Bei HR-Interim Management gleicht kein Projekt dem anderen, keine Organisation ist wie die nächste. Und doch gibt es diesen einen, entscheidenden Moment: den Einstieg.
Die ersten 48 Stunden legen den Ton für den gesamten Einsatz. Wie gelingt ein Start, der Vertrauen schafft, Wirkung zeigt und Richtung gibt?
Genau diese Fragen spiele ich weiter an eine Runde an HR-Interim-Managerinnen und -Manager. Ich freue mich sehr auf die Antworten:
Links der HR-Branche Interim Management
⇒ Anbieter-Vergleich
⇒ Redaktion
Experten-Interview
Die ersten 48 Stunden
Was tust du in den ersten 48 Stunden eines neuen Interim-Einsatzes? Ganz konkret.
Mag. Karin Ramsebner-Greunz: In den ersten 48 Stunden geht es für mich darum, ein Gespür für die Organisation und die Menschen zu bekommen. Ich bin mitten im Team und beobachte aufmerksam, wie im Alltag kommuniziert wird – beim Kaffeeholen, in Meetings oder in der Kantine. So erkenne ich schnell, wie die Menschen ticken, wie die Stimmung ist und welche Themen gerade bewegen.
In einem gemeinsamen Kick-Off stelle ich mich persönlich vor und erkläre den Auftrag. Wir besprechen die Ziele und meine Rolle. Alle sollen von Anfang an wissen, was sie erwarten dürfen, wofür ich genau geholt wurde, und woran wir zusammen arbeiten.
Am Anfang stelle ich außerdem viele Fragen. Ich gebe den Mitarbeitenden Raum für ihre aktuellen Themen, und erkundige mich danach, was im Miteinander wichtig ist. Gibt es Rituale, oder definierte Dos and Don’ts? Ich verschaffe mir Klarheit über die Kommunikationswege und meine Ansprechpersonen, um rasch ins Tun zu kommen.
Parallel dazu lege ich mit dem Auftraggebenden regelmäßige Abstimmungen fest, meist wöchentlich, um Fortschritte und Prioritäten zu reflektieren. Dieser Einstieg ist eine bewährte Basis für eine wirksame Zusammenarbeit.
Melanie Trommer, MA: In den ersten 48 Stunden geht es nicht darum, gleich alles zu verändern – sondern sich ein klares Bild zu verschaffen. Wo steht die Organisation aktuell, und wo will sie hin?
Ich höre sehr genau zu, achte auf Zwischentöne und versuche, auch das Nicht-Gesagte wahrzunehmen: Welche Kultur prägt den Alltag? Welche ungeschriebenen Regeln bestimmen das Miteinander? Bei welchen Themen herrscht der größte Leidensdruck?
Parallel kläre ich die Herausforderungen und Erwartungen sowie den zeitlichen Rahmen. Mein Ansatz ist es, nicht nur strategisch zu agieren, sondern so schnell wie möglich auch tatkräftig operativ mitanzupacken und die Organisation nachhaltig zum Besseren zu verändern. Das soll bereits in dieser frühen Phase spürbar sein – deshalb liefere ich schon erste Impulse für mögliche Wege.
Sonja Nassler: Mein persönliches Ritual beginnt schon vor dem ersten Tag. Ich ziehe mich so an, dass ich mich wohlfühle und gut zum Unternehmen passe. Ich bereite alle Unterlagen und Notizen vor und gehe im Kopf noch einmal durch, was ich über den Auftrag und die Situation bereits weiß.
So bin ich klar und bereit, mich auf neue Menschen und Themen einzulassen. Ich achte darauf, pünktlich, aufmerksam und offen anzukommen – ohne großen Auftritt, aber mit echtem Interesse.
Ich schenke mir selbst ein Lächeln, das die Freude in mir aktiviert, bevor es losgeht. Das hilft mir, ruhig und fokussiert zu bleiben. Jeder Einsatz ist anders, und genau das macht meine Arbeit spannend und motiviert mich. Gute Vorbereitung gibt Sicherheit – auch wenn es manchmal anders kommt, als man es sich vorgestellt hat.
Mag. Paul Stricker: In den ersten 48 Stunden liegt mein Fokus auf einem strukturierten Einstieg und dem Aufbau von Vertrauen.
Übernehme ich ein Team, starte ich mit einem kompakten Onboarding-Workshop. Ziel ist eine gegenseitige Vorstellung, die Klärung von Erwartungen und der Zusammenarbeit sowie die Identifikation von „Quick Wins“ – also Themen, die sofort angegangen werden müssen.
