Unternehmenskultur ist lebendig, formbar, und sie verändert sich. Jeder Mensch, der ins Unternehmen kommt oder es verlässt, gestaltet sie mit, jedes Rädchen dreht im System.
Gastautorin: Petra Seiler
Phasen starker Veränderung fordern – besonders die Kultur. Sie hat einen wesentlichen Einfluss auf Erfolg oder Scheitern. Je dynamischer die Zeiten, desto herausfordernder ist es, die eigene Kultur nicht aus den Augen zu verlieren.
Unternehmenskultur lebt – no na – von den Menschen im Unternehmen.
Sie entsteht im täglichen Miteinander, in den kleinen Gesten, den Gesprächen zwischen Tür und Angel, in der Art, wie man einander begegnet und wie Führung gelebt wird. Doch Veränderung bringt Druck: operative Anforderungen, strategische Aufgaben, digitale Transformation. Da kann das Zwischenmenschliche schnell ins Hintertreffen geraten. Silodenken etabliert sich leise. Persönliche Gespräche werden durch Prozesse und Workflows ersetzt. Das Gemeinsame hochzuhalten, wird plötzlich zur bewussten Aufgabe – und nicht mehr zur Selbstverständlichkeit.
Was in dieser Phase für uns Personalverantwortliche besonders herausfordernd ist: die Organisation, insbesondere die Führungsebene zu überzeugen, genau dafür bewusst innezuhalten. Nicht, um die Veränderung zu bremsen, sondern um Orientierung zu schaffen. „Ist doch unwichtig, wenn es gerade überall brennt, wenn Ergebnisse geliefert werden müssen, wenn Wachstum gefordert ist!“
Fragen stellen
Aber was, wenn wir genau DAS nicht tun: Uns in den Spiegel zu schauen:
- Wer sind wir gerade?
- Wie gehen wir miteinander um?
- Was hält unsere Organisation im Innersten zusammen?
Diese Fragen sind keine „Soft-Themen“, sondern strategisch entscheidend. Denn Kultur beeinflusst, wie schnell Teams lernen, wie sie Veränderungen tragen … oder blockieren.
Dafür haben wir jetzt gerade keine Zeit?
Das kann zum bösen Fehler werden. Wie schnell einst positive, erfolgreiche Unternehmenskulturen zerschlagen werden können und wie sehr das mit Misserfolg zusammenhängen kann, sehen wir täglich, wenn wir um uns blicken. Wenn einstmals loyale, engagierte Teams auseinanderbrechen, Frustration und Demotivation sich ausbreiten wie ein Virus, weil Werte nur auf dem Papier existieren und Kommunikation nicht mehr echt stattfindet sondern nur noch in einer Richtung in Newsletters oder in Townhalls.
Ist Kulturarbeit also „Rocket Science“?
Nein. Anfangen und sich darauf einlassen, das ist die Devise.
Eines vorab: Wer Unternehmenskultur langfristig entwickeln will, braucht Commitment an der Spitze. Kultur zeigt sich gleich am ersten Blick mal dort, wo Entscheidungen getroffen werden. Sie spiegelt die Werte der Gründerinnen, Eigentümer und Führungskräfte wider.
Österreichisch gesagt: „Wie tamma denn hier bei uns so?“ Dieser Satz beschreibt wohl am besten, was Kultur in der Praxis bedeutet. Es ist das unausgesprochene Regelwerk, das das tägliche Handeln lenkt.
Und damit kann eine erste griffige Diskussion, ein Workshop oder ein Auftrag zur Reflexion beginnen. Hauptsache, Kulturarbeit wird authentisch von der Unternehmensführung zum Thema gemacht und der Pulsschlag der Organisation spürbar. Das ist nicht immer leicht, denn Kultur ist keine greifbare Sache, oft schwer vorstellbar. Doch mit jeder Diskussion, mit jedem Erlebnis, mit jeder Geschichte, die Unternehmenskultur spürbar und sichtbar macht, wird das Bewusstsein dafür steigen.
Unternehmenskultur im Alltag
Die wirkliche Herausforderung ergibt sich klarerweise im Alltag: Sich gegenseitig zu ermutigen, sich selbst zu reflektieren, den Fokus auf das WIE zu legen. Das braucht Mut, Ausdauer, Bewusstsein und Konfliktfähigkeit.
