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Potenzial-Analysen in der Praxis

23Jun2016
8 min
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HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Potenzial-Analysen als Teil des Recruiting-Prozesses ist bekannt und gerade Personalberater haben besonders viel Erfahrung damit. Daher wende ich mich an sie als Spezialisten für meine Fragen:

Wodurch unterscheidet sich der Einsatz von Potenzial-Analysen im-Recuriting versus für-bestehende-Mitarbeiter? Steigt die Nachfrage? Etc.

Personalberater & Anbieter von Potenzialanalysen

Zu meiner Zielgruppe „Personalberater“ für mein Interview kombiniere ich auch einen Anbieter von Potenzial-Analysen:

  • Anbieter Potenzial-Analyse:
    • Mag. Alfred Lackner; LACKNER & KABAS Management.Assessments.Psychologie
  • Personalberater:
    • Theresa Spirik, Msc, MA; Trenkwalder Personaldienste GmbH
    • Mag. Evelyn König; Deloitte Consulting GmbH
    • Mag. Barbara Schopper; Schulmeister Management Consulting
    • Daniela Schlick; Daniela Schlick Personalconsulting

Experten-Interview

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Wodurch unterscheidet sich die Art / Anwendung der Potenzial-Analyse: im Recruiting versus bestehende Mitarbeiter?

Theresa Spirik, Msc, Ma (Trenkwalder): Die Potenzialanalyse, die intern bei Trenkwalder und auch bei unseren Kunden zum Einsatz kommt, zeichnet sich dadurch aus, dass man die Anforderungen an die Bewerber maßgeschneidert abbilden kann. Dadurch erhöht sich die Passgenauigkeit, da bestimmte Schwerpunkte bereits von Anfang an berücksichtigt werden können. Das ist wichtig, da Anforderungen unterschiedlich sein können je nach Position, Abteilung oder Unternehmenseinheit. Das bedeutet auch, dass die Potzenialanalyse zum ständigen Karrierebegleiter wird.

Mag. Alfred Lackner (LACKNER & KABAS): Eine Potenzialanalyse besteht aus Instrumenten (beim empfohlenen multimethodalen Vorgehen aus zumindest zwei Instrumenten) und einem Prozess. Interne Mitarbeiter, die zur Potenzialanalyse eingeladen werden sind in der Regel Leistungsträger. Sie haben sich durch gute Leistungen hervorgetan und sind daher für das Unternehmen sehr wertvoll. In der Potenzialanalyse geht es darum herauszufinden, ob sie auch für andere (in der Regel höherwertige) Jobs eine gute Ausstattung mitbringen. Diese Information wird dann im Rahmen des Talentmanagements bzw. der Nachfolge- und Karriereplanung genutzt.
Um eine möglichst hohe Akzeptanz für das Ergebnis der Potenzialanalyse zu bekommen, wird im Gegensatz zum Einsatz bei externen Bewerbern mehr Zeit und Aufmerksamkeit für „den Erkenntnisgewinn“ seitens der Teilnehmer  investiert. Die Teilnehmer sollen im Zuge der Potenzialanalyse selbst erkennen, wo sie stehen bzw. was noch an ungenutztem Potenzial bei ihnen vorhanden ist und wofür das Verwendung finden könnte. In unserem Fall dauern daher z.B. in einem Einzelsetting die biographische Analyse und die Rückmeldung länger. Auf der Ebene der Instrumente heißt das, es werden in der Regel die gleichen Instrumente, aber in einem umfangreicheren Ausmaß angewendet. Hauptunterschied auf der Ebene des Prozesses ist der Transfer der Ergebnisse. Beim Recruiting ist bei der Rückmeldung an den Auftraggeber der Teilnehmer nicht dabei. Bei internen Mitarbeitern gibt es in der Regel ein ausführliches Transfergespräch an dem der Vorgesetzte, der Teilnehmer und optional auch HR teilnehmen.

Mag. Barbara Schopper (Schulmeister Management Consulting): Im Recruiting geht man meist von einem Soll- bzw. Idealprofil aus, das Kandidaten erfüllen sollen und dabei werden unter anderem die persönlichen Eigenschaften der Kandidaten mittels Potenzialanalysen mit den im  Sollprofil definierten persönlichen Eigenschaften und Kompetenzen abgeglichen.
Potenzialanalysen bestehender Mitarbeiter dienen in erster Linie der kompetenzorientierten Weiterentwicklung von Mitarbeitern in spezifischen Fach- und Führungspositionen. Die Basis dafür bildet idealerweise ein Kompetenzmanagement-System.

