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Minderleister | Der teure Kollateralschaden im Change-Prozess

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Minderleister – diese Wortkreation hat sich in den letzten Jahren im Management etabliert. Wie vieles in der heutigen Zeit, wird auch mit diesem Begriff versucht, ein wenig schmeichelhaftes Mitarbeiterbild zu versachlichen. Hinter dieser Behübschung steckt jedoch eine abwertende und defizitorientierte Zuschreibung und unausgesprochenen die Frage: „Wie werde ich diese Minderleister schnell los?“.

In einer Zeit, in der alle Unternehmen darüber klagen, wie schwierig es ist, neue und passende Mitarbeiter zu finden, könnte so eine Haltung zum Schuss ins eigene Knie werden. „Was brauchen meine Mitarbeiter, damit sie nicht zu Minderleistern werden?“ – sich diese Frage zu stellen, mag zwar unbequem und zeitaufwendig sein. Es könnte sich aber lohnen, weil dadurch knappe Personalressourcen gar erst nicht entstehen.

Minderleister – damit sind meistens die Alten gemeint

„Es gibt Mitarbeiter, die für ein Unternehmen auch dann noch zu teuer sind, wenn sie umsonst arbeiten würden.“  Dieses Statement wird Jack Welch, dem ehemaligen CEO des US-Multis General Electric, zugeschrieben. Welch gilt auch als Erfinder des Begriffs „Low Performer“. Und er hatte auch gleich parat, wie hoch deren Anteil in der Belegschaft ist. 20-70-10 lautete seine Formel: 20% Top-Performer, 70 % Durchschnitt und 10% Low-Performer.

Spricht man mit Führungskräften, hat man den Eindruck, dass in den Unternehmen heute deutlich mehr Minderleister als jene 10 % von Welch am Werk sind. Kaum jemand, der nicht einen Versager oder Veränderungsverweigerer im Team hat. Hört man dann genauer hin, geht es dabei sehr oft um Mitarbeiter 45+, die auch schon lange im Unternehmen sind. Diese Zielgruppe wird als verzichtbarer Ballast erlebt, wenn es darum geht, ein Unternehmen neu aufzustellen.

In unserer schnelllebigen Zeit laufen offensichtlich immer mehr ältere Mitarbeiter Gefahr, als Minderleister abgestempelt zu werden. Weil sie mit den sich permanent ändernden Anforderungen des Managements nicht mehr Schritt halten können. Oder noch schlimmer: Weil sie die Notwendigkeit von manchen Änderungen hinterfragen und damit einen zusätzlichen Zeitaufwand in der Führung generieren. Und Zeit ist ja bekanntlich Geld.

Minderleister – auch ein Produkt von schlechter Führung

Kaum jemand wird als Minderleister geboren. Dass für den Menschen Sinn in der Arbeit ein existenzielles Bedürfnis ist, wissen wir spätestens seit Viktor Frankl. Und das haben seither unzählige Arbeitsstudien wissenschaftlich belegt. Warum aber werden dann aus brauchbaren Mitarbeitern Minderleister? Ich wage zu behaupten: Das liegt vor allem an der mangelnden Führungs- und Kommunikationsqualität in Change-Prozessen.

Die Veränderungsspirale in den Unternehmen dreht sich immer schneller. Statt „Speed kills“ gilt „Wer bremst, verliert.“ Das was gestern noch gültig war, ist heute schon wieder passé. Ein Management-Dogma löst das andere ab. Kaum jemand versteht, was mit Begriffen wie Agilität oder Disruption in der Führung gemeint ist. Das ist wahrscheinlich auch gar nicht nötig, weil morgen  schon wieder ein anderer Management-Stil gehypt wird.

Mitten drin, statt nur dabei: die Führungskräfte der 2. und 3. Ebene. Sie sind es, die die Vorgaben des Top-Managements umzusetzen haben. Sie sind gefordert, das Heute noch zu sichern, während gleichzeitig das Morgen schon vorzubereiten ist. Ohne Wenn und Aber. Vor allem ohne Zeitressourcen für die erforderliche Kommunikation ins Team und daher auch ohne Geduld für die lästigen Fragen der Mitarbeiter. Der Change wird durchgepeitscht, ohne Rücksicht auf Verluste.

Und so kommt, was kommen muss. Wer in die Veränderung getrieben wird, ohne zu verstehen warum, wird wegen Orientierungslosigkeit und fehlender Perspektiven erst einmal stehen bleiben. Oder noch schlimmer aus Sicht der Unternehmen: er wird Widerstand leisten. Und sich damit selbst als Minderleister brandmarken.

Minderleister – eine Stigmatisierung der Orientierungslosen

Der Leistungsbegriff in den Unternehmen scheint sich in den letzten Jahren verändert zu haben. Heute steht oft die Veränderungs- oder Anpassungsfähigkeit im Vordergrund. Wer in der Lage ist, auch ohne lange Erklärung schnell in die Umsetzung zu kommen, der zählt zu den Leistungsträgern. Wer seine Orientierungslosigkeit kund tut, gilt als Bremser.

Was nicht passt, wird passend gemacht. Und wenn auch das nicht hilft, wird in die Ecke gestellt oder ausgetauscht. So war es bisher oft der Fall. In einem Arbeitsmarktumfeld, in dem die Nachfrage das qualifizierte Angebot bei weitem übertrifft, wird man sich langfristig einen anderen Zugang überlegen müssen, um zukünftig keine Produktivitätseinbußen zu riskieren.

Es wird kein Weg daran vorbeiführen, mehr Zeit in Führung und Kommunikation zu investieren. Um jene wieder in Bewegung zu setzen, die aus Angst und Orientierungslosigkeit stehen geblieben sind. Das ist nicht einfach. Aber wenn es gelingt, den Sinn einer Veränderung zu erklären, wird es vielleicht auch wieder „den unbezahlten Extrameter mehr“ als Gegenleistung geben.

Und der Begriff des Minderleisters wird wieder zu dem, was er immer schon war: eine verzichtbare Wortkreation.


„Kritiker haben wir genug. Was unsere Zeit braucht, sind Menschen, die ermutigen.“
(Konrad Adenauer, ehem. dt. Bundeskanzler)

Minderleister | Der teure Kollateralschaden im Change-Prozess

Harald Schmid | Teil unseres fixen Autoren-Teams

Mag. Harald Schmid ist Berater und hat sich auf firmeninterne schwierige Situationen wie Konflikt- und Trennungsmanagement, Personalkostenoptimierung und Outplacement spezialisiert. Er kann dabei auf seine langjährige Erfahrung als Personalleiter in namhaften Unternehmen zurückgreifen. Seit 2012 agiert er mit seinem Unternehmen klaglos.at erfolgreich am Markt.

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