„The roles will change.“ Besonders in Finance und HR. In der Debatte über KI in Unternehmen geht es längst nicht mehr darum, ob KI kommt, sondern darum, wie schnell Teams, Rollen und Arbeitsmodelle sich anpassen. Und wie HR diesen Wandel gestalten kann: nicht als Zuschauerin, sondern als Gestalterin.
Foto oben: Panel der Workday Rising EMEA (November 2025, Barcelona)
v.l.n.r: Scott Hill (Capita), Natasja Mol (Signify), Sugam Jajodia (Just Eat Takeaway), Kathy Pham (Workday)
Der Einstiegs-Satz „The roles will change“ stammt von Andrew Kershaw (Group General Manager im Office of the CFO bei Workday). Was im ersten Moment unspektakulär und nicht sonderlich neu klingt, zog sich durch viele Vorträge der Workday Rising EMEA (Konferenz in Barcelona im November 2025). Ich habe einige Eindrücke, Inhalte und Erfahrungsberichte mitgenommen und bündle sie in diesem Artikel.
Grundaussage für HR: HR ist in einer neuen Ära von Verantwortung, Gestaltung und strategischer Relevanz angekommen.
Wenn KI Realität wird und HR im Zentrum steht
Eine der eindrucksvollsten Perspektiven kam von Workdays eigener HR-Analytics-Leitung Phil Willburn (Vice President People Analytics, Insights, & Experiences). Er erzählte offen, wie die Einführung von KI im Unternehmen zeitgleich mit einer großen Restrukturierung stattfand. „Eine der härtesten Phasen unserer bisherigen Geschichte“, wie er sagte. Und er stellte sich unbequeme Fragen, die heute viele HR-Leitende umtreiben: Wird KI mein Team ersetzen? Werden wir weniger Analysten brauchen? Hat meine Rolle in Zukunft überhaupt noch Bestand?
Anstatt sich auf Vergangenes zu berufen, entschied sich sein Team für den radikaleren Weg: vollständiges Experimentieren. Sie integrierten KI kompromisslos in den Alltag, reduzierten 50 % der transaktionalen Aufgaben, bauten das Team um und schufen Freiraum für strategische Initiativen: die Steigerung des Mitarbeiterengagements nach der Restrukturierung und das unternehmensweite Programm „Everyday AI“, welches 20.000 Mitarbeitende befähigt, KI täglich anzuwenden. Die Erfolgsformel: Peer Learning, tatsächliche Anwendungsfälle und der Mut, Fehler als Lernmoment zu verstehen.
Das Ergebnis spricht für sich: Die KI-Nutzungsquote stieg von 30 auf über 80 %. Nicht durch Druck, sondern durch Begeisterung.
5 Praxis-Einblicke in Finanz & HR
Workday demonstrierte anhand verschiedener Szenarien, wie KI-basierte Systeme den gesamten Finanzbereich entlasten, beschleunigen und strategisch aufladen können. Fünf Beispiele zeigen, was das in der Realität bedeutet und weshalb HR hier eine entscheidende Rolle spielt.
1. Kontrolle in Echtzeit – statt Reaktion im Nachhinein
In der Anwendung „Financial Test Suite“ läuft permanente Qualitätskontrolle: Eine doppelt eingereichte Rechnung wird automatisch erkannt, die Zahlung gestoppt, die Kommunikation mit dem Lieferanten initiiert. Zusätzlich wurde ein Kontrollmechanismus eingerichtet, um Wiederholungen zu vermeiden. Das System erkennt Anomalien, prüft auf Betrug und empfiehlt Maßnahmen oder setzt sie gleich um.
Relevanz für HR: Dieses Prinzip lässt sich auf Personalprozesse übertragen: präventive Prüfungen von Richtlinienverstößen, Skill-Gaps oder Ethikverletzungen. So wird HR zur proaktiven Kraft für Compliance und Qualitätssicherung im Unternehmen.
2. Profitabilität verstehen – bis zur letzten Einheit
Workday erlaubt es, auch indirekte Kosten auf kleinste Leistungseinheiten herunterzubrechen, etwa auf ein Hotelzimmer oder ein Krankenhausbett. KI hilft bei der Wahl der passenden Verteilungsschlüssel, prüft die Auswirkungen und macht Profitabilität sichtbar, wo zuvor nur aggregierte Daten verfügbar waren.
Relevanz für HR: Mit dieser Transparenz lassen sich Personalkosten, Leistungen und ihre Wertbeiträge besser verstehen und gezielter steuern. Das betrifft z. B. Trainingskosten, Zeitbudgets, interne Mobilität oder das Design neuer Rollen.
3. Planung in Echtzeit – statt Rückschau im Quartalsrhythmus
Ein Planning-Agent erkennt Abweichungen zwischen Forecast und Ist-Zahlen, etwa durch gestiegene Kosten. Das System schlägt sofort mögliche Gegenmaßnahmen vor, zum Beispiel Einsparungen, Ressourcenverschiebungen oder neue Preismodelle. Die Auswirkungen werden direkt simuliert.
Relevanz für HR: Forecasting wird zum lebendigen Prozess, auch für HR. Ob Headcount-Planung, Nachfolgeplanung oder Skill-Entwicklung: HR kann fundierte Entscheidungen treffen, die auf Echtzeit-Daten basieren – statt auf Bauchgefühl oder Excel-Modellen.