Mag. Evelyn König (Deloitte Consulting): Wenn Mitarbeiter von extern für eine bestimmte Position rekrutiert werden, liegt dem Auswahlprozess ein Anforderungsprofil zu Grunde, das die erforderlichen fachlichen und fachübergreifenden Anforderungen an den zukünftigen Stelleninhaber festlegt. Diese werden in weiterer Folge im Rahmen von strukturierten Interviews und diagnostischen Testverfahren evaluiert. So werden die am besten geeigneten Kandidaten identifiziert.
Bei bestehenden Mitarbeitern wird die Potenzialanalyse vorwiegend eingesetzt, um fachübergreifende Potenziale, insbesondere Managementkompetenzen – wie Führungskompetenz, strategisches Denken sowie Entscheidungs-, Umsetzungs- und Durchsetzungsstärke – und das Entwicklungspotenzial der Mitarbeiter zu evaluieren. Ziel ist hier vor allem eine Nachwuchsförderung. Als Evaluierungstools eignen sich dabei ebenfalls strukturierte Interviews und insbesondere entwicklungsorientierte Testverfahren.

Welche Potenzial-Analyse(n) verwenden Sie?

Mag. Alfred Lackner (LACKNER & KABAS): Wir haben vor über 20 Jahren in Kooperation mit der Universität Wien die Wiener Potenzialanalyse entwickelt. Mittlerweile gibt es die Wiener Potenzialanalyse neben standardisierten Versionen für viele Zielgruppen und in vielen Sprachen auch als maßgeschneiderte Version. D.h. wir passen uns an die definierten Anforderungen des Unternehmens an und messen das und nur das was für die spezifische Fragestellung des Unternehmens wirklich relevant ist. Das erhöht die Plausibilität und Akzeptanz der Ergebnisse enorm. Auf Wunsch wird auch die Vorgabe und der Auswertungsbericht im Corporate Design des Unternehmens gestaltet.

Mag. Evelyn König (Deloitte Consulting): Bei Deloitte Österreich werden fast ausschließlich strukturierte Interviews auf Basis eines detaillierten Anforderungsprofils verwendet. Assessment Centers eignen sich im Recruiting nur für bestimmte Zielgruppen, insbesondere für Berufseinsteiger. Es empfiehlt sich, das im Rahmen eines Interviews gewonnene „Fremdbild“ eines Kandidaten mit dessen Selbstbild zu vergleichen. Dieses Selbstbild eines Kandidaten kann mit Hilfe unterschiedlicher diagnostischer Testverfahren generiert werden. Damit gewinnt man noch besseren Einblick in fachübergreifende Kompetenzen und hat auch einen Mehrwert für den Bewerber, da dieser auch Feedback erhält. Je nach Position und Aufgabenbereich können unterschiedliche Tests, von leistungsorientierten bis hin zu psychometrischen Verfahren mit Entwicklungsfokus, eingesetzt werden.

Mag. Barbara Schopper (Schulmeister Management Consulting): SLG Thomas Verhaltensprofilanalyse (DISC)

Theresa Spirik, Msc, Ma (Trenkwalder): Unser KOMpetenzmanagement ist seit ungefähr fünf Jahren erfolgreich im Einsatz. Dieses Tool ist wissenschaftlich fundiert und hat seinen Ursprung im Gedankengut des Ökonomen und Philosophen Peter Drucker, der sich intensiv mit Potenzialen und Handlungsmöglichkeiten auseinander gesetzt hat. Die Grundidee ist, dass jeder Mensch über Kompetenzen verfügt. Diese kann man sichtbar machen und so Potenziale aufdecken, die einem vielleicht selbst noch gar nicht so bewusst waren. Ein wesentlicher Bestandteil ist dann auch die Weiterentwicklung ausgewählter Kompetenzen. Unser KOMpetenzmanagment bietet Mehrwert für Mitarbeiter und Vorgesetzte gleichermaßen, da beide Seiten Einblick erhalten in den Status Quo und entsprechend ihrer Zielvorstellungen durch gezielte Weiterbildungsmaßnahmen unterstützt werden können.

