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Ambidextrous Leadership | Von der Kunst der Beidhändigkeit in dynamischen Führungswelten

haende-Ambidextrie

„Beidhändigkeit“ oder „Ambidextrie“ gewinnt in der täglichen Führungsarbeit zunehmend an Bedeutung. Darunter versteht sich die Fähigkeit, unterschiedliche Handlungsweisen und scheinbare Widersprüche wie z.B. Hierarchie versus Selbstorganisation in Einklang zu bringen und für Transformationsprozesse zu nutzen.

Die Change Management Studie 2019 von Capgemini geht der Frage nach, inwieweit Unternehmen die Transformation von einer klassischen Organisation hin zu einer sich rasch wandelbaren, agilen Organisation vollziehen. Sie fußt auf einer Online-Befragung von rd. 1.100 Teilnehmern aus elf Ländern. Die Ergebnisse zeigen, dass sich aktuell mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen (54,4 %) inmitten dieses Transformationsprozesses befinden. Von Führungskräften erfordert das zumeist die Fähigkeit, die teils widersprüchliche Logik der alt-klassischen Organisation mit jener der neu-agilen Organisation in Einklang zu bringen.

Spannungsfelder zwischen alten und neuen Organisationswelten

Die Transformation zur agilen Organisation vollzieht sich nicht von heute auf morgen. Agile Elemente werden zunächst in einigen Bereichen erprobt und gegebenenfalls auf andere Bereiche ausgeweitet: Teams erhalten agile Coachings und werden schrittweise sicher in der Anwendung von Stand-ups, Sprints, Personas und Touch-Points. Mitarbeiter beginnen langsam, ihre Rollen und Aufgaben zu reflektieren, bekommen größere Handlungsspielraume, wofür Führungskräfte im Gegenzug Verantwortung für die Zielerreichung erwarten. Ergebnisse eines Forschungsprojektes an der FHWien der WKW zeigen, dass sich der Transformationsprozess von der klassischen zur agilen Organisationen entlang eines Kontinuums zwischen alten und neuen Organisationswelten mit unterschiedlichen, sogar teils widersprüchlichen Organisationslogiken vollzieht. Die klassische Organisation ist ganz im Sinne der Idee des Scientific Management geprägt. Analyse der internen Vorgänge, Hierarchie, Arbeitsteilung und vollständige Planbarkeit definieren die Logik dieser Unternehmen. Effizienz (Exploitation) unter Erhaltung der bestehenden Strukturen ist die oberste Prämisse. Veränderungen stehen nicht an der Tagesordnung und müssen meist gut geplant, instruiert und meist mühevoll umgesetzt werden. Agile Organisationen ticken hier anders: radikale Kundenorientierung, variable Strukturen, flache Hierarchien, Selbstorganisation und laterale Kommunikation prägen die Logik dieser Unternehmen. Ihr Zweck ist das fortdauernde Erfüllen sich ändernder Kundenbedürfnisse. Veränderung ist von Anfang an vorgesehen, durch eine korrespondierende Organisationsstruktur, die offen für organisationales Lernen und neue Verhaltensweisen ist. Effektivität (Exploration) ist die oberste Prämisse.

Im angesprochenen Transformationsprozess existieren beide Organisationswelten mit ihren teils widersprüchlichen Logikelementen parallel. Dabei entstehen Spannungsfelder zwischen klassischen und agilen Denk- und Handlungsweisen. Das Management dieser Spannungsfelder obliegt dem mittleren Management und erfordert das Geschick, die Balance zwischen alten und neuen Führungsprinzipien zu halten.

Management von Widersprüchen: Ambidextrous Leadership

Der klassische Manager sorgt dafür, dass sein Bereich zuverlässig funktioniert. Klassische oder exploitative Führung ist demnach darauf aus, bestehende Strukturen zu erhalten und zu optimieren. Führungskräfte setzen Ziele, führen Leistungskontrollen, geben systematisches Feedback und belohnen oder bestrafen je nach Zielerreichungsgrad. Die Rolle der agilen Führungskraft hingegen ist eine neue. Der agile Manager sorgt dafür, dass sein Team die bestmöglichen Bedingungen hat, um seine Aufgaben möglichst selbstorganisiert zu bearbeiten. Dabei setzt diese Form der explorativen Führung auf Vorbildhandeln, inspirierende Motivation, geistige Anregung und die individuelle Entwicklung einzelner Teammitglieder.

In der reinen Form kommen diese beiden Führungsansätze selten vor. In den aktuellen Transformationsprozessen bewegen sich Führungskräfte somit zwischen den beiden Polen „total exploitativ“ oder „total explorativ“. Konkret bedeutet das, dass von Führungskräften hier aktuell gefordert wird, je nach Situation beide Führungsansätze parallel einzusetzen. In diesem Zusammenhang beschreibt Ambidextrie oder Beidhändigkeit die Fähigkeit von Führungskräften, zwischen diesen beiden unterschiedlichen, teilweise sogar widersprüchlichen Ansätzen hin und her zu wechseln. Je nach Situation wird sowohl der eine als auch der andere Ansatz umgesetzt. Das kann beispielsweise bedeuten, dass die Führungskraft auf der einen Seite lediglich Ziele vorgibt und die Umsetzung vollkommen dem Team überlässt (explorativ) und auf der anderen Seite gleichzeitig dafür sorgen muss, dass Routinen eingehalten und Regeln befolgt werden (exploitativ). Die vorhandenen Widersprüche sind offensichtlich. Beidhändige Führungskräfte müssen mit Widersprüchen umgehen und die Balance gut halten können sowie ein hohes Ausmaß an Empathie für Ihre Mitarbeiter mitbringen. Das macht beidhändige Führung sehr anspruchsvoll! Implikationen für die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften sind dringend verstärkt zu diskutieren.


Literatur

Blessin, B./Wick, A. (2016): Führen und führen lassen in der Praxis. Fallbeispiele. UVK Verlag, Konstanz und München.

Braun, C./Krauß, U. (2019): Agile Power Guide. Fokussiert, schnell und flexibel zum Erfolg.Handelsblatt Fachmedien Verlag, Düsseldorf.

Capgemini Invent (2019): Auf dem Sprung: Wege zur Organizational Dexterity. Change Management Studie 2019. Online unter: www.capgemini.com/de-de/invent, Stand per 26nov2019.

O‘Reilly III , C.A./Tushmann, M.L. (2004): The Ambidextrous Organization. Harvard Business Review, 82 (4), 74-81.

Schweiger, C./Kump, B. (2018): Lerne die Regeln um sie zu verändern! Die Rolle der Organisationslogik in Veränderungsprozessen. Zeitschrift: Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 2018.

Ambidextrous Leadership | Von der Kunst der Beidhändigkeit in dynamischen Führungswelten

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Die Forschungsausrichtung des Instituts für Personal & Organisation FHWien der WKW liegt an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis mit folgenden Schwerpunkten: zukunftsorientiertes HRM, strategischer Wissensaufbau und Wissensnutzung, nachhaltiges Veränderungsmanagement, Führung und Leadership.

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