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Für viele kaum vorstellbar und trotzdem ist sie in den aktuellen Diskussionen derzeit präsenter denn je: die anonyme Bewerbung. Mehr Chancen für Menschen, die sonst wenig Jobchancen haben, erwarten sich ihre Befürworter; nicht machbar und unnötiger zusätzlicher Aufwand, sagen die Gegner. Erste Ergebnisse aus Deutschland zeigen zahlreiche Vorteile für Bewerber und auch in Österreichs Politik ist das Thema mittlerweile gelandet.

In Österreich vorstellbar und bald im Test

Das Thema der anaonymen Bewerbung nimmt nun auch in Österreich Einzug. Am 5. September lässt Frauen- und Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek zu dem Thema erstmalig aufhorchen. Nachdem Deutschland im Thema anonyme Bewerbung bereits einige Erkenntnisse gewonnen hat, soll nun auch in Österreich ein Pilotprojekt stattfinden.

Konkret geht es darum, über standardisierte Bewerbungsformulare, die weder nach einem Namen, einem Geburtsdatum, dem Geschlecht, der Herkunft oder einem Foto fragen, die Chancen für jene Menschen zu erhöhen, die sich sonst in der Jobsuche schwer tun. Besonders sind hier zu nennen: Menschen mit Migrationshintergrund, ältere Jobsuchende, Menschen mit Behinderung oder aber auch junge Frauen, die häufig wegen der „Gefahr“ einer Schwangerschaft benachteiligt werden. Der öffentliche Dienst könnte hier wiederum eine Vorreiterrolle einnehmen.

Steigen die Chancen tatsächlich?

Für Skeptiker unter den Personalisten ist ein solches Modell wohl nur schwer vorstellbar. Dennoch zeigen erste Pilotprojekte aus Deutschland, dass sich die Situation für die Bewerbenden tatsächlich verbessert.

An dem Modellversuch in Deutschland beteiligten sich unter anderem die Deutsche Post, die Telekom, Procter&Gamble und einige Minsiterien. Rund 8500 anonyme Bewerbungen sind eingegangen, 246 Stellen wurden so besetzt. Zwar ist der Versuch damit nicht repräsentativ, dennoch zeigen sich einige positive Tendenzen.

Eine Deutsche Untersuchung etwa hat gezeigt, dass Menschen mit türkisch klingenden Namen um 14 Prozent schlechtere Chancen auf eine positive Antwort haben, bei kleineren Unternehmen sogar 24 % schlechter. Anonymisierte Bewerbungsverfahren sollen dem entgegen wirken und daher setzt sich unter anderem SOS Mitmensch besonders für diese neue Form der Bewerbung ein.

Bewerbungen anonym machen

Für das Anonymisieren von Bewerbungen stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Zum einen kamen im Modellversuch Bewerbungsformulare ohne persönliche Daten zum Einsatz, die heruntergeladen werden konnten. Des weiteren Online-Bewerbungsformulare, die die persönlichen Daten elimineren oder aber das manuelle Schwärzen der Daten oder der Übertrag in anonyme Tabellen durch Dritte. Technisch gesehen stehen dem Vorhaben also keine Hürden im Weg, dennoch ruft das Vorhaben auch Skeptiker auf dem Plan.

Zu kompliziert, nicht unternehmerisch.

Dass ein solches Vorgehen nicht nur Befürworter hat, liegt auf der Hand. Vor allem steht bei Personalisten die Frage im Raum, ob die anonyme Bewerbung nicht den Prozess des Recruitings wieder verlängert und damit ineffizienter macht. Konkret befürchtet wird ein Mehr an Arbeit durch mehr „Fehlgriffe“ in der Einladung. Dem entgegen ist natürlich zu setzen, dass so vielleicht auch Menschen die Chance bekommen, gehört zu werden, die für den Job passen, aber anders nie eingeladen worden wären.

Zudem wird aber auch kritisiert, dass durch das Fehlen der Staatsangehörigkeit auch Kandidaten eingeladen würden, für die in Österreich gar keine Arbeitserlaubnis zu bekommen ist, also Nicht-Schlüsselkräfte.

Eine Kehrseite kann ebenso sein, dass ein „Gleichmachen“ aller Bewerber, diesen auch die Individualität nimmt und so auf eine eigene Art und Weise wieder diskriminiert. Nämlich jene, die vielleicht nicht durch die perfekt passende Berufserfahrung punkten können, dafür aber durch ein gutes Auftreten, Verkaufstalent oder Kreativität. Und letztlich zählt bei vielen Jobs auch die „Chemie“, also Sympathie, die über komplett anonymisierte Bewerbungsbögen wohl nur schwer zu transoportieren ist.

Und zuletzt wird auch das Argument genannt, dass ein solches Verfahren nur eine „Verschiebung der Diskriminierung“ darstelle, denn dann würde eben erst im Gespräch aufgrund derselben Kriterien diskriminiert. Zudem stünden ohnehin nur jene Unternehmen der anonymen Bewerbung offen gegenüber, die ohnehin sensibel sind für das Thema der Diskriminierung. Andere könne man nicht zwingen, sich zu ändern, so Kritiker.

Wie dem auch sei, was im englischsprachigem Raum bereits vielfach Usus ist, schwappt nun – mit einigen Jährchen Verspätung – auch zu uns und wir dürfen gespannt sein, welche Wendung das Thema in Österreich nehmen wird.

Aber, was halten Sie eigentlich von der anonymen Bewerbung? Fluch oder Segen? Chance oder Mehrarbeit? Posten Sie es hier – wir freuen uns auf Ihre Nachrichten!


Anm. d. Red: auf unserer Facebook-HRweb-Seite werden immer gern diskutiert. Hier ein Ausschnitt der Diskussion im Anschluss an diesen Artikel – und wir freuen uns, wenn Sie Kommentare auch direkt hier unterhalb des Artikels hinterlassen!

Die anonyme Bewerbung – unsere Zukunft?

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Mag. (FH) Peter Rieder | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Mag. (FH) Peter Rieder ist Gründer der Arbeitswelten Consulting sowie geschäftsführender Gesellschafter des Diversity Think Tank Austria und begleitet Unternehmen in den Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Audit berufundfamilie), Diversity Management und nachhaltiges Personalmanagement.

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