Können Sie eine Steigerung der Nachfrage nach Potenzial-Analysen bei bestehenden Mitarbeitern erkennen, hält es sich die Waage oder nimmt es vielleicht sogar ab?

Mag. Barbara Schopper (Schulmeister Management Consulting): Das Kompetenzmanagement gewinnt in vielen größeren Unternehmen zunehmend an Bedeutung und demnach gewinnen auch Potenzialanalysen weiter an Bedeutung und sind gefragt.

Theresa Spirik, Msc, Ma (Trenkwalder): Wir machen viele Angebote zur Potenzialanalyse. Im Grunde genommen begleitet unser KOMpetenzmanagement unsere Mitarbeiter durch ihre gesamte Karriere hindurch. Das Interesse wächst und die Haltung ist sehr positiv. Die intensive Beschäftigung mit den eigenen Stärken wird als spannend und bereichernd erlebt. Die besondere Aufmerksamkeit in den persönlichen Gesprächen wird ebenfalls sehr geschätzt.

Mag. Evelyn König (Deloitte Consulting): Da es in unterschiedlichen Branchen immer häufiger zu Engpässen an Spezialisten kommt, fokussieren sich Unternehmen immer stärker auf Nachwuchsplanung und –förderung. Internes Recruiting rückt immer mehr in den Fokus. Daher gewinnen Potenzialanalysen bei bestehenden Mitarbeitern an Bedeutung. Insbesondere im Falle von Eigentümerwechseln und Veränderungen im Aufsichtsrats- und Vorstandsbereich lässt sich ein steigender Bedarf an der Durchführung von Leadership Assessments erkennen. Bei diesen werden ganze Führungsteams insbesondere hinsichtlich ihrer Managementkompetenzen, strategischen Ausrichtung und dem Fit zur Unternehmensstrategie beurteilt. Mittels der Ergebnisse dieser Assessments können geeignete Führungskräfte entsprechend gefördert und weniger geeignete anderswo eingesetzt oder ausgetauscht werden.

Mag. Alfred Lackner (LACKNER & KABAS): Der Trend geht dahin, dass Potenzialanalysen mehr und auch gezielter eingesetzt werden. Die Anpassung des Verfahrens an Zielgruppe, Fragestellung und Situation des Unternehmens wird immer stärker gefordert. Damit im Zusammenhang steht eine zunehmende Qualifizierung von internen HR-Mitarbeitern die den gezielten Einsatz einer potenzialorientierten Diagnostik vorantreiben.

Daniela Schlick (Daniela Schlick Personalconsulting): In der Personalauswahl weise ich auf Basis eines psychometrisch/wertemetrischen Testverfahrens auf  kritische Bereiche hin, die im Finalinterview beleuchtet werden können, um die Gesprächszeit optimal zu nutzen. Insgesamt bildet das Diagnostikverfahren kognitive Fähigkeiten, Verhalten unter Druck, Problemlösungskompetenz, aktuelle Selbsteinschätzung und andere Parameter sehr genau ab. Das verkürzt Verfahren wie das Assessment Center, und macht die individuell zielgerichtete  Förderung von Mitarbeitern möglich.

Was sind die wesentlichen Ansätze für den verbesserten Einsatz von Potenzialanalysen?

Mag. Alfred Lackner (LACKNER & KABAS): Auf der einen Seite geht es immer stärker darum, bei Auswahl- und Entwicklungsprojekten im Rahmen der Diagnostik („dem Hinschauen und Sichtbar machen“) die Ebenen Potenzial (Welche Kompetenzen kann jemand noch wie leicht/schwer entwickeln?), Kompetenz (Was ist jemand in der Lage zu tun?) und Performance (Welche Leistungen hat jemand nachweislich erbracht?) sauber zu trennen und für jede dieser unterschiedlichen Ebenen geeignete Instrumente zur Verfügung zu stellen. Im Zuge des „Siegeszugs“ von Potenzialanalysen hat man in der Vergangenheit dieses Instrument ohne viel Nachdenken für fast alles eingesetzt. Das hat natürlich nicht immer so gute Ergebnisse gebracht und dem Verfahren ohne sein Verschulden manchmal einen schlechten Ruf eingebracht.
Auf der anderen Seite geht es im Sinne der Ökonomie darum, die Treffsicherheit bei einem möglichst geringen Einsatz von Mitteln aufrecht zu erhalten. Multimethodale Diagnostik liefert hier analog der Rasterfahndung in der Kriminalistik vielversprechende Ergebnisse. Auf dem Hintergrund der Globalisierung und „Dezentralisierung“ von Zusammenarbeit liefert auch die stärkere Nutzung der modernen Informationstechnologien im Rahmen der Diagnostik einen wesentlichen Beitrag zur Ökonomie. Für multinationale Konzerne führen wir das Briefing, die biographischen Analyse, das strukturierte Interview und das Transfergespräch per Videokonferenz durch.

