Das frische Online-Magazin
für Human Resources
Familypark Teambuilding
Diversity Campus
mavie
safeguard global

BGF & Mindfulness | Das Gegenteil von großer Action (Betriebliche Gesundheitsförderung)

mindfulness

In wie fern ist Mindfulness in Österreichs Unternehmen angekommen? In einem Experten-Interview frage ich nach dem OB und dem WIE: konkrete Beispiele kommen auf den Tisch.

Mein letztes Experten-Interview zu Betrieblicher Gesundheitsförderung fokussierte die große Action. Heute ist der Blickwinkel doch sehr konträr.

 

BGM

 

Interview

Inwieweit hat die Achtsamkeitspraxis / Mindfulness Einzug in österreichische Unternehmen gefunden? Können Sie das mit Beispielen hinterfüttern?

Corinna Ladinig, MBA (CTC Academy): Es gibt Unternehmen, die die Begriffe „Achtsamkeit“ oder „Resilienz“ oder mentale Stärken in einige Programme aufgenommen haben. Vor allem Mitarbeiter verlangen diese Themen bzw. sind daran sehr interessiert. Vor allem größere Unternehmen bieten in ihren Seminarkatalogen diese Themen an.
Beispiele:

  • Ein Unternehmen, das ich kenne hat jetzt aus der Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz das Thema „Mentale Stärken zur aktiven Stressbewältigung im Arbeitsalltag“ aufgenommen.
  • Ein weiteres Unternehmen hat einen ganze Tag organisiert, wo es um das Thema Achtsamkeit geht. Ebenso wurde ein Seminarprogramm „Besser schlafen – konzentrierter arbeiten“ aufgenommen.

Was noch?

Mag. Ina Lukl (IBG): Mindfulness bzw. Achtsamkeit, bezogen auf Stressbewältigung und Arbeit, ist grundsätzlich nicht dazu gedacht, Mitarbeiter noch schneller und leistungsfähiger zu machen und damit unter der Prämisse knapper Ressourcen den wirtschaftlichen Erfolg kurzfristig anzukurbeln. Es ist also wichtig, dass Unternehmen sich dessen im Vorfeld bewusst werden und genau überlegen, warum sie sich dem Thema Achtsamkeit widmen und Maßnahmen dazu anbieten möchten. Wie gesagt, es geht nicht darum zu lernen, besser mit Stress umgehen zu können, um mehr oder länger aus- bzw. durchzuhalten, sondern darum, bewusster auf sich selbst, also die eigenen Gefühle und Reaktionen zu achten.
Mitarbeiter, die bewusster mit sich selbst umgehen und auf sich achten, können sich anlassbezogen auch besser abgrenzen, da sie rascher merken, wenn Stress negativ und damit ungesund wird. Genaueres Hineinspüren und das bewusste Wahrnehmen von Druck führen zu Veränderungen in Einstellung und im Verhalten. Langfristig können gelebte Achtsamkeit und achtsames Führen damit natürlich eine Kulturveränderung bewirken und zur Verringerung von Langzeitkrankenständen, Frustrationen und Konflikten führen.
Achtsames Führen setzt ganz oben an und bedeutet eine bewusste Auseinandersetzung mit der bisher gelebten Kultur und den vorhandenen Systemen. Im Kern geht es darum, dass eine echte Veränderung der Unternehmenskultur in Gang gebracht wird. Dazu gehört auch, dass für Mitarbeiter Möglichkeiten geschaffen werden Achtsamkeit im Arbeitsalltag zu leben.

Beispiele:

  • Längerfristig und sehr konsequent gedacht wäre ein achtwöchiger MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) Kurs für Führungskräfte und Mitarbeiter sehr empfehlenswert. Dieser Kurs stellt eine hochwirksame Methode dar, Stress abzubauen und besser mit Problemen und Belastungen umzugehen. Er findet im Allgemeinen außerhalb der Arbeitszeiten statt und kann seitens des Unternehmens organisiert und finanziell gestützt werden.
  • Diverse andere Achtsamkeits-, Resilienz- oder Entspannungstrainings können als Impulsworkshops oder in regelmäßigen Intervallen relativ flexibel und unkompliziert in Arbeitsplatznähe durchgeführt werden und sollen vor allem Anleitungen und Übungsmöglichkeiten für im Alltag umsetzbare Techniken bieten.
  • Werden, wie bei Yoga, körperliche Bewegungsabläufe mit Atemtechnik und Selbstbeobachtung kombiniert, können die Teilnehmer durch gezielte Anleitung sehr einfach am eigenen Leib erfahren, was Haltung ganzheitlich betrachtet bedeutet, wie stark Körper, Gefühle und Gedanken miteinander kooperieren und sich gegenseitig beeinflussen. Letztlich ändert sich vieles in unserem Leben durch die bewusste Veränderung unserer inneren und äußeren Haltungen.
  • Weitere mögliche Maßnahmen, die ein Unternehmen in Richtung Mindfulness setzen kann, wären Kurzpausen in Achtsamkeit. Z.B. fünf Minuten Meditation oder Atemübungen gemeinsam im Team praktizieren. Oder „Body Scan“ als rasche und sehr effektive Entspannungsmethode, bei der dem eigenen Körper mit Achtsamkeit begegnet wird.
  • Von der Etablierung eines Meditationsraumes oder Ruheraumes, der Meditation als neuer Form des Powernappings, regelmäßigen Gruppen, in denen Achtsamkeit gemeinsam geübt wird, bis hin zu Kursen, um Achtsamkeit oder die Fertigkeit des Selbstmitgefühls über mehrere Wochen zu erlernen, bietet sich Unternehmen ein breites Spektrum an Angeboten zum Thema Mindfulness.
  • Beispiel: MSC – Achtsames Selbstmitgefühl: 8-wöchiger Kurs, um die Fertigkeit des Selbstmitgefühls zu kultivieren. Ziel ist es, auch schwierigen Momenten im Leben mit Güte, Fürsorge und Verständnis zu begegnen. Eine stetig wachsende Zahl an Forschungsbefunden zeigt, dass größeres Selbstmitgefühl mit deutlich mehr emotionalem Wohlbefinden, weniger Angst, Depression und Stress und einem Aufrechterhalten gesunder Lebensweisen, wie guter Ernährung und Sport, sowie zufriedenstellenden Beziehungen einhergeht.

Bitte noch mehr Beispiele

Michael Leitner (Virgin Pulse): Mindfulness oder Achtsamkeit ist ein Thema im psychologischem Wohlbefinden und mit absoluter Sicherheit ein sehr wichtiges. In Zeiten von extremer Geschwindigkeit und Wandel ist die Entschleunigung der Mitarbeiter nicht zu vernachlässigen. Seit 2013 gesetzliche Pflicht ist die Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz: viele Unternehmen haben diese dementsprechend schon durchgeführt und daraus Maßnahmen abgeleitet. Wir hören jedoch immer wieder, dass dies als notwendiges Übel angesehen wird und sehr oft somit Durchführung und Ergebnisse einfach in einer Schublade landen ohne Nutzen für den Mitarbeiter selbst zu generieren. Wir stimmen zu, dass es wichtig ist die Belastungsfaktoren im Arbeitsumfeld zu evaluieren jedoch ist es umso wichtiger die Mitarbeiter auf der persönlichen Ebene zu unterstützen, mit potentiellen Belastungsfaktoren besser umgehen zu können. Dies sind einfach Wege mit viel Erfolg und großen Resultaten – dazu gehört auch das Thema Mindfulness, aber auch Dinge wie zum Beispiel der viel zu oft vernachlässigte Schlaf.

Meine Beispiele:

Es gibt sicherlich ein großes Angebot an Kursen/Seminaren und Trainings vor Ort hinsichtlich Achtsamkeit sowie psychischer Gesundheit, von manchen Unternehmen intensiv angeboten, von anderen weniger. Wir sehen definitiv die gleichen Trends wie mit allen anderen Angebotstypen und Vorstöße sich dem Thema anzunehmen, auch wenn es sicherlich noch sehr viel Potential hat. Das Feedback, welches wir stets bekommen und natürlich auch aus diversen eigenen Erfahrungen kennen ist, dass immer dieselben Mitarbeiter diese Angebote wahrnehmen. Diese sind jedoch in den seltensten Fällen diejenigen, für welche es am Wichtigsten wäre, da die wirklich gestressten Mitarbeiter sich keine Zeit dafür nehmen, sprich das Angebot genau an der essentiell wichtigen Zielgruppe vorbeigeht.

In Österreich ist traditionell das Training am Mann und der persönliche Kontakt sehr wichtig, weshalb noch sehr selten, besser gesagt viel zu wenig digitale Ansätze in Betracht gezogen werden. Dabei hat man speziell durch das digitale Medium die Chance wirklich alle Mitarbeiter zu erreichen, auch beispielsweise die Schichtarbeiter, welche kein Programm im Tagesverlauf in Anspruch nehmen können sowie Mitarbeiter im Außendienst und Unternehmen mit Mitarbeitern verteilt auf die unterschiedlichsten Standorte.

Haben Sie noch weitere Beispiele für mich?

Mag. Pia Kasa (wings4minds): Ich denke, dass die österreichischen Betriebe noch am Anfang stehen. Führungskräfte sind allerdings zunehmend interessierter am Thema. Das erkenne ich daran, dass z. B. Seminare zum Thema voll gebucht sind und auch Wartelisten bestehen.

Viktoria Steinhauser, MSc (Colited management consultancy): Interessant finde ich, dass dem Thema erst jetzt so viel Aufmerksamkeit zukommt.
Beispiele:
Ursprünglich aus den buddhistischen Lehren kommend, fand Mindfulness in den späten 70er in der Psychologie zum Management von chronischen Schmerzen Anwendung. Bereits Anfang der 90er wurde es schon in Management Literatur angeführt, wobei das ursprüngliche buddhistische Gedankengut weiterentwickelt wurde. Mindfulness hat auf jeden Fall nun auch in Österreich an Aufmerksamkeit gewonnen, aber eine Umsetzung in Unternehmen geht dabei sicher nicht von heute auf morgen. Über einfache Fragestellungen kann erhoben werden, wie achtsam Mitarbeiter bereits sind, um darauf aufbauend entsprechende Handlungen zu setzen.

Noch etwas?

Doris Spadt (People in focus): Die Achtsamkeitspraxis wird oftmals als esoterischer Hokuspokus abgetan. Die Erwartungshaltung durch Meditation und Achtamkeitsübungen seine Sorgen in wenigen Minuten abschütteln zu können, entspricht nicht der Realität. Achtsamkeit kann nicht verordnet werden, sondern ist eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Bewusstsein. Achtsamkeit muss vom Unternehmen gelebt werden, dann übernehmen es auch die Mitarbeiter.
Beispiele:
Unser Arbeits- und Lebensumfeld wiederspricht jeglichen Achtsamkeitsgrundlagen. Menschen haben zu funktionieren und Leistung zu erbringen. Schnelllebigkeit prägt unsere Gesellschaft. Die technischen und digitalen Kommunikationswerkzeuge tragen ihres dazu bei. Achtsamkeit würde bedeuten, bewusster mit seinem Leben und seinem Alltag umzugehen, nicht im morgen und übermorgen zu leben, sondern im Hier und Jetzt. Es würde bedeuten, wieder mehr auf sich zu hören und seine Bedürfnisse wahr zu nehmen. Den Fokus verändern. Wir haben es großteils verlernt. Sich dessen bewusst zu werden ist schon der erste Schritt zu mehr Achtsamkeit! Viele weitere Schritte müssen folgen. Eine gute Grundlage und wichtige Werkzeuge kann man in einem guten Resilienztraining erwerben.

 

Die Gesprächspartner

BGM – Betriebliches Gesundheitsmanagement

BGF & Mindfulness | Das Gegenteil von großer Action (Betriebliche Gesundheitsförderung)


Betriebliches Gesundheitsmanagement, BGF, BGMMag. Ina Lukl
Leitung Generationenbalance und Betriebliche Gesundheitsförderung

IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH

www.ibg.at


HRweb, MindfulnessMichael Leitner
Director Europe

Virgin Pulse


HRwebDoris Spadt
Inhaberin

People in focus e.U.


ladinig_corinna_ctc_150_q

Corinna Ladinig, MBA
Geschäftsführung

CTC Academy OG


Viktoria Steinhauser, New Work, Arbeitswelt 4.0, Zukunft der Arbeit, Arbeit 4.0, MindfulnessViktoria Steinhauser, MSc
Analyst

Colited management consultancy


HRweb

Mag. Pia Kasa

wings4minds Kasa KG


Mag. Eva Selan, MSc | HR-Redakteurin aus Leidenschaft

Theoretischer Background: MSc in HRM & OE. Praktischer Background: HR in internationalen Konzernen und KMUs in Österreich und den USA.
Nach der Tätigkeit beim Print-Medium Magazin TRAiNiNG als Chefredakteurin, wechselte sie komplett in die Online-Welt und gründete Ende 2010 das HRweb.

Kategorien

Schlagwörter

Want a successful team?
Radikales Coaching
Want a successful team?