Geschäftsführung und Führungskräfte prägen durch ihr Verhalten, wie Kultur gelebt wird. Vereinbarungen zu treffen, Werte sichtbar zu machen und sie konsequent vorzuleben: das ist der Anfang. Und dieser erste Schritt muss nicht gleich mit dem Siebenmeilenstiefel erfolgen. Aber: er braucht tiefe Überzeugung aus der Führung heraus.
Aber genau hier liegt die Chance: Unternehmenskultur in der Veränderung als Kraftquelle zu sehen. Als etwas, das sich mitentwickeln darf. Und das, richtig gepflegt, die Basis für nachhaltigen Erfolg bildet.
Und ja: Wie das operative Kerngeschäft ist auch Kulturarbeit richtig anstrengend. – Fangen wir an!
Die Rolle der Führungskräfte: Kultur sichtbar machen
Kultur wird nicht durch Werteplakate oder Employer-Branding-Kampagnen geprägt, sondern durch Führung im Alltag.
Führungskräfte sind die Spiegel der Kultur: jede Entscheidung, jedes Feedback, jede Priorität sendet ein Signal darüber, „wie man hier so ist“.
Gerade in der Veränderung braucht es Führungskräfte, die bewusst vorangehen,
- die Raum für Gespräche schaffen,
- die Widersprüche ansprechen,
- die Vorbild sind, auch wenn’s unbequem wird.
Tempo halten, ohne die Verbindung zu verlieren. Zu Menschen, zu Werten, zu Sinn.
Die Rolle von HR: Begleiten statt Übernehmen
HR hat eine zentrale, aber keine alleinige Aufgabe. Kulturentwicklung lässt sich nicht „delegieren“. Wenn HR in die Rolle kommt, Kultur „machen“ zu sollen, entsteht schnell Frustration – bei allen Beteiligten.
Stattdessen kann HR die Rahmenbedingungen schaffen, in denen Kultur sichtbar, erlebbar und besprechbar wird:
- Reflexionsräume gestalten (Workshops, Feedbackrunden, Leadership-Dialoge)
- Impulse setzen, die Bewusstsein fördern
- Führungskräfte begleiten, coachen, stärken
Unternehmenskultur als gemeinsame Verantwortung
Kulturarbeit gelingt nur dann, wenn sie gemeinsam getragen wird. Wenn Geschäftsführung, Führungskräfte und HR an einem Strang ziehen: mit Klarheit über die gemeinsame Richtung und mit Mut, auch das Unbequeme anzusprechen.
Denn Unternehmenskultur lässt sich nicht aufhalten. Sie entwickelt sich, ob bewusst oder unbewusst. Die Kunst liegt darin, sie bewusst zu gestalten, ohne sie kontrollieren zu wollen.
Wer Unternehmenskultur als lebendigen Organismus begreift, kann Wachstum gestalten, ohne dabei die Seele des Unternehmens zu verlieren.
Praxis-Impulse für Führung & HR
Für Führungskräfte
- Werte sichtbar machen: Sprecht im Team regelmäßig darüber, was euch im Miteinander wichtig ist. Nicht nur über Ziele und Zahlen.
- Feedback als Normalität: Baut Feedback in den Alltag ein.
- Tempo mit Verbindung: Bei Veränderungen: Erst erklären, weshalb etwas passiert. Erst danach was und wie.
- Rituale pflegen: Kleine Teamrituale (z. B. ein wöchentliches „Check-in“) stärken Zugehörigkeit und Vertrauen.
Für HR
- Reflexionsräume schaffen: Formate anbieten, in denen Teams oder Führungskräfte über Zusammenarbeit sprechen können. Ohne Agenda-Druck.
- Beobachterrolle einnehmen: Kulturentwicklung begleiten, nicht steuern und treiben. Fragen stellen statt Antworten liefern.
- Kultur sichtbar machen: Gute Beispiele, gelebte Werte und mutige Stimmen intern sichtbar machen. Kultur verstärkt sich durch Geschichten.
- Führung stärken: Führungskräfte-Coachings und Peer-Formate anbieten. Denn wer führen soll, braucht Raum für Selbstreflexion.
Unternehmenskultur in herausfordernden Zeiten | Vom Mut, das Lebendige zu pflegen
Gast-Autorin (Unternehmenskultur)
Petra Seiler (Leitung HR, KRÖSWANG Gmbh Grieskirchen, O.Ö.) ist seit 24 Jahren im Personalwesen tätig.


