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Burnout im Homeoffice kommt oft schleichend, von außen unbemerkt, da die Übergänge von Arbeit zum Privat-Bereich fließend sind und der direkte Kontakt mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen fehlt, womit die Rückmeldung von außen zu wenig stattfinden kann.

In einem Interview

  • möchte ich wissen, wie mögliches Burnout in dieser Homeoffice-Situation erkannt werden kann und
  • bitte um eine Checkliste für Führungskräfte

INTERVIEW

CorporateHealth

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Wie ist Burnout im Home Office am schnellsten zu erkennen?

Mag. Regina Nicham (IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement): Allgemein geht es um Veränderungen in der Persönlichkeit, im Verhalten und in der Leistungsfähigkeit beim Gegenüber. D.h. wichtig ist gerade, wenn die Mitarbeiterinnen im Home Office sind, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um in Kontakt zu bleiben bzw. zu kommen. Mit dem Ziel, eben Veränderungen zu beobachten oder auch Belastungen frühzeitig besprechen zu können. Z.B. Video statt Telefon, Telefon statt Email, regelmäßige Jour Fixe im Team, aber auch unter 4 Augen; regelmäßig Nachfragen wie es geht – arbeitsmäßig, aber auch privat/persönlich; sich auch Zeit für „Plaudern“, SmallTtalk nehmen, usw.

Vielleicht kann man dann doch erkennen, wenn sich Mitarbeiter weniger zu Wort melden als sonst, weniger erzählen, sich optisch verändern (z.B. Müdigkeit, Körperpflege, Gewichtsveränderungen), bei Meetings fehlen, Termine absagen, zu spät kommen, emotionaler reagieren, von privaten Problemen erzählen; auf konkretes Nachfragen doch erzählen, wo vielleicht gerade der Schuh drückt. Und wichtig trotz Home Office regelmäßige persönliche Treffen einzufordern bzw. zu organisieren, ob jetzt in den Teams gemeinsam oder auch immer wieder einzeln, z.B. in Verbindung mit einer gemeinsamen Mittagspause usw.

Mag. Meho Sylvester (brainLight): Burnout im Home Office zu erkennen, fällt oft nicht leicht. Die Arbeit entgrenzt sich dort meistens. Häufig arbeiten die Angestellten am Küchentisch, wenige verfügen über ein eigenes Arbeitszimmer. Das hält die Arbeit in Dauerpräsenz, denn der Küchentisch ist ein zentraler Ort der Wohnung, an dem auch gegessen und Freizeit verbracht wird. Früher war die Arbeit räumlich von der eigenen Wohnung getrennt. Das half, beide Bereiche voneinander zu separieren. Heute führen die ständige Erreichbarkeit und ein nie vorüber ziehender Stress bei manchen Menschen ins Burnout.

Schlechter Schlaf kann ein Indiz sein. Gefährdet sind Menschen, die sich sehr über ihre Arbeit identifizieren, sich schwer tun mit dem Abgrenzen und vielleicht auch zur Perfektion neigen. Rückzug und das Vernachlässigen von sozialen Begegnungen nannte man früher als einen Indikator für einen beginnendes Burnout. Heute wird es damit schwieriger, da die soziale Distanz Corona-bedingt erwünscht ist. Es gibt jedoch weitere Indikatoren, dieser schleichend voranschreitenden mentalen Krise. Wenn Angestellte schlecht schlafen, ja das Gedankenkarussell nicht mehr abschütteln können, gilt es gegenzusteuern. Jedoch tritt die Krankheit individuell verschieden auf. Einige klagen über Magen-Darm-Probleme, andere Menschen erleben Nacken- und migräneartige Kopfschmerzen oder eine innere Leere. Gemein ist bei allen Betroffenen die auftretende völlige Erschöpfung.

Führungskräfte bemerken häufig erst spät, dass Hilfe gebraucht wird. Vorgesetzte tun sich jedoch mit dem Erkennen schwer, da virtuell stattfindende Meetings meist fachbezogenen Charakter haben. Das obligatorische „Wie geht’s?“ fällt oft dem Tagesgeschäft zum Opfer. Auch der Social-Talk am Ende solcher Treffen kommt meistens zu kurz. Dieser ist jedoch sehr wichtig. Dem Smalltalk kommt als Burnout-Prävention eine zentrale Rolle zu, er fehlt aber im Home Office oft völlig. Führungskräfte merken in Home Office-Zeiten meistens erst spät, dass jemand Hilfe braucht.