Wie sieht es aus mit Manipulationsversuchen?

Theresa Spirik, Msc, Ma (Trenkwalder): Hier  möchte ich zwei Dinge anmerken. Zum einen ist die Systematik der Auswertung so ausgeklügelt, dass sie bei unwahrscheinlichen Auswertungen eine Art „Fehlermeldung“ ausgibt. Das sieht dann so aus, dass man aufgefordert wird, zusätzliche Auswertungen, auch von Dritten einzuholen um ein rundes Gesamtbild zu erhalten.  Damit bin ich aufgefordert mich mit meiner ursprünglichen Selbsteinschätzung und zusätzlich mit der von anderen auseinanderzusetzen. Im Gespräch kann man dann Diskrepanzen aufzeigen und hinterfragen. Das stärkt gleichzeitig die Reflexionsfähigkeit. Im Endeffekt ist das also ein Gewinn.
Zum anderen ist es ja so,  dass der Kandidat  in weiterer Folge keinen Vorteil davon hat zu manipulieren. Eine Potenzialanalyse ist nie das einzige Entscheidungskriterium für oder gegen einen Bewerber, sondern immer nur eine Ergänzung zum Gesamteindruck. Die Auswertung gibt eine Selbsteinschätzung der eigenen Stärken wieder. Auch wenn ich versuche mich besser darzustellen, als ich es eigentlich von mir denke, wird das in kürzester Zeit durch ein abweichendes Handeln auffallen. Und dann bin ich gefragt, meine Potenziale aktiv weiter zu entwickeln. Also wieder ein Gewinn für die eignen Stärken.

Es heißt Profilingvalues ist keine Selbstbeschreibung. Aber im Grunde beschreibt man sich doch selbst?

Daniela Schlick (Daniela Schlick Personalconsulting): Ja das klingt paradox – nichtwahr?  Es handelt sich hier nicht um ein Verfahren, indem zutreffendes oder nicht zutreffendes angekreuzt wird.  Die teilnehmende Person rangreiht jeweils 18 Aussagen in unterschiedlichen Dimensionen. Was die Person für am wertvollsten hält, stellt sie ganz oben hin, was sie für wertlos hält ganz unten. Da gibt es eine unheimliche Bandbreite von  Möglichkeiten. Der Person kann sich nicht erschließen, was eine Verschiebung in welcher Form bewirkt. Das macht es der Person unmöglich soziale erwünscht zu antworten. Insofern beschreibt sich die Person „unwissentlich“ selbst.

Welchen Nutzen hat eine Potenzial-Analyse für die potenziellen neuen oder bestehenden Mitarbeiter selbst?

Mag. Barbara Schopper (Schulmeister Management Consulting): Eine Potenzialanalyse bietet viel Reflexionsmöglichkeit hinsichtlich der persönlichen Eigenschaften und Kompetenzen. Wie glücklich und zufrieden jemand in seinem Job ist, hängt letztlich stark davon ab, inwieweit persönliche Eigenschaften und Kompetenzen im jeweiligen Arbeitsumfeld genutzt, angewendet und eingebracht werden können.


Die Gesprächspartner

Potenzial-Analysen in der Praxis

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Theresa Spirik, Msc, MA
Personalentwicklerin

Trenkwalder Personaldienste GmbH


koenig_evelyn_deloitteMag. Evelyn König
Senior Consultant

Deloitte Consulting GmbH


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Geschäftsführende Gesellschafterin

Schulmeister Management Consulting


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Mag. Alfred Lackner
Geschäftsführer

LACKNER & KABAS Management Assessments Psychologie


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Daniela Schlick Personalconsulting


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