4. Organisation gestalten – datenbasiert und kollaborativ
Eine neue Abteilung soll aufgebaut werden? Mit der Software lassen sich Struktur, Rollen, Talente und ihre Auswirkungen auf KPIs in einer gemeinsamen Oberfläche simulieren. HR und Finance modellieren gemeinsam – nicht in Silos. Die Plattform zeigt direkt: Wie verändern sich Kosten, Produktivität, Mobilität?
Relevanz für HR: Organisation wird zum dynamischen System und HR zur mitgestaltenden Instanz. Das verschiebt die Rolle von HR vom administrativen Begleiter zur strategischen Partnerin auf Augenhöhe mit Finance.
5. Personalkosten im Kontext: klarer sehen, besser entscheiden
Personalkosten sind in vielen Branchen der größte Einzelposten und zugleich schwer zu greifen, wenn Menschen flexibel arbeiten, Projekte wechseln oder Rollen hybrid ausgelegt sind. Mit Workday lassen sich diese Kostenstrukturen modellieren, Szenarien entwerfen und auf Auswirkungen prüfen. Inklusive aller direkten und indirekten Effekte.
Relevanz für HR: Die klassische „Kostenstelle“ wird zur Steuerungsgröße. HR kann fundiert aufzeigen, wie sich Maßnahmen (zB. Neueinstellungen, Weiterbildungen oder Restrukturierungen) auf Wertschöpfung und Profitabilität auswirken.
Work Intelligence: HR bekommt das fehlende Puzzleteil
Ein zentrales Thema der Workday Rising war „Work Intelligence“: die Fähigkeit, die Organisation als dynamisches, datenbasiertes System zu verstehen. Das umfasst:
- vollständige Skills-Transparenz
- KI-gestützte Organisationsdiagnosen
- Szenariomodellierung über Rollen, Teams, Länder hinweg
- Conversational Reporting („Ask Workday“)
- den neuen Job Architecture Hub
- Pay-Equity-Analysen inklusive EU-Transparenzvorgaben
Insbesondere der Job Architecture Hub wurde hervorgehoben: Er erlaubt, Rollen konsistent zu definieren, Skills intelligent zu verknüpfen und Karrierepfade bis hin zur Weiterbildung zu automatisieren. Die Aussage dahinter: Organisationsarchitektur wird nicht mehr verwaltet; sie wird gestaltet, gepflegt und gelernt.
Für HR bedeutet das: Die Zeit der starren Jobprofile ist vorbei. Künftig dominieren Skills, Fluidität und kontinuierliche Anpassungen.
Die KI-Agenten kommen …
… und mit ihnen die Notwendigkeit perfekter Daten
Einer der zentralen Sätze der technischen Session lautete: „Agenten funktionieren nur dann, wenn sie genügend Kontext haben. Ohne hochwertige Daten brechen sie zusammen.“ Es wird betont, dass KI-Agenten nicht isoliert funktionieren. Sie greifen tief auf das System of Record zu: das vollständige, integrierte Bild von Menschen, Rollen, Finanzen und Organisationen.
Wenn HR hier eine aktive Rolle einnimmt, profitiert die gesamte Organisation: transparente Karrierepfade, automatisierte Empfehlungen, Risikofrüherkennung, smarte Talentplanung.
Wofür HR sich jetzt wappnen muss
Die Workday Rising hat gezeigt, dass HR in den nächsten Jahren fünf große Aufgaben bekommt:
- Strategische Co-Leitung der Unternehmenssteuerung: HR muss Szenarien verstehen, simulieren und argumentieren können – nicht nur Rollen verwalten.
- Neue Skills erlernen, auch für erfahrene HR-Managerinnen und HR-Manager: Prompting, KI-Literacy, Datenkompetenz und Systemdenken sind Pflicht.
- Kollaboration mit Finance als Standard: Gemeinsame Plattformen schaffen gemeinsame Verantwortung. HR gewinnt an Gewicht, wenn es auf Augenhöhe mit Finance agiert.
- Der Mensch bleibt im Zentrum: KI trifft keine finalen Personalentscheidungen. Der Mensch bleibt Entscheider. HR muss diese Haltung verteidigen.
- Kultur, Ethik und Vertrauen sichern: Mit KI steigt sowohl die Geschwindigkeit als auch das Risiko. HR wird zur Hüterin der ethischen Leitschienen.
Fazit: HR wird zur Co-Architekt der Zukunft
Die Digitalisierung des Finanzbereichs ist nur der Anfang. Die Workday Rising zeigt: KI verändert die Definition von Arbeit selbst. HR steht mittendrin. Wer jetzt Datenqualität sichert, Kollaboration stärkt, KI-Programme wie aufsetzt und Organisationen als dynamisches System versteht, gestaltet sowohl die Zukunft des Unternehmens als auch die Zukunft der eigenen Rolle.
Danke
Danke an die Veranstalter für diesen großartigen Event: 6.000 Teilnehmende aus EMEA besuchten Keynotes, Podiumsdiskussionen, Sessions, eine große Messe und inspirierten sich gegenseitig.