Parallel plane ich zeitnah Gespräche mit meinen Kolleginnen und Kollegen außerhalb von HR, um Schnittstellen und aktuelle Herausforderungen zu verstehen. Mit meinem Auftraggeber – etwa der Geschäftsführung oder dem Vorstand – führe ich ein vertiefendes Gespräch zur finalen Klärung von Auftrag, Rolle und Zielsetzung.
Balance zwischen Zuhören und Handeln
Wie gelingt dir die Balance zwischen aktivem Zuhören und entschlossenem Handeln?
Mag. Mag. Nicole Ladich: Ich sehe die ersten Tage als Dialog-/Analysephase gepaart mit der Identifikation von Quick-Fixes &- Wins, welche ich gemeinsam mit den Auftraggebenden sofort umsetzte. Zuhören bedeutet für mich Muster zu erkennen – Strukturen, unausgesprochene Konflikte oder wiederkehrende Themen.
Sobald solche Muster für mich sichtbar und greifbar werden, handle ich gezielt: Ich starte mit kleinen, sichtbaren Schritten, die Wirkung zeigen und Orientierung geben. Zum Beispiel kläre ich interne Zuständigkeiten oder etabliere erste Abstimmungsroutinen. Schon allein dadurch, dass ich viele Dinge hinterfrage, um zu verstehen und mitzuwirken, setze ich erste Impulse und bringe Bewegung ins System.
Diese Balance zwischen Dialog und entschiedenem Handeln gelingt, weil ich bewusst zwischen Beobachtung und Umsetzung wechsle. Ich höre zu, um zu verstehen und handle, um Vertrauen zu gewinnen.
Mag. Paul Stricker: Als Interim Manager ist es essenziell, rasch Vertrauen und Akzeptanz im Team und bei den Stakeholdern zu gewinnen – und gleichzeitig handlungsfähig zu sein. In Gesprächen zeigt sich oft, dass bestimmte Maßnahmen längst überfällig sind, aber aus verschiedenen Gründen nicht umgesetzt wurden: sei es mangels klarer Kommunikation des Nutzens oder aufgrund anderer Prioritäten.
Diese Impulse sind meist sehr sinnvoll und decken sich oft mit Erfahrungen aus anderen Einsätzen. Als externe Person fällt es mir leichter, solche Ideen aufzugreifen, ihre Umsetzung vorzuschlagen und aktiv zu unterstützen. Das ist auch ein starkes Zeichen an das Team, welches meistens diese Ideen auch gut findet. Regelmäßige Abstimmungen mit anderen Fachbereichen – auch konzernweit – sind dabei entscheidend.
Mein Fokus liegt auf pragmatischen, schnell umsetzbaren Lösungen mit spürbarem Mehrwert. So schaffe ich nicht nur Vertrauen, sondern auch den nötigen Raum, um mittel- und langfristige Projekte strukturiert zu planen und vorzubereiten.
Dr. Martin Mayr: Beides ergänzt sich. Richtige Führungskräfte können aktiv zuhören, sie verstehen die Mitarbeitenden und nehmen sich dazu Zeit. Und natürlich wird dann damit auch entschlossen gehandelt. Wir sehen meistens, dass gerade das in Unternehmen gefehlt hat. Also ehrliche und konsequente Entscheidungen sind wichtig und meist überfällig.
Mag. Karin Ramsebner-Greunz: Zuhören und Handeln gehören für mich untrennbar zusammen. Nur wenn ich wirklich verstehe, worum es geht – die Menschen, die Stimmung, die Hintergründe –, kann ich wirksam agieren. Aktives Zuhören bedeutet für mich, echtes Interesse zu zeigen, Zwischentöne wahrzunehmen und das Gesagte wie das Ungesagte ernst zu nehmen. Daraus entsteht die Grundlage für fundierte Entscheidungen. Die Balance entsteht also nicht aus Abwägen, sondern aus Timing: zu wissen, wann genug verstanden ist, um ins Tun zu kommen. Das ist Erfahrung, Bauchgefühl und Respekt zugleich; gegenüber dem Prozess und den Menschen darin.
Rituale?
Hast du ein Ritual oder bewährtes Vorgehen, um beim Einstieg für dich / das interne Team / den Auftraggeber schnell Klarheit und Energie zu erzeugen?
