Eine wirksame Strategie verbindet das Erlernte und Erlebte aus der Vergangenheit mit dem Zielbild von morgen. Sie ist nicht nur ein Wegweiser in die Zukunft, sondern auch ein Spiegel dessen, was funktioniert hat – und was nicht.
⇒ Serie: Future Design Prozess
Doch welche praktischen Konsequenzen ergeben sich daraus für die tägliche Strategiearbeit? Wie können Führungskräfte dieses Verständnis nutzen, um Wandel wirksam und nachhaltig zu gestalten?
Ein Versuch von Strategieverständnis
Strategie ist ein sperriger Begriff, gerne als theoretisches Konstrukt gesehen, das an Management-Verhandlungstischen diskutiert wird, im Grund aber wenig mit der Realität und dem eigentlichen unternehmerischen Zweck und operativen Geschäft zu tun hat.
Oft wird Strategie mit ambitionierten Zielbildern, Zukunftsvisionen oder disruptiven Ideen gleichgesetzt, v.a. in unsicheren Zeiten, in denen man gerne nach Innovationen und Neuerungen ruft.
Und dennoch ist Strategie unabdingbar, wenn es darum geht, nachhaltig an der Weiterentwicklung einer Organisation zu arbeiten. Denn sonst gibt es Schnellschüsse und Blitzaktionen, die zwar kurzfristig erfolgreich sein mögen, mittel- bis langfristig aber mitunter nicht, weil sie nicht in das große Zielbild – die Vision – einzahlen.
Warum ist Vergangenheit wichtig für die Strategiearbeit?
Ohne Zweifel: Strategie muss zukunftsgerichtet sein. Doch sie darf sich nicht losgelöst von der Realität entwickeln. Denn jede Zukunft hat eine Herkunft. Und genau an dieser Schnittstelle entsteht eine tragfähige Strategie – zwischen dem, was war, und dem, was sein soll.
Strategie ist damit kein radikaler Neuanfang im luftleeren Raum, sondern ein bewusster, reflektierter Brückenbau: Sie verbindet Erfahrungen, Stärken, Muster und Prinzipien der Vergangenheit mit neuen Anforderungen, Chancen und Visionen der Zukunft.
Es braucht also ein unternehmensinternes Narrativ, das sich an den Werten, Handlungsweisen und Erfahrungen der Organisation orientiert, um zukunftsgerichtete Strategiearbeit zu ermöglichen und sicherzustellen, dass die erarbeiteten Strategien auch umgesetzt werden. Strategie ist immer auch ein Kommunikationsprozess. Wer die Vergangenheit anerkennt und reflektiert, zeigt Respekt vor dem Geleisteten und baut Vertrauen auf und das wirkt gleich zweifach:
Nutzung von Organisationalem Wissen
In jeder Organisation schlummern wertvolle Erfahrungen, egal, wie lange eine Organisation bereits besteht. Es geht um Erfolge, Stolpersteine, Entwicklungen und Kompetenzen, die im Laufe der Zeit erworben wurden. Strategiearbeit, die diese Erkenntnisse ignoriert, riskiert Wiederholungen von Fehlentwicklungen oder den Verlust funktionierender Prinzipien. Es geht also darum, sich organisationales Wissen und wertvolle Ressourcen zu Nutze zu machen. Fragestellungen, die dabei helfen können, sind bspw.:
- Was hat zu einem oder mehreren Erfolgen in der Vergangenheit geführt und warum?
- Welche Muster haben uns ggf. blockiert? Was hat zu Misserfolgen geführt?
- Welche Kompetenzen und Ressourcen haben sich bewährt?
Verständnis und Anschlussfähigkeit der (neuen) Strategie
Strategie kann nur wirken, wenn sie zur DNA des Unternehmens passt. Das bedeutet, dass sie anschlussfähig sein darf – an das Selbstverständnis, an die Kultur, an das „Wie“ der Organisation.
Diese Anschlussfähigkeit erreicht man, in dem man wertschätzend auf vergangene Erfolge aufbaut, Grenzen des Bestehenden faktisch untermauert und Chancen und Möglichkeiten zur Verbesserung der IST-Situation aufzeigt.
