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Teamimpuls

Teilzeit ist kein „Mami-Modell“. Es ist moderne Arbeitskultur.

15Sep2025
4 min
Teilzeit

HR-Know-how aus der Praxis für die Praxis

Inhalt

„Teilzeit ist Lifestyle“ versus „Teilzeit entsteht nur wegen fehlender Kinderbetreuung“! 2 Narrative, die sich regelmäßig in den Vordergrund drängen. Beide greifen jedoch zu kurz.

Weshalb reden wir überhaupt über Teilzeit?

Ja, Österreich hat eine der höchsten Teilzeitquoten Europas. Insbesondere bei Frauen. Laut Eurostat liegt die Teilzeitquote bei Frauen in Österreich bei über 47 %, nur in den Niederlanden ist sie höher. Das weckt Aufmerksamkeit: politisch, wirtschaftlich und medial.

Aber: Weder handelt es sich um einen faulen „Lifestyle“, noch lässt sich die hohe Teilzeitquote rein mit dem Fehlen von Kinderbetreuungsplätzen erklären. Die Realität ist deutlich differenzierter. Und sie ist gestaltbar.

Kinderbetreuung: Eine Grundvoraussetzung,

aber nicht die einzige Stellschraube

Selbstverständlich ist flächendeckende, qualitativ hochwertige Kinderbetreuung eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dass wir im Jahr 2025 noch immer darüber sprechen müssen, ist ernüchternd. Besonders in ländlichen Regionen oder für unter Dreijährige sind Betreuungsangebote noch immer lückenhaft oder nicht flexibel genug.

Doch die Teilzeit-Debatte wird viel zu häufig ausschließlich damit verknüpft. Dabei zeigt sich in der Praxis: Nicht alle Teilzeit-Angestellten sind Eltern kleiner Kinder. Und nicht alle arbeiten unfreiwillig in Teilzeit. Ganz im Gegenteil:

  • Viele entscheiden sich bewusst für mehr Lebenszeit,
  • für Weiterbildung,
  • für die Pflege anderer Familienmitglieder,
  • für ehrenamtliches Engagement,
  • für Gesundheit und Erholung,
  • oder für eine zweite Erwerbsquelle.

Die einseitige Verknüpfung von Teilzeit mit Kinderbetreuung greift zu kurz und verhindert die Entwicklung moderner, individueller Arbeitszeitmodelle.

Deshalb: Statt staatlicher Eingriffe wünsche ich mir mehr Vertrauen in flexible, eigenverantwortliche Lösungen. Unternehmen und Menschen sollten eigenständig entscheiden dürfen, wie viel, wann und wo sie arbeiten wollen oder können.

Die staatliche Perspektive:

Weshalb möchte Österreich mehr Vollzeit?

Der Wunsch nach mehr Vollzeitbeschäftigung hat unter anderem volkswirtschaftliche Gründe:

Finanzierung des Sozial- und Pensionssystems

Das bestehende System basiert auf der Annahme stabiler Vollzeitbeschäftigung. Teilzeit bedeutet geringere Beiträge, was die langfristige Finanzierung unter Druck bringt.

Steueraufkommen

Agenda Austria rechnet vor, dass dem Staat jährlich rund 4,9 Milliarden Euro durch freiwillige Teilzeit verloren gehen, bei ca. 320.000 Menschen, die theoretisch mehr arbeiten könnten.

Wirtschaftswachstum

Vollzeit wird als Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstanden, denn mehr Arbeitsstunden = mehr BIP.

Kritisch hinterfragt werden muss jedoch: Wie nachhaltig ist ein System, das mehr Arbeitszeit erzwingen will? Anstatt die Produktivität, Effizienz und Gesundheit zu fördern?

Teilzeit aus Unternehmenssicht – Pro und Contra

Pro (Vorteile)

Contra (Herausforderungen)

Höhere Motivation und Zufriedenheit: Teilzeit-Mitarbeitende schätzen die Flexibilität und zeigen oft hohe Loyalität.

Höherer Koordinationsaufwand: Mehr Abstimmungen notwendig, z. B. bei Job-Sharing oder Schichtplanung.

Weniger Krankenstände und Burnout-Risiko: Teilzeit kann zur besseren Regeneration beitragen.

Komplexere Kommunikationswege: Informationen müssen gezielt verteilt werden, da nicht alle gleichzeitig anwesend sind.

Bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben: Unterstützt Employer Branding und wirkt positiv auf Recruiting.

Erhöhte Verwaltungskosten pro Kopf: z. B. bei IT-Zugängen, Arbeitsmitteln, Onboarding etc.

Flexibler Personaleinsatz: Teilzeit ermöglicht variable Einsatzpläne, z. B. zur Abdeckung von Stoßzeiten.

Begrenzte Verfügbarkeit: Nicht alle Aufgaben oder Rollen sind teilzeitgeeignet.

Zugang zu neuen Talentgruppen: z. B. Eltern, Wiedereinsteigenden, Studierende, ältere Arbeitskräfte.

Karriere- und Entwicklungswege schwerer planbar: Teilzeitkräfte werden in manchen Organisationen seltener befördert.

Förderung von Diversität und Inklusion: Unterschiedliche Lebensmodelle finden Raum.

Potenzielle Wahrnehmung als „Weniger engagiert“: Vorurteile müssen aktiv abgebaut werden.

Innovationsfördernd: Teilzeitkräfte bringen oft Perspektiven von außen ein (z. B. aus Ehrenamt, Studium).

Ressourcenplanung anspruchsvoller: z. B. bei kurzfristigen Projekten oder hoher Termindichte.

Fazit

Zeit für einen Perspektivenwechsel

Teilzeit ist nicht das Problem. Sie ist Teil der Lösung.

Die moderne Arbeitswelt braucht keine Ideologie: sie braucht Flexibilität, Empathie und Vertrauen in die Lebensrealitäten von Menschen. In die Innovationskraft von Organisationen. Und in die Fähigkeit, Arbeit so zu gestalten, dass sie zu unterschiedlichen Lebensentwürfen passt.

HR hat hier eine zentrale Rolle: als Brückenbauer zwischen den Bedürfnissen von Menschen, den Anforderungen der Organisation. Und den Rahmenbedingungen des Staates.

Ich würde mir wünschen, Teilzeit nicht als Defizit zu betrachten, sondern als Gestaltungschance. Und als Freiheit: für Unternehmen und für Mitarbeitende. Denn Arbeit ist nicht alles. Aber sie kann viel sein. Wenn sie zur Lebensrealität passt.

Teilzeit ist kein „Mami-Modell“. Es ist moderne Arbeitskultur.

Quellen

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