Max Kraft: Ich starte fast immer mit einem Kick-off-Workshop, in dem alle relevanten Stakeholder eingebunden werden. Hier schaffen wir ein gemeinsames Verständnis zu Zielen, Rollen, Kommunikation und Erfolgskriterien. Parallel arbeite ich mit dem Team an Werten und Leitplanken der Zusammenarbeit – das bringt Energie und schafft emotionale Verbindung.
Ein kurzes „Team Check-in“ am Ende der ersten Woche ist mein Ritual: Was hat gut funktioniert? Wo hakt es? So sichern wir Tempo und Vertrauen gleich zu Beginn.
Mag. Valerie Ferencic, MSc: Ich starte jedes neue Mandat mit drei Leitfragen:
- Was ist meine Mission?
- Was braucht das Unternehmen jetzt am dringendsten?
- Wie möchte ich wirken?
Diese Fragen helfen mir, Fokus und Haltung zu schärfen. Gleichzeitig bleibt ihre Beantwortung kein einmaliger Akt – denn die Perspektive kann sich mit der Dynamik im Unternehmen verändern. Deshalb ist mir der enge Austausch mit den Auftraggebenden so wichtig: Durch regelmäßige Reviews und Check-ins stelle ich sicher, dass meine Arbeit als Interim Managerin wirksam bleibt, echten Mehrwert schafft und das Unternehmen dort unterstützt, wo es ihn gerade am meisten braucht.
Mag. Eva Rechberg: Meine folgende Grundregel ist gerade zu Beginn wichtig: „Kultur verstehen, nicht bewerten“ Es gibt immer einen guten Grund, warum es so ist, wie es ist. Bevor ich etwas ändern will, frage und hinterfrage ich. Erst dann treffe ich Entscheidungen.
Die ersten beiden Wochen eines Mandats sind geprägt von Beziehungen aufbauen & Vertrauen schaffen. Ich führe 1:1 Gespräche mit dem Team und Stakeholder mit dem Fokus gegenseitiges Kennenlernens und Schaffen von Transparenz: Wer bin ich? Warum bin ich hier? Wie sieht für uns beide eine gute Zusammenarbeit aus?
Und ich beobachte besonders aufmerksam die Unternehmenskultur: Wie werden Entscheidungen getroffen? Wie wird kommuniziert? Welche unausgesprochenen Regeln prägen das Miteinander?
Nur wenn ich an die Organisationskultur anschlussfähig bin, bin ich als Interimsmanagerin erfolgreich.
Fazit
Der erste Eindruck im Interim Management ist weit mehr als nur Begrüßung. Er ist die Grundlage für Wirksamkeit. Innerhalb von 48 Stunden entsteht durch feines Beobachten, offene Gespräche und das Erkennen ungesagter Dynamiken ein erstes, belastbares Bild der Organisation.
Meine Experten-Runde sagt klar: Zuhören ist der Anfang, Entscheidungen zu treffen ist das Ziel. Die Kunst liegt im Timing: zu wissen, wann der Moment für Handlung gekommen ist. Bewährte Rituale wie Check-ins, Stakeholder-Workshops oder das bewusste Ausblenden der eigenen Person sorgen dabei für Klarheit, Energie und einen wirksamen Vertrauensvorschuss.
Interviewte Personen
Der ideale Start in HR-Interim Management | Der erste Eindruck zäht
Mag. Karin Ramsebner-Greunz
- Geschäftsführung
- Ramsebner-Greunz HR Consulting
- Unternehmens-Profil
- www.ramsebner-greunz.at
Mag. Eva Rechberg
- Leiterin der Dachmarke systworks
- Punktum HR Consulting
- Unternehmens-Profil
- www.hr-punktum.at
Mag. Paul Stricker
- Paul Stricker Interimsmanagement e.U.
- Unternehmens-Profil
- www.paulstricker.at
Sonja Nassler
- Geschäftsführerin
- PayRocknRoll
- Unternehmens-Profil
- www.payrocknroll.at
Melanie Trommer, MA
- Personalexpertin
- Melanie Trommer e.U.
Dr. Martin L. Mayr
- Geschäftsführer
- GOiNTERIM GmbH
Mag. Mag. Nicole Ladich
- Geschäftsführung & Interim Profi
- Interim4HR
Max Kraft
- CEO
- Pates AG
Mag. Valerie Ferencic, MSc.
- Unternehmerin
- VF Consulting