Wie verbindet man nun Vergangenheit und Zukunft?
Rückblick als festen Bestandteil etablieren
Jeder strategische Aufschlag sollte mit einer Reflexion beginnen, in der Erfolge, Learnings, Prinzipien und Stolpersteine diskutiert werden. Diese Rückschau erlaubt, das Bestehenden wertschätzend einzubinden, um sich dann bewusst der Zukunftsgestaltung zuwenden zu können. Am Ende dieser Reflexion ist klar: Was nehmen wir mit und was lassen wir getrost zurück.
Strategie als Prozess verstehen, nicht als Ergebnis
Strategie ist kein einmaliges Papier, sondern ein laufender und lernender Prozess. Zwischen Rückblick und Ausblick braucht es Iteration, Dialog und Mut zur Korrektur. Strategie darf regelmäßig evaluiert und angepasst werden.
Mitarbeitende einbeziehen
Vergangenheit ist in den Köpfen und Erfahrungen der Mitarbeitenden gespeichert. Ihre Perspektiven helfen, blinde Flecken zu entdecken. Gleichzeitig stärkt Partizipation die Akzeptanz und Umsetzungskraft strategischer Entscheidungen.
Strategische Leuchttürme setzen
Verbindung zur Zukunft gelingt, wenn Strategie konkrete Experimentierräume und eine Kultur der Fehlerfreundlichkeit schafft, also neue Ansätze ermutigt und entstehende Fehler dabei bewusst in Kauf nimmt. Pilotprojekte, neue Partnerschaften, die Möglichkeit, Dinge einfach mal komplett anders zu machen sind die tragenden Elemente der Brücke: Sie zeigen, wie Zukunft konkret aussehen kann, ohne die Organisation zu überfordern.
Führungskräfte sind Brückenbauende, keine Architekten
Führungskräfte sind oft gewohnt, Strategien zu „machen“ oder zu „verhandeln“ und dann zu delegieren. Doch in einer komplexen Welt verändert sich diese Rolle von der Architektin zur Brückenbauerin, die
- die Vergangenheit versteht,
- die Zukunft antizipiert,
- die Menschen begeistert und mitnimmt und so
- Räume für Entwicklung schafft.
Das gelingt auch durch ein starkes Brückenfundament, für das es zu erkennen gilt, welche Bausteine nicht hilfreich sind:
- Vergangenheitsverklärung: Wer die Vergangenheit idealisiert, blockiert den Blick nach vorne. Strategie darf würdigen – aber nicht verklären.
- Radikale Brüche: Ein Bruch mit der Vergangenheit mag in Einzelfällen nötig sein, ist aber meist teuer, riskant und verlustreich. Brücken zu bauen ist nachhaltiger als Brücken zu sprengen.
- Zukunft ohne Kontext: Visionen ohne Bezug zur Realität wirken generisch und unglaubwürdig. Eine „schöne neue Welt“ muss anschlussfähig gedacht werden.
Starke Führung erkennt an, dass sie nicht alles weiß. Sie schafft es, den Rahmen so zu setzen, dass ein partizipativer Prozess der Strategiefindung und Umsetzung ermöglicht wird, in dem alle aktiv mitdenken, mitgestalten und mitverantworten wollen.
Fazit
Strategie ist keine Entweder-oder-Entscheidung zwischen Tradition und Innovation. Sie ist ein bewusst gebauter Übergang: Von dem, was war, zu dem, was sein soll. Diese Brücke gibt Menschen Orientierung, Klarheit und Anschluss. Wer Strategiearbeit als Brückenbau versteht, integriert die Kraft der Erfahrung mit der Energie der Zukunft. Das schafft nachhaltige Entwicklung, echte Veränderung und echten Fortschritt. Denn: Zukunft beginnt dort, wo wir bereit sind, die Vergangenheit mit offenen Augen zu betrachten – und mutig darüber hinauszudenken.
HR-Strategie | Strategie ist die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft