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Continuous Learning Culture | Lernen als persönliche Erfahrung, die vom Unternehmen gefördert wird

09Okt2019
5 min
organisationsentwicklung-2-gesichter

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

Jane Hart beschreibt in ihrem Buch „Modern Workplace Learning 2019. Building a Continuous Learning Culture“ wie moderne Berufstätige lernen: Sie lernen sowohl in der Arbeit und durch Arbeit, als auch innerhalb und außerhalb der Arbeit. Sie lernen ständig und entscheiden dabei selbst, wie sie sich organisieren und letztendlich ihr Lernen und ihre Leistung erhöhen. „Autonomy and choice are the key.“ Lernen ist für sie eine persönliche Erfahrung, für die sie selbst verantwortlich sind.

Autorin „Lernen als persönliche Erfahrung, die vom Unternehmen gefördert wird“: Mag.a Steffi Bärmann

Führungskräfte ermöglichen und unterstützen dieses Lernen auf unterschiedlichste Weise und die Personalentwicklung unterstützt sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter auf diesem Weg. Traditionelles Training wird eher zum Einstieg ins Unternehmen bzw. in den Job benötigt, um Basiskenntnisse zu erwerben. Alles Weitere sollte entsprechend relevant und nutzenbringend für die Individuen sein. Der Mix besteht dabei aus:

  • moderne Trainings:
    technologiefreundlich, die Zusammenarbeit fördernd, mit Mikrolerneinheiten und experimentellem Lernen
  • Lernen bei der Arbeit:
    beziehungsfördernd, mit Reflexionen auf individueller und kollektiver Ebene, Wissen teilen als Kultur
  • selbst- und ständigem Lernen der Individuen:
    tägliche Lerneinheiten, ziel- und leistungsorientiert, Wissen erstellen, Wissen teilen

Die Mitarbeiter lernen somit (nach wie vor auch) durch Instruktion, entdecken auf informellen Wegen, tauschen sich in ihrem Netzwerk aus (Social Learning), experimentieren während ihrer Arbeit und erhalten dafür Feedback. Dabei sind sie letztendlich selbst dafür verantwortlich, dass sie fit für die Organisation bleiben. Der Lernerfolg wird konsequenter Weise an der erbrachten Leistung gemessen.

Auch Meister und Mulcahy, amerikanische Lernspezialisten, stellen die Frage, wie die Rolle der Personalentwicklung neu gedacht werden kann, weg vom Entwickeln und Vorgeben der Lerninhalte hin zu Designer von Lernerfahrungen. Ähnlich wie Hart fordern sie ein nachfragorientiertes Denken der HR-Abteilungen, das Schaffen von Lernmöglichkeiten, das Bilden von Lernpartnerschaften im und außerhalb des Unternehmens und Transparenz in der Bewertung des Lernerfolges. Sie vergleichen dabei traditionelle Trainingsprogramme mit einer eher transaktionalen Herangehensweise und On-Demand-Lernen mit einer transformationalen Erfahrung der Mitarbeiter.

 .

Wie viele Minuten am Tag lernen Sie selbstorganisiert und aus eigener Initiative am Arbeitsplatz? Und wie viel Zeit stellt Ihnen Ihre Organisation zur Verfügung?

Soweit so gut. Hart, britische Lernexpertin, befragt regelmäßig Mitarbeiter, wie viel Zeit diese damit verbringen, selbst initiiert am Arbeitsplatz zu lernen und wie viel Zeit ihnen dafür von der Organisation zur Verfügung gestellt wird. Ca. 300 von 700 befragten Mitarbeiter aus 40 Ländern gaben an, dass sie ca. 30-40 Minuten pro Tag selbstorganisiert lernen. Demgegenüber stehen 2/3 der Organisationen, die dafür keine Zeit zur Verfügung stellen.

Wie die PEp-Studie* aus dem Jahr 2016 zeigt, sieht es in österreichischen Unternehmen ähnlich aus (Abb. 1). Unternehmen haben mittlerweile eine gute Infrastruktur und können Räumlichkeiten, Software, Computer, Fachbücher etc. zur Verfügung stellen. Auf der anderen Seite fehlt die Zeit, um die eigene Weiterbildung während der Arbeitszeit voranzutreiben.