So weit zur Theorie. Gehen wir in die Praxis, werden ganz konkret und ich bitte um eine Checkliste:

Haben Sie eine kurze CHECKLISTE, die eine Führungskraft für ihre Mitarbeitenden verwenden kann?

Mag. Regina Nicham (IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement):

  • … wirkt nervös und überreizt auf mich; verringerte Emotionskontrolle
  • … ist vergesslicher als früher
  • … zieht sich zurück, erzählt weniger von sich bzw. privat (Kurz-Angebunden-Sein); nimmt an sozialen Ereignissen nicht mehr teil
  • … ist weniger leistungsfähig als früher; Vermeidungsverhalten
  • … signalisiert eine starke Überforderung – Nachfragen und ernst nehmen; Hinterfragen und Zuhören
  • … ist oft müde
  • … klagt häufig über Kopfschmerzen, Schwindel – allgemein körperliche Beschwerden
  • … Gewichtsveränderungen
  • … ist häufig krankgeschrieben
  • … scheint negativ zu sich/zur Arbeit eingestellt zu sein; auch selbstunsicherer
  • … ist zynisch gegenüber Kunden, Kollegen, der Arbeit, der Firma
  • … geht in Aufgaben auf, zeigt größtes Engagement (v.a. zu Beginn); immer erreichbar, Emails regelmäßig außerhalb der „normalen“ Arbeitszeiten; Überstunden

Mag. Meho Sylvester (brainLight):

  • Small Talk als Vorbeugung: “Keep in touch!“- das In-Kontakt-bleiben ist ganz wichtig als Burnout-Vorbeugung, auch wenn‘s bei dem Austausch um ganz banale Dinge geht. Formate können ein virtuelles Kaffeetrinken am Nachmittag oder eine virtuelle Mahlzeit sein, die einmal wöchentlich im persönlich engsten Kreis der Mitarbeitenden stattfindet. Auch der regelmäßige Anruf eines Kollegen oder einer Kollegin kann dazu verhelfen, die Seele baumeln zu lassen.
  • Wochenende dient der Privatsphäre: „Am Wochenende ist Schluss mit der Arbeit!“ – nicht nur im Home Office arbeitende sollten danach ihr Smartphone und ihren Laptop ausschalten und wegräumen. Die Arbeit beginnt erst wieder am jeweiligen Montagmorgen.
  • Erreichbarkeit bedarf der Kommunikation: Das Vorgehen nach Feierabend sollte durch die HR festgelegt und kommuniziert werden. Denkbar sind feste Kernarbeitszeiten, zu denen jeder Mitarbeitende präsent sein muss. Regeln zur Erreichbarkeit bedürfen ebenfalls der Kommunikation.
  • Austausch zu den Befindlichkeiten mit Führungskräften: Wichtig sind auch Gespräche der jeweiligen Vorgesetzten mit den Mitarbeitenden, in denen diese über ihre Befindlichkeiten sprechen können. Thema kann hier sein, wie die Beschäftigten entlastet und wie Stress reduziert werden können.
  • Wertschätzung als wichtiger Baustein der Arbeitskultur: Eine Arbeitskultur der Wertschätzung trägt außerdem zum Wohlbefinden im Job bei. Wenn bei der virtuellen Zusammenarbeit und Kommunikation darauf geachtet wird, steigert sich die mentale Gesundheit der Angestellten und sie sind zufriedener. Tipps dazu sollte die HR bereithalten.
  • Informierte Mitarbeitende sind motivierter: Ein guter Top-Down-Informationsfluss über die Lage des Unternehmens ist eine wichtige Facette im Mosaik der Burnout-Vermeidung. Die Geschäftsleitung sollte hierzu eventuell monatliche Meetings einberufen. Remote Arbeitende fühlen sich so motivierter und identifizieren sich dadurch mehr mit der eigenen Company, auch wenn sie nicht direkt vor Ort arbeiten.

Die Interview-Partner

Mag. Meho Sylvester 

  • Director Sales, Vertriebspartner Österreich
  • brainLight GmbH
Meho Sylvester Brainlight

Mag. Regina Nicham

Regina Nicham, IBG
Mag. Eva Selan, MSc | HR-Redakteurin aus Leidenschaft

Theoretischer Background: MSc in HRM & OE. Praktischer Background: HR in internationalen Konzernen und KMUs in Österreich und den USA.
Nach der Tätigkeit beim Print-Medium Magazin TRAiNiNG als Chefredakteurin, wechselte sie komplett in die Online-Welt und gründete Ende 2010 das HRweb.

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