kraft, Pates

Mag. Mag. Nicole Ladich

  • Geschäftsführung & Interim Profi
  • Interim4HR
Nicole Ladich, Interim 4 HR

Dr. Martin L. Mayr

  • Geschäftsführer
  • GOiNTERIM GmbH
Martin Mayr, GoInterim

Melanie Trommer, MA

  • Personalexpertin
  • Melanie Trommer e.U.
Melanie Trommer

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