Infrastruktur und Zeit für Weiterbildung während der Arbeitszeit

Lernen am Arbeitsplatz

Abb. 1: Infrastruktur und Zeit für Weiterbildung während der Arbeitszeit, Antworten in % für ja, n = 94

Diese Ergebnisse könnten darauf hinweisen, dass zum einen noch keine Strukturen vorhanden sind, um modernes Lernen in den Organisationen umzusetzen. Ebenso könnte es sein, dass die Organisationen noch in den alten Schemen arbeiten und die HR-Abteilung die Rolle des Providers und Kontrolleurs der Inhalte noch gerne selbst innehat.

Learning out Loud (LOL) – eine Möglichkeit Hürden abzubauen

Ein Konzept, das hier ansetzt und Hilfestellung sein kann, ist jenes von Gernot Kühn und Martin Marx: Learning out Loud (LOL), einem Team deutscher Lernfuturisten. Dieses Lernsetting setzt an der Idee des Working Out Loud an und ist laut den Autoren sehr gut dazu geeignet, Hürden abzubauen und das Mindset der Anwender weiterzuentwickeln. LOL stellt einen formellen Rahmen zur Verfügung, in dem sich Mitarbeiter zusammenfinden und gemeinsam und doch individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten informell, digital und sozial lernen können.

Learning Out Loud wird in Kleingruppen von 5-6 Kollegen praktiziert, die nicht unbedingt ein Naheverhältnis zueinander haben müssen. Verschiedene Sichtweisen sind hier willkommen und hilfreich. Der Lernprozess wird zudem von einem Prozessbegleiter unterstützt. Die Dauer des Lernsettings ist auf 7 Wochen angelegt, wobei in jeder Woche ein Lernschritt (Abb 2.) vollzogen wird, sowie ein Treffen in der Gruppe pro Woche vorgesehen ist. Während in den ersten 3 Wochen auf der Basis von eigener Recherche systematisch geplant und an Umsetzungsschritten gearbeitet wird, entstehen in der zweiten Hälfte des Zyklus Inhalte, wie z.B. Videos, Podcasts, Blogeinträge etc., die einer breiteren Öffentlichkeit, z.B. Intranet, zur Verfügung gestellt werden. Die Gruppe fungiert dabei als Hinweis- und Impulsgeber und die Prozessbegleitung sorgt für realistische Ziele und die Passung zum Unternehmen.

 

Prozessschritte Learning Out Loud

Lernen am Arbeitsplatz

Abb. 2: Prozessschritte Learning Out Loud, Gernot Kühn und Martin Marx

Das Thema Zeit bleibt bestehen: Für den gesamten Prozess werden wöchentliche Meetings von jeweils ca. einer Stunde und eine Eigenleistung von 1-3 Stunden pro Woche vorgeschlagen.

Fazit: Es gibt starke Hinweise dahingehend, dass es eine Veränderung im Lernen in Organisationen hin zu einer persönlichen Lernerfahrung des Individuums geben wird, das es versteht, selbstverantwortlich und im Sinne des Unternehmens zu lernen. Eine systematische Herangehensweise könnte helfen, die Komplexität des Themas einzufangen. Letztendlich ist es jedoch notwendig, Lernen nachfrageorientiert zu denken, Lernmöglichkeiten zu schaffen, Lernpartnerschaften zu bilden, Transparenz in der Bewertung des Lernerfolges zu ermöglichen und diesen Erfolg nach außen zu kommunizieren.


Quellen & Literaturempfehlungen

* Die vorliegende Studie, kurz PEp-Studie, wurde 2016 im Rahmen eines Kooperationsprojektes des Studienbereichs Personal & Organisation der FHWien der WKW mit 5p Consultung und Business Circle durchgeführt. Die ersten Ergebnisse wurden auf der PEp 2016 (organisiert durch den Business Circle) vorgestellt.
Befragungszeitraum: aug-sep2016
Teilnehmer: 140 Personen aus dem Personalbereich und anderen Abteilungen österreichischer Unternehmen

  • Hart, Jane (2019): Modern Workplace Learning 2019. Building a Continuous Learning Culture. Centre for Modern Workplace Learning. Centre for Learning & Performance Technologies
  • Kühn, Gernot; Marx, Martin (2019): Learning out Loud, https://learningoutloud.de/leistungen/learningoutloud/ (abgerufen 29.09.2019)
  • Meister, Jeanne C; Mulcahy, Kevin J. (2017): The Future Workplace Experience. 10 Rules for Mastering Disruption in Recruiting and engaging Employees. McGraw Hill Education

Continuous Learning Culture | Lernen als persönliche Erfahrung, die vom Unternehmen gefördert wird

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